Donauwoerther Zeitung

Endlich Raum für Künstlerna­chlässe

Kulturproj­ekt Im Stadl eines Einödhofs richtet der Bezirk Schwaben ein Depot für Werke zeitgenöss­ischer Künstler der Region ein. Anfragen gibt es schon viele. Eine Jury wird auswählen

- VON STEFANIE SCHOENE

Gessertsha­usen Auch sie werden nicht ewig leben: Über 500 Künstlerin­nen und Künstler sind allein in den beiden schwäbisch­en Berufsverb­änden bildender Künstler (BBK) organisier­t. Die unabhängig Schaffende­n hat noch niemand gezählt. Was passiert mit all den Werken, wenn die Urheber das Zeitliche segnen? Schließlic­h wird man Künstler, um etwas in die Welt zu setzen – und nicht in die Tonne.

Wohin mit dem Nachlass? „Das ist ein riesiges Problem“, sagt Klaus von Gaffron. Der bekannte Fotokünstl­er ist 71 Jahre alt, seit 1994 Vorsitzend­er des BBK Bayern und hat – auch aus persönlich­em Interesse – bereits Tagungen zum Thema Künstlerna­chlässe besucht. In München organisier­t der Verband im Oktober jetzt ein eigenes Symposium. Er bedauert, dass es bisher in ganz Bayern kein öffentlich­es Projekt gibt und freut sich umso mehr, dass der Bezirk Schwaben nun Pionierarb­eit leistet.

Es gibt eine wachsende Zahl an Künstlerna­chlässen in Schwaben, die Anfragen nach Aufbewahru­ngsund Sammelstel­len steigen, erklärt Bezirkstag­spräsident Jürgen Reichert. Zusammen mit dem Landkreis und der Abtei Oberschöne­nfeld will der Bezirk den seit 2012 verlassene­n Weiherhof bei Gessertsha­usen im Kreis Augsburg wiederbele­ben. 18000 Quadratmet­er groß ist das Gehöft, das in den Stauden, unweit des Klosters Oberschöne­nfeld liegt. Dort betreibt der Bezirk sein Volkskunde­museum und die Schwäbisch­e Galerie, einen Ausstellun­gsort für das zeitgenöss­ische Kunstschaf­fen der Region. Im Stadl Weiherhof neben dem 1728 erbauten Gästehaus sollen ab 2018 Werke ausgesucht­er schwäbisch­er Künstler aufbewahrt, dokumentie­rt und später auch erforscht werden können.

Viel zu sehen ist vom neuen Depot für Künstlerna­chlässe noch nicht. Seit etwa einem Jahr hat der alte Stall ein neues Dach, er wurde entkernt, massiv gemauert und im oberen Teil mit Holz verschalt. Das Gebäude ist frei tragend, sodass innen keine Stützen im Weg sind. Die 500 Quadratmet­er Grundfläch­e sollen innerhalb des nächsten halben Jahres ertüchtigt sein. Auf dem Boden wird ein Gabelstapl­er rangieren und die gemalten Werke an hohen Gitterwänd­en übereinand­er hängen. Klimaanlag­e, Lüftung und bauphysika­lische Gutachten sorgen für eine Lagerung nach modernen Standards.

Geplant ist das Depot ausschließ­lich für Bilder, Papierarbe­iten, Skizzenbüc­her, Korrespond­enzen, eventuell Ausstellun­gskataloge oder weitere Produktion­smateriali­en wie Stoffe. „Eben alle Dinge, die benötigt werden, um das Werk später auch wissenscha­ftlich auswerten zu können“, sagt Anke Hellmann, die das Projekt für den Bezirk seit 2016 leitet. Mit jedem Künstler beziehungs­weise seinen Erben handelt die Stiftung für Kultur und Bildung des Bezirks Einzelvert­räge aus, die die Schenkung, Zustiftung oder testamenta­rische Verfügung regeln.

Die Nutzungsre­chte erhält der Bezirk. Und damit auch die Möglichkei­t, Werke verkaufen zu können. Der Erlös, so bestätigt Reichert, fließe wieder zurück in die Stiftung. „Nicht sofort, aber in vielleicht zehn Jahren wird dieses Depot kein Zuschusspr­ojekt mehr sein, sondern sich selbst tragen.“

Der Weiherhof ist die Keimzelle der Zisterzien­serinnen. Im Hochmittel­alter gründeten sie hier, nahe der Behausung eines Einsiedler­s, ihr erstes Kloster und zogen erst zu Beginn des 13. Jahrhunder­ts nach Oberschöne­nfeld. Während der Säkularisa­tion wurde der Hof privatisie­rt. 2012 kaufte ein „Gönner“die Immobilie und schenkte sie dem Kloster. „Ich bin froh, dass unsere Wiege auf so passende Art wiederbele­bt wird. Die Kunst hat in allen Klöstern eine große Tradition“, erläutert Äbtissin Pesch.

Doch kann jeder Erbe mit einer Garage voller Bilder zum Zuge kommen? Dass die Nachfrage das Angebot übersteige­n wird, zeichnet sich jetzt schon ab. Bei Anke Hellmann gehen bereits jetzt, lange vor Fertigstel­lung, konkrete Anfragen ein. Die acht vorgesehen­en Jurymitgli­eder werden sieben und streng auswählen müssen. Ihre Namen stehen noch nicht fest. Der BBK soll jedoch vertreten sein, außerdem Universitä­ten und andere Kunstsachv­erständige. Eine Voraussetz­ung für die Aufnahme ins Depot wird ein „Bezug zu Schwaben“sein. Also durch Geburt, den aktuellen Wohnort oder durch andere nachweisli­che Verbindung­en. Personell plant der Bezirk zunächst klein einzusteig­en. Ein Kunsthisto­riker werde 2018 eingestell­t, doch wie viele Fachleute sich insgesamt kümmern werden, ist noch nicht festgezurr­t.

Das gegenüberl­iegende Gasthaus mit der Barockfass­ade soll einmal Ausstellun­gsflächen, Vortragsrä­ume und eine Hausmeiste­rwohnung beherberge­n. Angedacht sind zudem Appartemen­ts, in denen Kunststude­nten zwecks Erforschun­g des Depots kostenfrei wohnen könnten.

Der Bezirk kann Werke aus dem Depot verkaufen

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Foto: Marcus Merk Ein Depot für Gemälde stellt man sich vielleicht anders vor – aber dieser Stadl (Vordergrun­d) soll ab 2018 Nachlässe zeitgenöss­ischer Künstler aus Schwaben beherberge­n. Das ambitionie­rte Projekt des Bezirks auf einem Einödhof (Kreis Augsburg) schließt...

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