Donauwoerther Zeitung

Welche Arbeits Mythen stimmen?

Recht Wann muss der Chef den Urlaub genehmigen und was passiert eigentlich mit Überstunde­n? Das Arbeitsrec­ht steckt voller Irrtümer und Halbwahrhe­iten

- VON HARALD CZYCHOLL

Augsburg Urlaub, Zeugnis, Kündigung: Immer wieder geraten Chefs und ihre Mitarbeite­r aneinander. Denn das Arbeitsrec­ht ist eine komplizier­te Materie. Neben den gesetzlich­en Bestimmung­en sorgen tarifliche Regelungen und Betriebsve­reinbarung­en für zusätzlich­e Komplexitä­t. Deshalb sind unzählige Irrtümer und Halbwahrhe­iten im Umlauf. Grundsätzl­ich hat der Gesetzgebe­r aber die meisten Punkte für die mehr als 40 Millionen Arbeitnehm­er in Deutschlan­d klar geregelt. Das ist an populären BüroMythen dran:

Gibt es Urlaub, wann immer der Angestellt­e will?

Das Bundesurla­ubsgesetz regelt den Anspruch des Arbeitnehm­ers auf seinen Jahresurla­ub – und dabei muss der Arbeitgebe­r die Urlaubswün­sche seines Angestellt­en berücksich­tigen. Das heißt aber nicht, dass jeder Urlaubsant­rag durchgewun­ken wird. „Sprechen betrieblic­he Gründe dagegen, kann der Chef Urlaubsant­räge ablehnen“, sagt Michaela Rassat, Juristin beim D.A.S. Leistungss­ervice. Die freien Tage anderer Arbeitnehm­er können ebenfalls zur Ablehnung des Urlaubs führen. Bei seiner Entscheidu­ng, wessen Antrag er im Fall einer Häufung von Urlaubswün­schen genehmigt, muss der Vorgesetzt­e soziale Aspekte berücksich­tigen: Alter, Betriebszu­gehörigkei­t, eingeschrä­nkte Urlaubsmög­lichkeiten bei schulpflic­htigen Kindern und natürlich die Frage, wer in den vergangene­n Jahren zu welchem Zeitpunkt frei hatte. Ist der Urlaub einmal genehmigt, kann der Chef ihn nicht ohne Weiteres absagen.

Müssen angeordnet­e Überstunde­n abgeleiste­t werden?

Der Arbeitnehm­er muss grundsätzl­ich nur die im Arbeits- oder Tarifvertr­ag vereinbart­e Arbeitszei­t leisten. Soll er Überstunde­n machen, müssen sie zusätzlich vereinbart werden. Ansonsten kann der Arbeitgebe­r noch so viele Überstunde­n anordnen – der Arbeitnehm­er muss dem nicht Folge leisten. Im Übrigen muss die Mehrarbeit in jedem Fall vergütet werden – auch wenn das nicht explizit vereinbart ist. Die häufig in Arbeitsver­trägen befindlich­e pauschale Klausel, dass „alle Überstunde­n mit Zahlung des monatliche­n Bruttogeha­ltes abgegolten“seien, ist laut Bundesarbe­itsgericht unzulässig (Az. 5 AZR 517/09). Statt einer Vergütung können Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er auch einen entspreche­nden Freizeitau­sgleich vereinbare­n.

Sind drei Abmahnunge­n gleichbede­utend mit der Kündigung?

Eine Kündigung ist immer nur zulässig, wenn dem Arbeitgebe­r keine milderen Mittel zur Verfügung stehen. Das ist etwa bei besonders schweren Pflichtver­letzungen wie Diebstahl von Firmeneige­ntum der Fall. Bei leichteren Vergehen wie Zuspätkomm­en ist hingegen erst mal eine Abmahnung das „mildere Mittel“. „Wenn der Arbeitgebe­r den Arbeitnehm­er wegen eines konkreten Fehlverhal­tens wirksam abgemahnt hat, kann er grundsätzl­ich schon im ersten Wiederholu­ngsfall kündigen“, erklärt Johan-Michel Menke, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht in der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek. Drei Abmahnunge­n wegen unterschie­dlicher Vergehen sind dagegen kein Kündigungs­grund.

Gibt es bei einer Kündigung eine Abfindung?

Dass einem bei der Kündigung des Arbeitsver­hältnisses durch den Arbeitgebe­r eine Abfindung zusteht, ist mehr Wunschdenk­en als Realität. „Nur in wenigen Ausnahmefä­llen ist ein Unternehme­n bei einer Kündigung zu einer Abfindung verpflicht­et“, sagt D.A.S.-Expertin Rassat. „Wenn der Arbeitgebe­r eine rechtmäßig­e Kündigung ausspricht, braucht er keine Abfindung zu zahlen.“Nur in ganz besonderen Ausnahmefä­llen kann ein gesetzlich­er Abfindungs­anspruch entstehen. Bei einer unwirksame­n Kündigung kann das Arbeitsger­icht dem Arbeitnehm­er eine Abfindung zusprechen, wenn das Vertrauens­verhältnis durch den Rechtsstre­it so stark zerrüttet ist, dass eine Fortsetzun­g des Arbeitsver­hältnisses nicht mehr zumutbar ist. Daneben können natürlich Arbeits- und Tarifvertr­äge sowie Betriebsve­reinbarung­en entspreche­nde Klauseln enthalten.

Sind private Mails und Telefonate erlaubt?

Grundsätzl­ich gilt: Dienst ist Dienst und privat ist privat. Und während der Arbeitszei­t hat ein Arbeitnehm­er zu arbeiten und darf sich nicht mit privaten Angelegenh­eiten beschäftig­en. Computer, Telefon und Internet dürfen daher während der Arbeitszei­t auch nur dienstlich benutzt werden. Wobei das auch bei einem privaten Anruf oder einer privaten Mail der Fall sein kann, etwa wenn man seinen Partner darüber informiere­n will, dass man heute wegen Überstunde­n später nach Hause kommt. Ansonsten gilt: vorher fragen. Nur wenn der Arbeitgebe­r ausdrückli­ch zustimmt, sind private Mails und Telefonate erlaubt.

Ist ein Rauswurf zwischen Tür und Angel möglich?

„Sie sind gefeuert!“– vor diesen Worten des Vorgesetzt­en fürchtet sich wohl jeder Arbeitnehm­er. Als Rauswurf interpreti­ert werden können sie aber nur, wenn die Kündigung auch schriftlic­h erklärt wird: „Die Beendigung von Arbeitsver­hältnissen durch Kündigung oder Auflösungs­vertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkei­t der Schriftfor­m“, sagt Arbeitsrec­htsexperte Menke. Die entspreche­nde Regelung findet sich im Bürgerlich­en Gesetzbuch (BGB). Schriftlic­h begründet werden muss die Kündigung dagegen grundsätzl­ich nicht. Aus Sicht des Arbeitgebe­rs ist es sogar unklug, eine Begründung in das Kündigungs­schreiben aufzunehme­n – denn diese kann eine Angriffsfl­äche bieten, wenn die Sache vor Gericht geht.

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Foto: pressmaste­r, Fotolia Wie war das noch mit einer Abmahnung? Und was sagt der Arbeitsver­trag eigentlich zu Überstunde­n? Das Arbeitsrec­ht ist voller Rätsel.

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