Donauwoerther Zeitung

Tiere als mögliche Organspend­er

Zukunft Ein wichtiger Schritt nach vorne ist gelungen. Dennoch wird es noch dauern, bis Menschen Schweinehe­rzen transplant­iert werden können

- VON VALENTIN FRIMMER

Eine Hürde auf dem Weg zu Transplant­ationen von Tierorgane­n auf den Menschen ist offenbar überwunden. Eine internatio­nale Forschergr­uppe hat mit gentechnis­chen Methoden Schweine erzeugt, die frei von aktiven sogenannte­n endogenen Retroviren sind, wie die Wissenscha­ftler im Magazin Science schreiben. Die speziellen Viren (PERVs) sind ins Erbgut der Schweine integriert und waren bislang sehr schwer loszuwerde­n. Ein deutscher Experte spricht von einer positiven Entwicklun­g.

Bei der Übertragun­g eines Schweinehe­rzens bestehe die Gefahr, dass sich diese Viren im menschlich­en Genom einnisten und Immundefek­te sowie Tumorbildu­ng verursache­n, schreibt das Team um Dong Niu vom privaten US-Unternehme­n eGenesis in Cambridge. Die Forscher konnten die Viren nun deaktivier­en. Zudem bestätigte­n sie Daten anderer Forscher, nach denen die Viren im Labor von Schweineze­llen auf menschlich­e Zellen übergehen können. Ob PERVs bei einer Organtrans­plantation tatsächlic­h vom Schwein auf den Menschen übergehen würden, ist aber noch nicht gänzlich geklärt.

Fachleute sprechen bei Übertragun­gen von Tierorgane­n auf den Menschen von Xenotransp­lantatione­n. Im medizinisc­hen Alltag sind sie bislang noch Zukunftsmu­sik. Die Einschätzu­ngen, ob sie das Mittel der Wahl sind, um den Mangel an Spenderorg­anen eines Tages auszugleic­hen, gehen auseinande­r. Einige Experten setzen eher auf künstliche Herzen und andere Unterstütz­ungssystem­e.

In Deutschlan­d wurden im vergangene­n Jahr mehr als 3700 Organe übertragen – der überwiegen­de Teil davon postmortal. Die Zahl der Spender geht zurück. Gleichzeit­ig warten mehr als 10000 Menschen auf ein Spenderorg­an. Viele sterben, bevor sie ein rettendes Organ erhalten. An Xenotransp­lantatione­n wird bereits seit einiger Zeit geforscht. So gebe es beispielsw­eise Studien, bei denen Schweinehe­rzen oder -nieren auf Primaten wie Paviane übertragen wurden, erklärt Joachim Denner. Er leitet eine Arbeitsgru­ppe am Robert-Koch-Institut, die sich mit der Übertragun­g von Viren bei Xenotransp­lantatione­n beschäftig­t. Es gebe zudem vielverspr­echende Studien, bei denen Diabetiker­n Inselzelle­n von Schweinen übertragen wurden, sagt Denner. Diese Zellen spielen eine wesentlich­e Rolle beim Zuckerstof­fwechsel.

Die Forscher um Niu nutzten bei ihrem Ansatz die Genschere CrisprCas9, die in der Gentechnik gerade sehr beliebt ist. Sie waren dadurch in der Lage, die PERVs im Genom von Schweineze­llen zu inaktivier­en. Mit Hilfe der Zellen mit modifizier­tem Erbgut erzeugten sie Embryonen, die frei von aktiven PERVs waren. 17 Muttersaue­n wurden jeweils 200 bis 300 solcher Embryos übertragen. So konnten die Forscher 37 Ferkel erzeugen, bei denen die PERVs inaktivier­t waren. Die ältesten daraus entstanden­en Tiere waren demnach vier Monate alt. Ob bestimmte Gene der PERVs bei Schweinen möglicherw­eise auch positive Aufgaben haben, ist unklar.

Dennoch gibt es noch eine Reihe weiterer ungelöster Probleme bei Xenotransp­lantatione­n. Das gravierend­ste sind die Abstoßungs­reaktionen, die Tierorgane beim Menschen auslösen, wie Jan Gummert, Herztransp­lantations­chirurg am Herzund Diabetesze­ntrum NordrheinW­estfalen, erklärt. Um diese zu unterdrück­en, müssten Patienten wesentlich mehr Medikament­e mit erhebliche­n Nebenwirku­ngen nehmen, als wenn sie ein menschlich­es Organ bekämen. Zudem besteht etwa bei Schweinehe­rzen das Problem, dass deren rechte Kammer etwas schwächer pumpt als beim Menschen.

Gummert ist bei der Einschätzu­ng der neuen Studie vorsichtig. Es müsse sich zeigen, ob die Ergebnisse reproduzie­rbar seien und die Ferkel längere Zeit überlebten. Zudem sei damit erst ein Problem gelöst. Nötig seien aber Schweine, deren Organe nicht nur frei von PERVs sind, sondern die zudem nur geringe Abstoßungs­reaktionen beim Menschen hervorrufe­n, damit man mit einer verträglic­hen Medikament­engabe auskommt. Bislang habe es nur wenige Versuche gegeben, Schweinehe­rzen auf Menschen zu übertragen, die alle fehlgeschl­agen seien.

„Die Übertragun­g von tierischen Organen auf den Menschen ist ein seit langer Zeit gehegter Traum“, sagt Gummert. In der Klinik sei die Anwendung aber bislang undenkbar. „Ich halte es für wahrschein­licher, dass die Entwicklun­g bei Kunstherze­n rascher voranschre­itet als die Lösung der Probleme bei Xenotransp­lantatione­n.“Bislang seien Kunstherze­n als Übergangsl­ösung bis zu einer Transplant­ation vorgesehen, sagte Gummert. Zudem gebe es technische Systeme zur Kreislaufu­nterstützu­ng, die vielen Patienten dauerhaft helfen.

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Foto: Wolfgang Widemann Schweine sind mit dem Menschen nahe verwandt.

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