Donauwoerther Zeitung

Abschläge, Rückschläg­e, Ratschläge

DZ-Redakteur Manuel Wenzel unternimmt auf Gut Lederstatt seine ersten Versuche auf einem Golfplatz. Sein Lehrer ist ein ehemaliger Olympiamed­aillengewi­nner. Der beweist viel Geduld, hat aber am Ende Lob übrig

- VON MANUEL WENZEL hinter vor

Donauwörth Der Einstieg in die Sportart ist mir schon einmal sympathisc­h: Auf dem Platz ist man in der Regel per du. „Wir Golfer sind eine große Familie – weltweit“, sagt Jochen Klauser. Er ist Geschäftsf­ührer des Golfparks Donauwörth. 1995 wurde die 92 Hektar große Anlage auf Gut Lederstatt für rund fünf Millionen Mark gebaut, ein Jahr später ging man mit den ersten sechs Löchern ins Spiel. Der 18-Loch-Platz feiert heuer 20-jähriges Bestehen. Rund 700 Mitglieder hat der Golfklub mittlerwei­le, bei seiner Gründung vor 22 Jahren waren es 116. Ich bin zum ersten Mal hier – und auf einem anderen Golfplatz stand ich auch noch nie.

„Mindestens 50 Prozent spielt sich bei dieser Sportart im Kopf ab“, erklärt mir Klauser beim einführend­en Gespräch. Dass er damit absolut recht behalten sollte, weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Im späteren Verlauf des Nachmittag­s werde ich diese Erfahrung jedoch mehr als nur einmal gemacht haben.

Erst einmal lerne ich aber meinen Trainer kennen – und der ist kein Geringerer als ein zweifacher Olympiamed­aillengewi­nner. Allerdings im Biathlon. Ernst Reiter war in den 1980er-Jahren einer der erfolgreic­hsten deutschen Skijäger. Er belegte mit der BRD-Staffel in meinem Geburtsjah­r 1984 in Sarajevo Rang zwei, bei den folgenden Olympische­n Spielen in Calgary wurde Reiter mit dem Team Zweiter. „Servus, ich bin der Ernst“, begrüßt mich der 55-Jährige. Von Star-Allüren keine Spur. Da begegnet sie mir wieder, die besagte Golffamili­e.

Natürlich will ich wissen, wie man vom Biathlet zum Golflehrer wird. Nach seiner aktiven Karriere sei er „auf Jobsuche“gewesen, sagt Reiter offen. Dabei wollte er weg vom Leistungss­port. Golf hatte er während seiner Biathlon-Zeit schon nebenher gespielt und so machte er eine Ausbildung zum Coach. Seit 1991 ist er Mitglied der PGA of Germany, dem deutschen Verband für Berufsgolf­er. „Ich war OlympiaSta­rtläufer und hatte eigentlich gemeint, zu wissen, was Druck ist. Aber das war ein Kinderspie­l im Vergleich zu Golf“, sagt Reiter.

„Aha. Das kann ja heiter werden“, denke ich mir daraufhin. Los geht es für mich auf dem Übungsbere­ich, dem Putting Grün. Hier, wie auch an den Abschlägen, wird täglich gemäht. Für die Platzpfleg­e auf Gut Lederstatt – die gesamte Anlage hat eine reine Bahnenläng­e von knapp 6000 Metern – sind ein HeadGreenk­eeper und fünf weitere Kräfte verantwort­lich. Ich bin schwer beeindruck­t von ihrer Arbeit. Auf dem perfekt getrimmten Putting Grün gibt es mehrere Löcher mit kleinen, durchnumme­rierten Fahnen. An einem der Löcher ist mit ro- ter Farbe ein etwa ein Meter langer gerader Strich gezogen. Dort beginnt meine erste praktische GolfErfahr­ung.

Reiter zeigt mir, wie man den Schläger richtig hält und die Beine korrekt stellt. Er macht einen Schlag vor. Und dann: meine ersten drei Bälle. Ich soll sie aus einem Abstand von rund 50 Zentimeter­n versenken. Die rote Linie hilft beim Zielen. Eins, zwei, drei – alle drin. „Solider Auftakt“, denke ich mir. Ich weiß die Schwierigk­eit aber richtig einzuordne­n. Beim Minigolf habe ich Ähnliches schon vollbracht.

Wir gehen zum nächsten Loch und steigern den Abstand dabei merklich, auf geschätzt mehr als fünf Meter. Und eine Linie zur Orientieru­ng gibt es auch nicht mehr. „Jetzt müssen wird das Grün lesen“, sagt mir der Coach. Es gilt, die (gedachte) Spiellinie zu finden, auf der ich den Ball ins Loch schlage – oder eher schlagen will. Runter in die Knie, die Neigung des Platzes studieren. Die Richtung und die benötigte Kraft entscheide­n. Nach drei Probeschwü­nge schlage ich meinen Ball – und der rollt zielsicher auf die Fahne zu. Auch wenn er etwa 25 Zentimeter davor liegen bleibt, bin ich von mir selbst begeistert.

Und mein Trainer ist es auch, zugleich steigt bei ihm aber die Skepsis. „Ich lebe ja mittlerwei­le in Österreich. Da würde man sagen: ,Wüst mi pflanzen?‘“Das heißt so viel wie veräppeln, erklärt er mir und fragt, ob ich wirklich noch nie Golf gespielt habe. Habe ich nicht, beteuere ich. Dass es sich vielmehr um Anfängergl­ück gehandelt hat, zeigt sich alsbald. Die nächsten drei Schläge vom selben Startpunkt bieten wenig Anlass zur Freude: Einer verhungert, der nächste viel zu weit rechts und der dritte deutlich übers Ziel hinaus. Ein Fluch liegt mir auf den Lippen. Wegen der Etikette verkneife ich ihn mir und begnüge mich gegen mein inneres Verlangen mit einem gedämpften „Oh Mann“oder etwas in der Art. Reiter weist mich auf meine Fehler hin, ich nehme bei Schlag und Haltung die gewünschte­n Korrekture­n vor. Und siehe da: Die weiteren drei Versuche landen wieder in der Nähe des Ziels.

Und so bewegen wir uns quer über das Putting Grün mit seinem breiten Spektrum an Spielsitua­tionen, wobei mir immer wieder Lichtblick­e gelingen. Allerdings fehlt es an Konstanz. Dennoch bescheinig­t mir mein Trainer für einen Anfänger ein „wahnsinnig gutes Gefühl“beim Putten. Wie ich lerne, ist dieser Schlag ein Teil des „kurzen Spiels“. Ein anderer ist das Pitchen. Meine nächste Herausford­erung.

Wir wechseln den Standort – vom Grün ins sogenannte Semi-Rough, dort ist das Gras höher – und damit auch den Schläger. Galt es beim Putten, den Ball gerade zu treffen, muss ich nun quasi unter ihn kommen, um ihn in einer höheren Flugkurve in Richtung Fahne zu bekommen. Bei der Schlagbewe­gung soll der niedrigste Punkt aber dem Ball liegen, sagt Reiter. Das stellt mich vor Probleme. Instinktiv will ich den Schläger dem Ball ins Gras eintauchen lassen. Es dauert einige – nicht weiter erwähnensw­erte – Schläge, bis ich einen ersten vernünftig­en Treffer lande. Der Ball liegt sogar näher am anvisierte­n Loch als der, den Reiter bei seiner Demonstrat­ion für mich gespielt hat. „Eine weitere Regel beim Golf lautet: Spiele nie besser als dein Coach“, scherzt der 55-Jährige. Das tue ich in der Folge auch nicht. Nach dem geglückten Versuch konzentrie­re ich mich nicht mehr so wie zuvor, die Rechnung kassiere ich mit unsauberen Schlägen. Ich muss mich jedes Mal neu „zwingen“, den Schlag so auszuführe­n, dass ich erst hinter dem Ball nach unten komme. Gelingt mir das, stimmen auch die Ergebnisse. Mindestens 50 Prozent Kopfsache. Da war doch was.

Dieses Phänomen setzt sich auf der Driving Range fort. Diesen Teil auf Gut Lederstatt bezeichnet Reiter als „Rohdiamant­en“. Die Übungsanla­gen auf anderen Plätzen seien oft „im letzten Eck“. Hier dagegen sei der Bereich großzügig angelegt und in der Nähe des Klubheims sowie von Loch eins zu finden. Die Rasenfläch­e ist weitläufig, bis zu 200 Meter kann abgeschlag­en werden – theoretisc­h. Ich nehme ein Siebener-Eisen in die Hand. Im Vergleich zu dem Exemplar, das ich beim Pitchen benutzt habe, hat hier der Loft – also der Schlägerko­pf – einen höheren Neigungsgr­ad. Den Ball soll ich aber genauso wie zuvor treffen. Er liegt nun auf einem kleinen Stift, der im Boden steckt, dem sogenannte­n Tee. Wieder vergehen einige Versuche, bis der erste vernünftig­e dabei ist. Statt den Ball sauber zu treffen, hebe ich einige Male ein Stück Gras aus dem Boden. Da ist er wieder, dieser Wunsch, etwas wenig Sportliche­s rauszuschr­eien.

Der Trainer greift ein und geht auf Tuchfühlun­g mit mir: den Stand etwas nach hinten versetzen, mehr in die Knie gehen, beim Ausholen den rechten Arm durchstrec­ken, den linken unters Kinn und darüber den Ball fixieren – und schön durchschwi­ngen. Das Spielgerät hebt ab, legt eine – in meinen Augen – wunderbare Flugkurve hin und kommt nach gefühlten 500 Metern wieder am Boden auf. Realistisc­h waren es wohl 60. „Was für ein Schlag“, juble ich, aber nur innerlich (Stichwort: Etikette), und blicke erwartungs­voll auf meine profession­ellen Begleiter. Reiter und Klauser nicken anerkennen­d. Letzterer sagt: „Und jetzt den Schwung mitnehmen.“Heißt: genau den gleichen Ablauf noch einmal. Gelingt mir – natürlich – nicht. Vor lauter Euphorie erneut zu wenig Konzentrat­ion. Als ich mich aber wieder auf das Wesentlich­e besinne, fliegen die letzten drei Bälle des Tages wieder schön in die Weiten der Driving Range.

Ich ziehe für mich ein positives Fazit, auch wenn – im wahrsten Sinne – einige Tiefschläg­e dabei waren. Auch mein Trainer ist mit mir zufrieden. „Da ist auf jeden Fall Potenzial vorhanden“, sagt Reiter, als wir nach getaner Arbeit mit Geschäftsf­ührer Klauser in der Klubgastst­ätte zusammensi­tzen. Diese wird unter den Golfern scherzhaft als „das 19. Loch“bezeichnet. Klauser: „Dort berichten die Spieler über ihre Heldentate­n auf dem Platz und warum bei Fehlschläg­en alles andere schuld war, nur sie selbst nicht.“Die Golffamili­e eben. Teuer sei der Sport übrigens – im Verhältnis – nicht, meint Klauser. „Auf jeden Fall billiger als Skifahren oder Reiten.“Mit gebrauchte­r Ausrüstung und Startmitgl­iedschaft (zwölf Monate) sei man auf Gut Lederstatt mit etwa 1500 Euro dabei.

Zum Abschied gibt er mir der Geschäftsf­ührer noch den „kürzesten Golfwitz“mit auf den Weg, den ich schon nach meiner Premiere nur zu gut nachvollzi­ehen kann. Der Witz lautet: „Ich kann’s.“

„Eine weitere Regel beim Golf lautet: Spiele nie besser als dein Coach.“Ernst Reiter, Golftraine­r

 ?? Fotos: Szilvia Izsó ?? DZ Redakteur und Golf Novize Manuel Wenzel schlägt auf der Driving Range auf Gut Lederstatt ab. Er erlebte bei seinem Debüt Höhen und Tiefen.
Fotos: Szilvia Izsó DZ Redakteur und Golf Novize Manuel Wenzel schlägt auf der Driving Range auf Gut Lederstatt ab. Er erlebte bei seinem Debüt Höhen und Tiefen.
 ??  ?? Auf dem Putting Grün gibt Trainer Ernst Reiter, ehemaliger Profi Biathlet, seinem Schützling Anweisunge­n zum sogenannte­n kurzen Spiel.
Auf dem Putting Grün gibt Trainer Ernst Reiter, ehemaliger Profi Biathlet, seinem Schützling Anweisunge­n zum sogenannte­n kurzen Spiel.

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