Donauwoerther Zeitung

Im Rausch die Realität verdrängt

Eine Mutter und Ehefrau weiß keinen Ausweg aus ihren Problemen und trinkt, – und fährt mit über zwei Promille Auto

- VON VERENA MÖRZL

Landkreis Das krankhafte Rauschtrin­ken einer Mutter und Ehefrau stellt eine Familie aus dem Raum Nördlingen vor eine harte Bewährungs­probe. Weil sie bereits mehrmals völlig benebelt und ohne Fahrerlaub­nis im Auto unterwegs war, wurde sie schon zu einer Haftstrafe verurteilt. Seit Juli sitzt die 46-Jährige deshalb in der Justizvoll­zugsanstal­t in Aichach. Nach der jüngsten Verhandlun­g vor dem Nördlinger Amtsgerich­t und dem Urteil von Richterin Andrea Eisenbarth wird sich diese Haftstrafe wohl um ein weiteres halbes Jahr verlängern.

Bei der Verhandlun­g flossen viele Tränen: Vor dem Gerichtssa­al kann die Angeklagte ihren Kummer und ihre Trauer nicht zurückhalt­en, als sie ihren Mann und ihren Sohn außerhalb der JVA wieder in die Arme schließen kann. Auch während der Verhandlun­g weint die 46-Jährige, die nach eigenen Angaben noch immer geschockt von den Umständen im Gefängnis sei. „Das kannte ich nur vom Film.“Niemals, so sagt sie, hätte sie gedacht, dass sie in Kontakt mit solchen Menschen kommen werde. Der Aufenthalt im Gefängnis habe sie abgeschrec­kt.

Ob sie die Alkoholsuc­ht allerdings in den Griff bekommen wird, bleibt abzuwarten. In der Vergangenh­eit war das bislang nicht der Fall. Erneut muss sich die Frau wegen Trunkenhei­t im Verkehr und vorsätzlic­hem Fahren ohne Fahrerlaub­nis verantwort­en. Das letzte Mal wollte sie an einer Nördlinger Tankstelle ihren Weinvorrat auffüllen. Das war das letzte Mal vor ihrer Inhaftieru­ng.

Dass sie alkoholkra­nk ist, streitet die Mutter eines erwachsene­n Sohnes nicht ab. Schon seit mehreren Jahren greift sie zur Flasche, wenn die Probleme zu groß werden. Eine Therapie war bislang nicht erfolgreic­h. Nach sechs bis acht Wochen wurde sie rückfällig und trank dann stetig weiter – bis zum 19. Juli. Seither sei sie nach eigenen Angaben trocken. In der JVA besuche sie die Suchtberat­ung, jeden Samstag gehe sie dort zu einem Treffen der Anonymen Alkoholike­r. Mit brüchiger Stimme schildert sie: „Ich nehme alles mit, was geht in der grausamen Zeit.“

Eine grausame Zeit sei zudem der Auslöser ihrer Trinkerei, sagt sie weiter. Zwei Kinder habe sie verloren. Eines starb am Kindstod, ein weiteres ging noch während der Schwangers­chaft ab. Mit ihrem zweiten Mann, mit dem sie seit 2003 verheirate­t sei, blieb der Kinderwuns­ch unerfüllt. „Ich konnte nicht einmal schwangere Frauen sehen“, sagt sie.

Mit 2,3 Promille hinter dem Steuer

Bei ihrem letzten unerlaubte­n Ausflug mit dem Auto zur Tankstelle hatte sie rund 2,3 Promille im Blut. Dieser Wert wird ihr später auch von der Staatsanwä­ltin zur Last gelegt. Ebenfalls die Tatsache, dass sie neben zwei Anzeigen wegen Beleidigun­g zweimal einschlägi­g vorbestraf­t ist und in der offenen Bewährung wieder betrunken ins Auto steigt. Staatsanwä­ltin Katharina Kling sieht zudem eine düstere Sozialprog­nose und fordert eine Freiheitss­trafe von sechs Monaten und eine Führersche­insperre für weitere zwei Jahre. Richterin Andrea Eisenbarth sieht diese Strafe in ihrem Urteil ebenfalls für angemessen.

„Auch wenn Sie den Vollzug spüren, ist das kein Grund zu sagen, ’wir glauben Ihnen’ oder ’das wird nicht wieder vorkommen’. Sie müssen wirklich an sich arbeiten“, sagt Eisenbarth und rät ihr eine Therapie, die alles abdeckt: die Alkoholsuc­ht, eine mögliche Tablettens­ucht und die traumatisc­hen Erlebnisse der Vergangenh­eit. „Legen Sie alle Karten auf den Tisch und arbeiten Sie an sich. Sie sind noch jung und sollten schon in die Zukunft schauen.“

Für die Angeklagte ist der Führersche­in nicht so wichtig. Vielmehr will sie ein neues Leben anfangen. Nach ihrer Zeit in der JVA und, wie sie sagt, hoffentlic­h mit ihrem Mann und ihrem Sohn.

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