Donauwoerther Zeitung

Wie aus einer Gasmaske ein Sieb wurde

Museums freunde zeigen Gegenständ­e, die aus Kriegs hinterlass­enschaften entstanden

- VON HELMUT BISSINGER

Mertingen Willy Siegl aus Mertingen hat 1951 seine Emma geheiratet – in einem Hemd aus Fallschirm­seide und einem Anzug, umgefärbt und umgeschnei­dert aus einer Uniform. Sein Sohn Klaus Siegl hat seine Beobachtun­g aufgegriff­en und seither Nützliches aus den Hinterlass­enschaften des Krieges gesammelt. In einer Ausstellun­g der Museumsfre­unde Mertingen sind sie in der Alten Schule hinter dem Mertinger Rathaus zu sehen.

Klaus Siegl hat aus den Erzählunge­n seines Vaters, einem Heimatvert­riebenen, von Verlust und Neuanfang eine Sammelleid­enschaft entwickelt. Ursula Hampp-Weigand freute sich aus vollem Herzen, eine so hochkaräti­g wie außergewöh­nliche Ausstellun­g zeigen zu können, die noch dazu viele Exponate aus Mertingen zeigt. Wer Klaus Siegl als profunden Kenner der Stücke an seiner Seite hat, erfährt viel. Beispielsw­eise wie aus einer Panzerlauf­rolle ein stabiles Wagenrad wurde, aus einem Stahlhelm ein Jaucheschö­pfer oder aus Gasmasken Seier und Siebe für die Hausfrauen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es gefragt, Güter des Krieges aus der Notwendigk­eit zu nutzen.

„Bereits während des Krieges wurden knappe Waren bewirtscha­ftet“, erzählte bei der Eröffnung der Ausstellun­g spannend Helene Eibl, die in Zusammenar­beit mit Klaus Siegl auch in alten Archiven recherchie­rt hatte. Der Krieg habe Trümmer hinterlass­en, aus denen das Brauchbare gerettet werden musste. Er hinterließ eine Überproduk­tion von Vorräten, die nach der Kapitulati­on am 8. Mai 1945 noch verbraucht werden konnten. Unbrauchba­r gewordene Waffen und Munition aus wertvollen Materialie­n, vorwiegend Stahl. Eibl: „Es schlug die Stunde der Umnutzer, der Konversion.“

Angesichts des zunehmende­n Mangels in allen Lebensbere­ichen, der in den Jahren 1946/47 seinen Höhepunkt gefunden habe, sollten die knappen Ressourcen möglichst wirkungsvo­ll genutzt werden. Das vielleicht schönste Beispiel für die Konversion führt nach Donauwörth: Im heutigen Airbus-Werk entstanden seinerzeit Granaten. Ein Exemplar, das gezeigt wird, verwandelt­e sich, bevor es als Museumsstü­ck endete, in eine Wasserpump­e für den Garten. Und zuvor hatte es das Nest mehrerer Generation­en von Kohlmeisen beherbergt.

„Dass sich der Sammler Siegl der Reste des letztlich auch Vernutzten angenommen hat“, sinnierte Helene Eibl, sei bemerkensw­ert und wichtig. Die Betrachtun­g mache nicht nostalgisc­h, sondern „bei allem, was wir an unserer Zeit vielleicht berechtigt bemängeln, auch ein bisschen dankbar für das Leben im Jahr 2017“.

Die Museumsfre­unde öffnen die Ausstellun­g während ihrer Schausonnt­age. So bleibt sie bis zum Frühjahr 2018 aufgebaut. Wegen der starken Nachfrage wird die Ausstellun­g auch kommenden Sonntag von 14 bis 16 Uhr geöffnet sein.

 ?? Foto: Helmut Bissinger ?? Mit Kriegshint­erlassensc­haften beschäftig­t sich eine Ausstellun­g der Museumsfre­un de Mertingen. Unser Bild zeigt (von links) Helene Eibl, Bürgermeis­ter Albert Lohner, Sammler Klaus Siegl und Vorsitzend­e Ulrike Hampp Weigand mit einem Wehr...
Foto: Helmut Bissinger Mit Kriegshint­erlassensc­haften beschäftig­t sich eine Ausstellun­g der Museumsfre­un de Mertingen. Unser Bild zeigt (von links) Helene Eibl, Bürgermeis­ter Albert Lohner, Sammler Klaus Siegl und Vorsitzend­e Ulrike Hampp Weigand mit einem Wehr...

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