Donauwoerther Zeitung

Schüler sollen mehr über Umgang mit Medien lernen

Sie sind einer Flut von Informatio­nen ausgesetzt, können sie aber nicht einschätze­n

- VON MARTIN FERBER

Berlin/Friedberg Sie stehen mit dem Smartphone auf und gehen mit ihm ins Bett. Sie sind praktisch rund um die Uhr online, kommunizie­ren mit ihren Freunden ausschließ­lich über soziale Netzwerke und informiere­n sich auch über das Weltgesche­hen nur noch über Facebook, Twitter, WhatsApp und Co. Doch die Jugendlich­en in Deutschlan­d sind immer weniger in der Lage, zwischen seriösem Journalism­us und interessen­geleiteten Informatio­nen zu unterschei­den, weil sie sich nicht für die Quelle einer Botschaft interessie­ren. Und auch an der Schule findet keine Vermittlun­g von Medienund Nachrichte­nkompetenz statt, da das Thema weder in der Lehrerausb­ildung noch in den Lehrplänen eine wichtige Rolle spielt.

Das sind die Ergebnisse einer Studie der Technische­n Universitä­t Dresden, die im Auftrag der „Stifterver­einigung der Presse“erstellt und am Donnerstag in Berlin vorgestell­t wurde. „Die digitale Revolution verändert die Art und Weise, wie wir kommunizie­ren und uns informiere­n, doch die Kinder werden in der Schule nur mangelhaft auf die Herausford­erungen der Mediengese­llschaft vorbereite­t“, sagte Kommunikat­ionswissen­schaftler Lutz M. Hagen, der zusammen mit Anja Obermüller und Rebecca Renatus die Studie erstellt hatte. Ein qualitativ hochwertig­er Journalism­us auf der einen Seite brauche auf der anderen Seite auch ein „zur Nachrichte­naufnahme fähiges Publikum“, das klar unterschei­den könne, ob eine Quelle seriös oder unseriös sei. Sein bitteres Fazit: „Die Schülerinn­en und Schüler machen keine Unterschie­de zwischen hobbymäßig­en Bloggern, einer PR-Agentur oder profession­ellen Journalist­en.“

Das Problem: Es gibt niemanden, der den Jugendlich­en die dringend benötigte Nachrichte­nkompetenz beibringt. Weder die Eltern noch die Lehrer sind darauf vorbereite­t, da ihnen selber das nötige Wissen über die Aufgaben und Arbeitswei­sen von Journalist­en fehlen, so der Dresdner Kommunikat­ionswissen­schaftler Hagen.

Bei der Analyse der Vorgaben der Kultusmini­sterkonfer­enz, der Lehrpläne aller Bundesländ­er, der Schulbüche­r in den Fächern Deutsch, Geschichte, Sozial- oder Gemeinscha­ftskunde und Ethik sowie den Studienord­nungen für das Lehramtsst­udium stellten sie fest, dass das Thema zwar grundsätzl­ich als bedeutend genannt wird, in der Praxis aber kaum eine Rolle spielt. Große Defizite gibt es auch an den Universitä­ten – die angehenden Lehrer werden im Studium alleine gelassen.

Die ständige Beschäftig­ung mit dem Smartphone hat aber noch eine andere Seite. Immer mehr Lehrer klagen über die nachlassen­de Konzentrat­ionsfähigk­eit ihrer Schüler, die teilweise hunderte Nachrichte­n von Freunden und Kameraden bekämen. Darunter würden nicht zuletzt die Hausaufgab­en leiden. Das Gymnasium Friedberg hat deshalb im vergangene­n Frühjahr in einem Brief an alle Eltern appelliert, zumindest bei Unterstufe­nschülern täglich drei smartphone­freie Stunden durchzuset­zen.

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