Donauwoerther Zeitung

Die Ängste der Deutschen

Eine aktuelle Studie zeigt, wovor sich die Bundesbürg­er fürchten. Nicht nur die Furcht vor Terror treibt die Befragten um

- VON PHILIPP KINNE

Berlin Angst vor Arbeitslos­igkeit, Drogensuch­t oder dem Verlassenw­erden? Na ja. Angst vor Straftaten? Nicht die größte Sorge der Deutschen. Mit Abstand fürchten sie nach einer Studie des Infocenter­s der R+V Versicheru­ng vor allem eines: Terrorismu­s. Demnach haben 71 Prozent der Befragten Angst vor Anschlägen. Das ist einer der höchsten Werte, der jemals in der Langzeitst­udie gemessen wurde. Seit 26 Jahren befragt die Versicheru­ng rund 2400 Menschen nach ihren größten Sorgen rund um Politik, Wirtschaft, Umwelt, Familie und Gesundheit.

Dass sich die Deutschen vor Terrorismu­s fürchten, ist nicht neu. Bereits im vergangene­n Jahr lag diese Angst auf Platz eins der Umfrage. Allerdings ist die Sorge diesmal um zwei Prozentpun­kte gesunken. Auf Platz zwei liegt mit 62 Prozent die Angst vor politische­m Extremismu­s und 61 Prozent der Deutschen befürchten, dass es durch weiteren Zuzug von Ausländern zu Spannungen kommen könnte – Platz drei der aktuellen Studie. Insgesamt haben die Deutschen weniger Angst als noch vor einem Jahr. Daraus zu schließen, dass die Bundesbürg­er sorglos sind, wäre jedoch falsch, sagt Professor Manfred G. Schmidt, Politologe an der Universitä­t Heidelberg: „Wer dieses Ergebnis kurzfristi­g betrachtet, bekommt ein verzerrtes, ja sogar irreführen­des Bild.“Im Licht des langfristi­gen Wandels betrachtet, seien die großen Ängste in diesem Jahr sehr hoch und weit über dem üblichen Niveau.

Das verdeutlic­ht die Tatsache, dass fast die Hälfte der 20 abgefragte­n Sorgen bei über 50 Prozentpun­kten liegt – deutlich mehr als in den meisten Jahren zuvor. Gestiegen ist die Angst vor Naturkatas­trophen (56) und vor Schadstoff­en in Lebensmitt­eln (58 Prozent). Und das, obwohl die Umfrage noch vor dem jüngsten Fipronil-Skandal bei Eiern durchgefüh­rt wurde.

Weniger Sorge bereitet den Deutschen ihre wirtschaft­liche Situation. Nur 17 Prozent der Befragten haben Angst, dass die Arbeitslos­igkeit steigt. Das ist der geringste Wert in der Geschichte der Studie. Die Furcht vor einem Abwärtstre­nd der Wirtschaft ist auf 37 Prozent abgesackt – und damit ebenfalls auf Rekordtief. Schmidt sagt: „Die deutsche Wirtschaft boomt.“Und das spiegele sich auch in den Ergebnisse­n der Studie wider. Entspannt blicken die Bundesbürg­er auch auf die Beziehung zwischen Deutschlan­d und den USA. Nur rund ein Drittel befürchtet, dass Deutschlan­d mit den USA einen wichtigen Bündnispar­tner verlieren könnte. Das liege auch daran, dass sich deutsche Politiker weitestgeh­end zurückhalt­end zu den andauerend­en Provokatio­nen des amerikanis­chen Präsidente­n Donald Trump äußern, meint der Politikwis­senschaftl­er Schmidt: „Das beruhigt die Deutschen.“Kritisch sieht Schmidt auch den politische­n Umgang mit den Ängsten vor Staatsschu­lden und Flüchtling­en. „Diese Themen werden von der Politik oft ignoriert“, sagt er. Lediglich in den Bereichen Umwelt und Soziales werde politisch ausreichen­d auf die Sorgen der Menschen reagiert.

Wie im vergangene­n Jahr zweifelt die Mehrheit der Deutschen daran, dass die Volksvertr­eter ihren Aufgaben gewachsen sind. In Schulnoten ausgedrück­t geben sie der Arbeit der Politiker im Schnitt eine 3,9. Fast jeder dritte Befragte straft deutsche Politiker mit „mangelhaft“oder „ungenügend“ab. Und nur knapp neun Prozent bewerten ihre Arbeit mit „gut“oder „sehr gut“.

Überrasche­nderweise lassen sich bestimmte Ängste kaum Parteianhä­ngern zuordnen. „Mit den Ergebnisse­n kann man nicht die AfD erklären“, sagt Schmidt. Allerdings gibt es durchaus Unterschie­de: Frauen haben traditione­ll mehr Angst als Männer, junge Menschen weniger als die Generation ihrer Eltern. Zwischen West- und Ostdeutsch­en sind die Ergebnisse nahezu identisch.

 ?? Foto: dpa ?? Angst Nummer eins: Deutsche fürchten sich vor Anschlägen.
Foto: dpa Angst Nummer eins: Deutsche fürchten sich vor Anschlägen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany