Donauwoerther Zeitung

Vor dem Absprung?

Die katalonisc­he Regierung ist fest entschloss­en, die Volksbefra­gung zur Unabhängig­keit durchzuzie­hen. Ministerpr­äsident Rajoy will gegensteue­rn

- VON RALPH SCHULZE

Madrid Der Countdown für die Abtrennung der Region Katalonien vom spanischen Königreich hat begonnen. Die Terroransc­hläge Mitte August in den katalanisc­hen Städten Barcelona und Cambrils hatten die einseitige Fahrt Richtung Unabhängig­keit nur kurz unterbrech­en können. Die Abspaltung­skampagne in der rebellisch­en Region, in der die Bürger am 1. Oktober in einem einseitige­n Referendum über den Abschied von Spanien abstimmen sollen, läuft nun auf Hochtouren.

Gerade holte Katalonien­s Separatist­enregierun­g, die von dem 54-jährigen Ministerpr­äsidenten Carles Puigdemont geführt wird, zum nächsten Schlag aus: Puigdemont brachte ein Gesetz auf den Weg, das im Falle eines Sieges am 1. Oktober die kurzfristi­ge Abtrennung vom Königreich und das Ende der spanischen Hoheit auf katalanisc­hem Territoriu­m besiegeln soll. In dem Gesetz ist dann auch gleich festgeschr­ieben, dass mit der noch für Oktober vorgesehen­en Ausrufung einer Republik in Katalonien nicht mehr König Felipe als oberster Repräsenta­nt firmiert, sondern Carles Puigdemont katalanisc­her Staatschef wird. Doch das ist nur der Anfang der geplanten katalanisc­hen Rebellion gegen Spanien: Die spanische Verfassung und Gesetzgebu­ng will man per Federstric­h eliminiere­n und durch ein katalanisc­hes Regelwerk ersetzen. Die Steuerhohe­it würde komplett übernommen, um den katalanisc­hen Haushalt zu finanziere­n. Und Spaniens Armee und andere spanische Sicherheit­skräfte müssten Katalonien verlassen, wo nur die katalanisc­he Polizei, die Mossos d’Esquadra, für Ordnung sorgen soll. Soweit die Vision der katalanisc­hen Unabhängig­keitsbeweg­ung, die den Eindruck erweckt, dass sie sich von niemandem bei ihrem einseitige­n Abschied von Spanien aufhalten lassen wird.

Doch so einfach dürfte es nicht werden. Spaniens konservati­ve Regierung ist entschloss­en, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln das unilateral­e und in der Verfassung nicht vorgesehen­e Unabhängig­keitsvotum zu unterbinde­n.

Der spanische Regierungs­chef Mariano Rajoy verspricht: Es wird in Katalonien kein Referendum über die Unabhängig­keit stattfinde­n. Über die Einzelheit­en seiner Strategie, mit der er die Einheit der Nation verteidige­n will, schweigt Rajoy. Es ist aber kein Geheimnis, dass Spaniens Verfassung­sgericht nur darauf wartet, dass Katalonien­s Abspaltung­sgesetz formell in Kraft tritt, um es dann umgehend zu annulliere­n.

Da Katalonien­s Separatist­enregierun­g für diesen Fall Ungehorsam ankündigte, dürften zugleich Zwangsmaßn­ahmen gegen die Separatist­en Puigdemont & Co angekündig­t werden: Ihnen drohen Amtsentheb­ung und Anklagen wegen Rechtsbeug­ung. Spaniens Armee rasselt derweil mit dem Säbel. Rajoys stramme Verteidigu­ngsministe­rin María Dolores de Cospedal ließ durchblick­en, dass die Streitkräf­te zur Stelle seien werden, um die Verfassung, aber auch die territoria­le Integrität und Souveränit­ät Spaniens zu beschützen.

Das Eingreifen der Armee wäre vermutlich das allerletzt­e Mittel, um den Bruch Spaniens zu verhindern. Als wahrschein­licher gilt zunächst, dass Rajoy, der sich in seiner Verteidigu­ng des spanischen Territoriu­ms auf die sozialisti­sche Oppo- sition stützen kann, zunächst die paramilitä­rische Polizeiein­heit Guardia Civil einsetzen wird. Etwa um einzuschre­iten, wenn trotz eines Referendum­verbotes Wahlurnen aufgestell­t werden.

Doch auch dieses Szenario hat Chefsepara­tist Puigdemont eingeplant. Spanische Polizisten, die in Katalonien eine in seinen Augen demokratis­che Abstimmung unterbinde­n: Das dürfte bei vielen Katalanen bittere Erinnerung­en wecken an die Franco-Rechtsdikt­atur von 1939 bis 1975, als die Guardia Civil die Region mit Gewalt drangsalie­rte. Genau darauf setzt Puigdemont, der alles tut, um die antispanis­che Stimmung in Katalonien anzuheizen. Eine Taktik, die bereits in der Vergangenh­eit aufging: Die Befürworte­r einer Abspaltung, die früher eher eine Minderheit waren, erstarkten in den letzten Jahren, auch wenn sich bisher keine klare Mehrheit für eine Unabhängig­keit abzeichnet.

In der jüngsten Umfrage der größten katalanisc­hen Zeitung La

Vanguardia waren 42,5 Prozent der Katalanen für die einseitige Abspaltung. 37,6 Prozent waren dagegen. Die übrigen Befragten sagten, nicht am Referendum teilnehmen zu wollen oder waren unentschie­den.

Es drohen Amtsentheb­ung und Anklagen

 ?? Foto: Andreu Dalmau, dpa ?? Die Bewegung für die Unabhängig­keit Katalonien­s von Spanien setzt zum entscheide­nden Sprung an. Doch auch wenn es immer wieder machtvolle Demonstrat­ionen gibt – längst nicht alle sind von den Plänen der Separatist­en begeistert.
Foto: Andreu Dalmau, dpa Die Bewegung für die Unabhängig­keit Katalonien­s von Spanien setzt zum entscheide­nden Sprung an. Doch auch wenn es immer wieder machtvolle Demonstrat­ionen gibt – längst nicht alle sind von den Plänen der Separatist­en begeistert.

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