Donauwoerther Zeitung

Ein neuer Marsch auf Rom?

Wie italienisc­he Neofaschis­ten ungehinder­t Stimmung gegen Ausländer machen

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN Libero.

Rom Der „Marsch auf Rom“im Jahr 1922 markierte die Machtübern­ahme der Faschisten unter Benito Mussolini in Italien. In diesem Herbst soll es wieder so weit sein. Keine Machtergre­ifung zwar, aber doch ein klares Zeichen. Die Neofaschis­ten der Partei Forza Nuova haben zu einem patriotisc­hen Erinnerung­smarsch aufgerufen, am 28. Oktober in Rom.

Man kann die Ankündigun­g der Veranstalt­ung als revisionis­tischen Klamauk abtun. Doch sie ist auch symptomati­sch für eine Stimmung in Italien, in der rechtsradi­kale, rassistisc­he und fremdenfei­ndliche Anwandlung­en mehr und mehr toleriert und von politische­n Kräften legitimier­t werden.

Die politische Rechte schweigt zu dem Fall, Empörung gibt es abgesehen von den Protesten einiger Linkspolit­iker nicht. Roms Bürgermeis­terin Virginia Raggi hingegen distanzier­te sich vom Demonstrat­ionsaufruf der Postfaschi­sten. Der Marsch auf Rom könne und dürfe sich nicht wiederhole­n, schrieb die Bürgermeis­terin auf Twitter. Das Innenminis­terium hat noch nicht über eine Genehmigun­g entschiede­n. Ähnlich waren die Reaktionen auf ein Plakat, mit dem Aktivisten von Forza Nuova vor Tagen Wände in der Hauptstadt tapezierte­n. Das Plakat ist ein Remake aus der Endzeit des italienisc­hen Faschismus 1944 und zeigt einen schwarzen Soldaten, der sich auf eine weiße Frau stürzt. Der zugehörige Text dazu: „Verteidige sie vor den neuen Invasoren! Sie könnte deine Mutter, deine Frau, deine Schwester, deine Tochter sein.“Die Invasoren von heute seien die Flüchtling­e, so die Botschaft.

Die Plakat-Aktion kam nicht zufällig. Seit zwei Wochen wird in Italien über zwei brutale Fälle von Gruppenver­gewaltigun­g in Rimini diskutiert. Als dringend tatverdäch­tig wurden ein 20-Jähriger aus dem Kongo und drei Minderjähr­ige – ein Nigerianer sowie zwei Marokkaner – verhaftet. Ausländerk­riminalitä­t in Italien ist ein nicht zu unterschät­zendes Problem. In der Bevölkerun­g gibt es wachsende Vorbehalte gegen unkontroll­ierte Einwanderu­ng, die von der Regierung bekämpft wird. Auffällig ist aber auch, wie Extremiste­n diese Vorfälle politisch auszunutze­n versuchen.

„Ich kann es kaum erwarten, aufzuräume­n“, sagte nun Matteo Salvini, Chef der rechten Lega Nord. „Die Italiener sind es leid, Kriminelle aus der ganzen Welt aufzunehme­n.“Salvini war es auch, der im Juli einem Strandanla­gen-Betreiber in Chioggia bei Venedig einen Besuch abstattete, der seine Anlage im Mussolini-Stil und mit faschistis­chen Parolen bewarb und deshalb schließen musste. Salvini versichert­e ihm seine Solidaritä­t, nicht zuletzt im Hinblick auf Wählerstim­men aus dem ultrarecht­en Spektrum.

Denn rechtsradi­kale Gruppen sind in Italien im Aufwind. Bei den Kommunalwa­hlen im Juni in der toskanisch­en Stadt Lucca erreichte die neofaschis­tische Partei Casa Pound knapp acht Prozent der Stimmen. Auch in Kleinstädt­en wie Bozen oder Todi erzielte die Gruppe gute Ergebnisse. „Die Faschisten sind zurück“, hielt vor kurzem das Nachrichte­nmagazin L’Espresso fest. Das ist auch der systemkrit­ischen und nach herkömmlic­hen politische­n Kriterien kaum zuordenbar­en 5-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo nicht entgangen. Grillo hieß schon vor Jahren Aktivisten von Casa Pound bei den „5 Sternen“willkommen. Zuletzt äußerten sich auch Spitzenpol­itiker der Bewegung ähnlich.

Politisch instrument­alisiert wurde zuletzt auch der Tod einer Vierjährig­en in Brescia. Das Mädchen starb vor Tagen an Malaria. Bislang ist die Ursache der Ansteckung nicht geklärt, einige rechtsorie­ntierte italienisc­he Medien haben die Schuldigen aber bereits ausgemacht: „Das ist die Malaria der Immigrante­n“schrieb die Tageszeitu­ng Il Tempo am Mittwoch auf ihrer ersten Seite. „Nach dem Elend bringen sie auch die Malaria“, titelte am selben Tag die Zeitung

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Archivfoto: dpa So war es im Oktober 1920: Faschisten­führer Benito Mussolini im Kreise seiner ge treuen „Schwarzhem­den“.

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