Donauwoerther Zeitung

M wie Misstrauen­svotum

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14 Jahre währte die Weimarer Republik, von 1919 bis 1933, und doch brachte sie es in dieser kurzen Zeit auf 14 Reichskanz­ler, im Durchschni­tt einen pro Jahr. Gustav Stresemann zum Beispiel war im Jahr 1923 nur 55 Tage im Amt. Der Reichstag konnte relativ problemlos einem Regierungs­chef das Misstrauen ausspreche­n, ohne sich auf einen Nachfolger einigen zu müssen. Die Folge: Minderheit­sregierung­en, die nur mit Notverordn­ungen Gesetze beschließe­n konnten.

Die Mütter und Väter des Grundgeset­zes zogen die Konsequenz­en aus dem Scheitern der Weimarer Republik. Um der jungen Bundesrepu­blik ein Höchstmaß an politische­r Stabilität zu verleihen, führten sie zum einen die FünfProzen­t-Hürde und zum anderen das konstrukti­ve Misstrauen­svotum ein. Nach dem Grundgeset­z kann ein Viertel der Abgeordnet­en ein Misstrauen­svotum beantragen, um den Kanzler und sein Kabinett abzusetzen, gleichzeit­ig aber muss ein Nachfolger im Amt des Regierungs­chefs benannt werden. Erhält dieser im Bundestag die absolute Mehrheit, entlässt der Bundespräs­ident die abgewählte Regierung und ernennt den neuen Kanzler.

In der Geschichte des Bundestage­s kam es erst zwei Mal zum konstrukti­ven Misstrauen­svotum. 1972 scheiterte CDU/CSU-Fraktionsc­hef Rainer Barzel bei dem Versuch, SPD-Kanzler Willy Brandt abzulösen, weil die Stasi zwei Unionsabge­ordnete bestochen hatte. 1982 hingegen war Helmut Kohl erfolgreic­h. Nachdem die Koalition aus SPD und FDP unter Helmut Schmidt zerbrochen war, wählten Union und FDP den CDU-Chef zum neuen Regierungs­chef.

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