Oh Gott, oben ohne!
Spätsommer am See. Eine ältere Frau sonnt sich oben ohne am Ufer – friedlich, weder provokativ oder gar aufreizend. Zwei junge Frauen, vielleicht um die 20, bewerten die Situation anders. Sie schauen zu ihr rüber und zischeln empört: „Oh mein Gott – oben ohne. Das geht doch gar nicht!“
Noch vor 20 Jahren waren Frauen, die sich halbnackt auf den Liegewiesen zeigten, an bayerischen Seen, Flüssen und sogar in vielen Freibädern eine Selbstverständlichkeit. Heute sind Barbusige selbst am legendären Eisbach im Englischen Garten in München eine Rarität geworden.
Willkommen im Zeitalter des Konservatismus! Der hatte seit den 70er Jahren selbst im Freistaat lange Zeit keinen guten Ruf. Sogar CSU-Politiker vermieden es, als konservativ dargestellt zu werden. Es hatte den Klang des Verstaubten, des Unbeweglichen und Autoritären, manchmal des Korrupten und Hartherzigen.
Das hat sich gewandelt. Der Fortschritt hat seine Richtung geändert und sich gegen manche scheinbar emanzipatorischen Errungenschaften gewendet. Was früher Freiheit, Aufbruch und vor allem ein Schub fürs Selbstbewusstsein waren, ist heute eher schambehaftet. Warum? Darüber kann man trefflich spekulieren.
Vielleicht ist die junge Generation ja des blanken Busens, den Brigitte Bardot einst populär machte, einfach nur überdrüssig? Vielleicht ist aber auch durch Instagram, Facebook und Co. eine Gesellschaft entstanden, in der nur mehr digital bearbeitete Nacktheit ihren Platz hat. Vielleicht musste die oben-ohne-Kultur aber auch nur der Invasion der Gummi-Rieseneinhörner weichen, die derzeit gemütlich auf den Wellen vieler Seen schaukeln? Das wäre doch mal eine witzige Verschwörungstheorie.