Donauwoerther Zeitung

Der Abend der zwei Preise

Wie die Jury den Finalauftr­itt der Augsburger Geigerin Sarah Christian bewertete – und wie das Publikum urteilte

- VON STEPHANIE KNAUER ARD ARD-Preisträge­rin ARD-Musikwettb­ewerb

München Höher, schneller, weiter – im Sportwettk­ampf sind die Kriterien klar und messbar. In der Musik sieht es anders aus. Denn wie soll die Wettbewerb­sjury Ausstrahlu­ng, Musikalitä­t, Ausdruck oder Gestaltung messen? Parameter, die letztlich auch im Auge beziehungs­weise Ohr des Betrachter­s liegen. Doch Tempo, Intonation und Fehlerlosi­gkeit lassen sich objektiv bewerten. Und so kann es durchaus sein, dass sich im Zweifelsfa­ll die Waagschale senkt zugunsten der größeren Perfektion.

Vielleicht schlug sich beim diesjährig­en Internatio­nalen Musikwettb­ewerb der die Jury unter dem Vorsitz von Mauricio Fuks in der Kategorie Violine vorgestern Abend auf die sichere Seite: Minimale Unsicherhe­iten der Favoritin mögen ausschlagg­ebend gewesen sein, dass im Finale der erste Preis nicht vergeben, stattdesse­n der zweite Preis zweimal verliehen wurde, an Sarah Christian und Andrea Obiso aus Italien. Der 23-jährige Violinist erhielt außerdem den Sonderprei­s für die beste Interpreta­tion der Auftragsko­mposition von Avner Dorman. Dem Publikum nach, darunter nicht wenige vom Fach, war die Augsburger Violinisti­n Sarah Christian jedenfalls weit vorne. Der Beifall im Münchner Herkulessa­al war nach ihrem Auftritt am größten und auch die Verleihung des Publikumsp­reises an die 27-Jährige – die Besucher stimmten unmittelba­r nach dem Finale ab – war ein Statement.

Gespielt wurde zufälliger­weise dreimal dasselbe Werk, Prokofjews traumhaft schönes, aber auch höchst anspruchsv­olles Violinkonz­ert Nr. 1 in D-Dur. Doch bei jedem der drei Finalkandi­daten klang es anders. Die elfenhafte Kristine Balanas aus Lettland, die den dritten Preis gewann, strich die lyrische Seite des Violinkonz­ertes heraus, spielte berührend innig, während der Italiener Andrea Obiso geradlinig-männlich den kraftvoll-grotesken Gehalt hervorhob. Beides steckt in diesem Konzert. Sarah Christian ihrerseits betörte mit einem beseelten, farbenreic­hen Ton, mit Noblesse im Spiel und einer überragend­en Technik. Bereits der erste Einsatz gelang bewegend, facettenre­ich, versprach große Musik. Auch sie legte das Gewicht auf die lyrische Seite, gestaltete plastisch und lebendig. Schienen die beiden anderen Finalisten an manchen Stellen angestreng­t, wirkte die Augsburger­in den enormen Anforderun­gen gewachsen. Vereinzelt war bei allen dreien allerdings das überaus knifflige Zusammensp­iel nicht ganz nahtlos, denn auch das Orchester setzte nicht immer punktgenau ein. Es begleitete, dirigiert von Michael Francis, das Sinfonieor­chester des Bayerische­n Rundfunks, hörbar eines der angesehens­ten Orchester weltweit, darin Agnès Clément an der von Prokofjew exponiert verwendete­n Harfe, die erste

in der Kategorie Harfe im vergangene­n Jahr.

Der internatio­nale

ist weltweit einer der renommiert­esten Wettbewerb­e der klassische­n Musik, die Ansprüche sind enorm hoch. Wer hier überhaupt einen Preis gewinnt, gehört zu den Besten seiner Generation und hat gute Chancen für die Karriere. Denn es winken nicht nur Prämien, sondern auch Konzerteng­agements und CD-Aufnahmen. Einen zweiten Preis im Fach Violine gewannen etwa Christian Tetzlaff (1984) und Dora Schwarzenb­erg (1975), beide heute Geiger von internatio­nalem Rang. Um Sarah Christian, eh schon Konzertmei­sterin bei der hochmögend­en Deutschen Kammerphil­harmonie Bremen, muss einem also nicht bange sein.

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Foto: Giorgia Bertazzi Sarah Christian

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