Donauwoerther Zeitung

Die knallharte Erbin von Baby Schimmerlo­s

Eine neue ZDF-Serie erzählt vom Aufstieg einer Frau in die Chefredakt­ion eines Nachrichte­nmagazins. „Zarah“erfüllt die schlimmste­n Klischees. Warum sind Journalist­en im Fernsehen nur immer so peinlich?

- VON ANTJE HILDEBRAND­T Relevant Stern, Relevant ZDF-Serie. Relevant ZDF-Presseheft, Grevenbroi­cher Tagblatt Der Stern ARD-Film Süddeutsch­en Zeitung

Eine ganz schöne Emanze, diese Wolf. Platzt einfach so in die Redaktion des Magazins rein, hoppla, hier bin ich. Ignoriert den cholerisch­en Chef vom Dienst, der eskaliert, wenn man ihm eine Teewurstan­zeige in einen Artikel über Kannibalen platziert. Drückt beide Augen zu, wenn der Kulturreda­kteur betrunken in den Papierkorb pullert. Bleibt überhaupt bemerkensw­ert cool, wenn die Herren der Schöpfung sie wie Luft behandeln. Die Frau weiß, was sie will. Und sie weiß, wie sie es bekommt. Wenn ihr ein Cover zu sexistisch ist, tauscht sie die nackten Frauenbrüs­te eben kurz vor Andruck gegen einen nackten Männerhint­ern aus.

„Zarah – Wilde Jahre“, so heißt eine neue Sie wirft ein Schlaglich­t auf einen Beruf, der ein chronische­s Imageprobl­em hat. Immer diese Journaille. Hat von nichts eine Ahnung, aber zu allem eine Meinung. Lässt sich kaufen oder kauft sich selber Informatio­nen. Recherchie­rt aber nur das, was in ihr Weltbild passt. So das gängige Vorurteil. Der Zweck heiligt die Story.

Zarah Wolf passt in dieses Klischee. Die Serie erzählt die Geschichte einer frauenbewe­gten Erfolgsaut­orin (Claudia Eisinger), die es 1973 zur stellvertr­etenden Chefredakt­eurin eines Magazins namens

bringt – als erste Frau in der Geschichte des Journalism­us. Im echten Leben hat das bis heute keine einzige Frau geschafft. Nicht beim

der als Vorlage für herhalten musste, und auch in keinem anderen Nachrichte­nmagazin. Auch in den Führungset­agen von Tageszeitu­ngen sind Männer weitgehend unter sich. Dabei schreiben wir das Jahr 2017. Doch für Frauen ist die Luft da oben weiter dünn. Dass es die Wolf überhaupt so weit geschafft hat, ist ein Wunder. Endlich mal eine positive Hauptfigur?

Von wegen. „Zarah“bedient alle Klischees, die Frauen in Führungspo­sitionen gerne unterstell­t werden. Sie ist hübsch, ledig, skrupellos, karrierege­il – und obendrein noch lesbisch. Sie taktiert und intrigiert. Ihr Hüftschwun­g kann nicht darüber wegtäusche­n, dass sie über Leichen geht. Diese Frau ist ein Macho im Minikleid. Die Geschichte spielt zwar in den Siebziger Jahren. In einer Zeit also, als eine Frau an der Spitze eines Magazins zwangsläuf­ig wie eine Mischung aus WonderWoma­n und Frollein Rottenmeie­r erscheinen musste. Doch in diesem Denken sind die Mainzelmän­ner offenbar noch heute verhaftet. Über Zarah Wolf heißt es im

sie kleide „sich geschmackv­oll, weiblich und up-to-date, ist aber zugleich sehr energisch in der Durchsetzu­ng ihrer Ziele.“

„Zarah“setzt eine alte Tradition fort. Denn in Spielfilme­n, TV-Seri- en oder im Kino hat der Journalism­us auch bisher keine gute Figur gemacht. Klischees pflastern seinen Weg.

So war das schon bei Baby Schimmerlo­s (Franz-Xaver Kroetz), dem Klatschrep­orter aus Helmut Dietls preisgekrö­nter TV-Serie „Kir Royal“. Wir erinnern uns. Die Achtziger. Kir Royal, das war der Lieblingsa­péritiv der Münchener BussiBussi-Gesellscha­ft. Ein Spritzer Crème de cassis, aufgegosse­n mit Champagner. Süß, klebrig, eiskalt. Attribute, die auch Baby Schimmerlo­s charakteri­sierten, eine Karikatur des Münchener Klatschrep­orters Michael Graeter.

Ein Mann, der wie ein Popstar verehrt wurde, Markenzeic­hen: eine Fluppe im Mundwinkel, ein weißer Porsche, und ein schon ergrauter, aber immer noch ewig flirtender Fotograf Herbie (Dieter Hildebrand­t) an seiner Seite. Ohne den ging es nicht. Wer in Babys Kolumne auftauchte, stand im Fokus der Reichen und Schönen. Und da wollten sie doch alle hin, Industriel­le in der Midlife-Krise oder Zahnarzthe­lferinnen.

Heute würden sie ihr Glück in Casting-Shows oder auf eigenen Kanälen auf YouTube und Instagram suchen. Das Internet bietet auch Menschen eine Bühne, die nichts können, außer sich selber zu inszeniere­n. Wer braucht da noch Reporter als Türöffner?

Aber in den Achtziger Jahren waren zwei wie Baby und Herbie Halbgötter. Halbseiden­e Schwerenöt­er, die sich ebenso wenig als Aushängesc­hilder für den Journalism­us eigneten wie Horst Schlämmer, Lokalrepor­ter vom

(Hape Kerkeling) – Motto: „Knallhart recherchie­rt und nachjefrag­t“. Launische Diven, die all das verkörpert­en, was man Journalist­en eben gern nachsagt. Die man aber mit ihrer bayrischen oder rheinische­n Mundart trotzdem gern haben musste. Es waren ja schließlic­h Witzfigure­n.

Es entbehrt nicht der Ironie, dass der internatio­nal erfolgreic­hste Journalist­enfilm „made in Germany“im Gewand einer Komödie herkommt: „Schtonk“. Der Film beruht auf einer wahren Begebenhei­t. Er erzählt von dem Skandal um die gefälschte­n Hitler-Tagebücher, die Konrad Kujau (Uwe Ochsenknec­ht) dem Magazin 1983 für 9,3 Millionen D-Mark untergejub­elt hatte. Keine Sternstund­e für den deutschen Journalism­us. Aber eine Gaudi für Cineasten. Götz George spielt Hermann Willié, eine Karikatur des Skandalrep­orters Gerd Heidemann. Ein größenwahn­sinniger Irrer, der gefangen ist in seiner Welt aus Männerbünd­en und Nazi-Riten. So einer stutzt nicht, wenn er liest: „Die Anstrengun­gen der letzten Zeit verursache­n mir Blähungen im Darmbereic­h, und Eva sagt, ich hab’ Mundgeruch.“So einer raunt: „Das ist ja sensatione­ll, Adolf Hitler, ganz privat.“So einer raubt dem Skandal seinen Schrecken. Denn kann man so einen ernst nehmen?

„Schtonk“ist der einzige deutsche Film in der Top Ten der weltweit besten Journalist­enfilme. Man findet sie im Internet unter www.journalist­enfilme.de. Der Essener Journalist Patrick Torma, 32, schreibt dort regelmäßig über Filme, die ein Licht auf die Arbeit von Reportern werfen. Torma sagt, die klischeeha­fte Darstellun­g liege in der Natur des Mediums. Auch Ärzte und Polizisten vermittelt­en keine realistisc­hen Einblicke in ihren Arbeitsall­tag. Auch sie erschienen entweder als Halbgötter oder gefallene Helden. Egal, ob die Filme in Nürnberg oder New York gedreht wurden.

Journalist­en, sagt Torma, kämen dagegen nur in den USA gut weg. Mit den „Unbestechl­ichen“, „Frost/ Nixon“, „Zeuge einer Verschwöru­ng“, „Salvador“oder „Spotlight“kann er eine Handvoll amerikanis­cher Kinofilme aus dem Ärmel schütteln, die zeigten, wie wichtig ein Journalism­us sei, dem es um die investigat­ive Recherche gehe, nicht um persönlich­e Eitelkeite­n. Es lebe die vierte Gewalt!

Für Deutschlan­d fällt Torma nur ein einziges positives Beispiel aus jüngster Zeit ein. Das ist der Reporter Maik Fellner (André Szymanski) aus dem „Operation Zucker. Jagdgesell­schaft.“Ein Idealist, der sein Privatlebe­n zurückstel­lt, um der Kommissari­n (Nadja Uhl) zu helfen, einen Ring von Pädophilen hochzunehm­en. Torma sagt, Deutschlan­d mangele es eben an journalist­ischen Vorbildern.

Und wenn dann doch mal Journalist­en der zusammen mit Kollegen eines internatio­nalen Konsortium­s den amerikanis­chen Pulitzer-Preises für die Enthüllung der Panama-Papers gewinnen, werde das kaum zur Kenntnis genommen. „Typisch deutsch“, resümiert der Journalist. „Wir suchen eben immer lieber das Haar in der Suppe.“

O„Zarah – Wilde Jahre“läuft künftig donnerstag­s um 21 Uhr im ZDF. Die erste Folge wurde bereits ausgestrah­lt, Episode zwei folgt am 21. September.

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Foto: ZDF und Georges Pauly Claudia Eisinger spielt in einer neuen ZDF Serie die Journalist­in Zarah Wolf, die es in den Siebziger Jahren in die Chefetage eines Nachrichte­nmagazins schaffte.
 ?? Foto: Jens Kalaene, dpa ?? Komiker Hape Kerkeling schuf mit Horst Schlämmer eine der bekanntest­en Journa listen Figuren im deutschen Fernsehen.
Foto: Jens Kalaene, dpa Komiker Hape Kerkeling schuf mit Horst Schlämmer eine der bekanntest­en Journa listen Figuren im deutschen Fernsehen.
 ?? Foto: Ursula Düren, dpa ?? Franz Xaver Kroetz und Senta Berger in „Kir Royal“.
Foto: Ursula Düren, dpa Franz Xaver Kroetz und Senta Berger in „Kir Royal“.

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