Alte Väter – bessere Väter?
Söhne profitieren möglicherweise davon, wenn Papa schon ein paar Jahre mehr auf dem Buckel hat. Aber genetisch gesehen sollten Männer eher jünger sein, um Kinder zu haben
Berlin Wolfgang war im Kindergartenalter, als ihm bewusst wurde, dass sein Vater anders ist als die Väter der anderen Kinder. Älter. Deutlich älter. Wolfgangs Papa hätte locker sein Opa sein können, und das war es auch, was viele um ihn herum dachten. Und Wolfgang? „Ich fand das damals ganz toll. Als Kind möchte man ja auch immer älter sein, das hab ich dann auch auf meine Eltern übertragen.“Wolfgang kam 1984 zur Welt. Sein Vater war damals 70 Jahre alt. Der große Altersunterschied war immer wieder mal Thema und geprägt habe es ihn gewiss. Gehadert habe er mit dem Alter des Vaters aber insgesamt wenig, erzählt Wolfgang. „Das lag wohl auch daran, dass mein Vater extrem unkonventionell war. Und er hat uns beigebracht, nichts darauf zu geben, was andere machen.“
Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern ist in erster Linie eine sehr persönliche. Doch wie sich speziell eine späte Vaterschaft auf den Nachwuchs auswirkt, ist auch Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Viele Studien verweisen auf ein höheres Risiko gesundheitlicher Probleme beim Nachwuchs. Nun berichten Forscher, dass es auch Vorteile haben kann, einen alten Vater zu haben – zumindest für Söhne.
Die Wissenschaftler um Magdalena Janecka vom King’s College in London hatten mehr als 8000 zwölfjährige Zwillingskinder aus mehr als 4500 Familien untersucht. Sie bestimmten die nonverbale Intelligenz, eventuelle Verhaltensauffälligkeiten sowie die soziale Zugänglichkeit der Kinder. Diese drei Merkmale fassen die Forscher zu einem sogenannten Geek-Index zusammen.
Die Auswertung zeigte, dass mit zunehmendem Alter der Väter der Geek-Index der Söhne stieg: Sie waren intelligenter, gaben nicht so viel auf das Urteil anderer und waren stärker auf ihre eigenen Interessen fixiert. Im Alter von 16 Jahren schnitten die Jugendlichen dann auch besser in landesweiten Examen ab, vor allem in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern.
Das Alter der Mutter beeinflusste den Geek-Index nicht. Und auch bei Töchtern ließ sich kein Zusammenhang feststellen.
Allerdings gilt etwa reduziertes Interesse an sozialen Kontakten als mögliches Anzeichen einer autistischen Entwicklungsstörung. Und solche wurden in früheren Studien mit einem hohen Alter des Vaters in Verbindung gebracht: 2014 etwa hatten Forscher Daten aller Kinder ausgewertet, die zwischen 1973 und 2001 in Schweden geboren worden waren. Es zeigte sich, dass bei Kindern von Vätern über 45 Jahren das Risiko für Autismus und andere psychische Störungen deutlich erhöht war.
Andere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass der Nachwuchs von Vätern über 44 Jahren einen geringeren Intelligenzquotienten hat – der von Vätern unter 25 Jahren allerdings auch. Viele Fachleute vermuten, dass diese Zusammenhänge zumindest zum Teil genetisch bedingt sind. Für einige Erkrankungen, für die das Risiko mit dem Alter des Vaters steigt, seien genaue genetische Ursachen beschrieben, etwa für das Retinoblastom, einen bösartigen Tumor an der Netzhaut, erläutert Thomas Haaf von der Universität Würzburg. Hintergrund ist, dass mit zunehmendem Alter die Qualität männlicher Spermien abnimmt. Weibliche Eizellen sind mit der Geburt eines Mädchens angelegt und reifen mit Eintritt der Geschlechtsreife nacheinander heran. Spermien hingegen werden ein Leben lang neu gebildet – aus Stammzellen, die sich fortwährend teilen. „Im Laufe der Zeit häufen sich dabei Fehler im Erbgut an“, sagt Haaf.
Ob heute in Deutschland mehr Männer spät Vater werden als früher, ist unklar. Das Statistische Bundesamt erfasst das Alter der Väter bei der Geburt nicht. Für die USA berichteten Forscher der Stanford University, dass das Durchschnittsalter der Väter von Neugeborenen von 1972 bis 2015 um 3,5 Jahre stieg – von 27,4 auf 30,9 Jahre. Der Anteil der Männer über 40 verdoppelte sich in dem Zeitraum auf neun Prozent, der von Über50-Jährigen auf knapp ein Prozent.
Sollte man angesichts der möglichen gesundheitlichen Risiken auf eine späte Vaterschaft verzichten? „Aus rein genetischer Sicht ist eine späte Vaterschaft nicht vorteilhaft“, sagt Genetiker Haaf. „Aber das ist ja nicht alles. Ältere Väter bringen zum Beispiel mehr Zeit oder mehr Geld mit, wovon der Nachwuchs profitieren kann. Ein schlechtes Gewissen muss nicht sein.“
Weitere Vorteile älterer Väter sind Experten zufolge etwa, dass sie mehr Erfahrung haben, gefestigter sind und oft ganz bewusst noch einmal Kinder bekommen, also motivierter sind.
Ein großer Nachteil: Die deutlich verkürzte Zeit, die die Kinder mit ihren Vätern verbringen können. Diese Tatsache zählt auch für Wolfgang zu den vielleicht prägendsten seiner Kindheit. Wolfgangs Vater starb mit 94 Jahren, als Wolfgang 24 war. „Man muss sich schon sehr früh mit Sachen auseinandersetzen, mit denen sich andere erst sehr viel später auseinandersetzen.“
In der Stanford-Studie aus den USA war der älteste Vater eines Neugeborenen übrigens 88 Jahre alt. Weltrekordhalter ist – zumindest Medienberichten zufolge – ein Inder: Er wurde 2012 mit 96 Jahren Vater.