Donauwoerther Zeitung

Audi hat es schwer

Die drei Erstplatzi­erten müssen auf dem Nürburgrin­g mit 25 Kilo Gewichtsna­chteil fahren. Davon dürfte BMW-Pilot Timo Glock profitiere­n, der zuletzt mit seinem Mittelfing­er auffiel

- VON KLAUS ECKHARD JOST

Nürburgrin­g Timo Glock ist immer noch entsetzt. Entsetzt über sich selbst. „Ich hatte gedacht, dass ich entspannte­r bin und mir so etwas nicht mehr passieren würde“, sagt der BMW-Pilot. Genügend Erfahrung hat der 35 Jahre alte Rennfahrer in 62 Formel-1-Rennen sowie 68 DTM-Rennen sammeln können. Davon ist er überzeugt, wenn man ihn außerhalb des Cockpits anspricht.

Doch hinterm Lenkrad sieht die Perspektiv­e anders aus. Einen Beweis lieferte Glock beim SonntagQua­lifying der DTM in Zandvoort. Auf seinen beiden schnellen Runden fühlte er sich jeweils behindert. Zuerst von Audi-Pilot Loic Duval, dann von Edoardo Mortara. Beim Mercedes-Fahrer revanchier­te er sich, blockte ihn ebenfalls. Und weil er in der Boxengasse auch noch den ausgestrec­kten Mittelfing­er Richtung Mercedes-Box zeigte, zitierten die Rennkommis­sare ihn, den Familienva­ter, zum Rapport. Zur Strafe musste er von ganz hinten starten, statt von Platz fünf, für die seine Zeit gereicht hätte. „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mich nicht so aufgeregt“, sagt er mit ein wenig Abstand. Mit Platz zehn konnte er allerdings den Schaden noch in Grenzen halten.

Trotzdem ist Timo Glock vor den letzten drei DTM-Wochenende­n der aussichtsr­eichste BMW-Pilot im Kampf um den Titel. Und das, obwohl momentan drei Audi-Piloten vor ihm liegen. Für Mattias Ekström, den momentan Führenden in der Meistersch­aft, ist Glock der heißeste Anwärter auf das Championat. Denn im Gegensatz zu seinem Audi sind die BMW 25 Kilogramm leichter, weil sie weniger der umstritten­en Performanc­e-Gewichte mit sich rumschlepp­en müssen. „Ich glaube, man muss kein Professor sein, um zu wissen, wer die besten Karten hat. Das ist eigentlich eine rhetorisch­e Frage, und ich überlasse es euch, was ihr daraus macht“, sagte der Schwede in Zandvoort im Gespräch mit Journalist­en. Und Audi-Motorsport­chef Dieter Gass erklärt vor dem Nürburgrin­g-Auftritt: „Das klingt nach einer ‚Mission Impossible’ für unsere Fahrer.“

So eindeutig will Timo Glock die Situation nicht sehen. „Ich bin nicht der Kandidat Nummer eins“, sagt er, „ich bin mittendrin im Kampf.“Seinen Markenkoll­egen Marco Wittmann, Champion der Jahre 2014 und 2016, sieht er trotz Punkterück­stand in einer besseren Position. Auch weil es für den Routinier eine ungewohnte Rolle ist. Zehn Jahre ist es her, dass er in einem GP2-Monoposto seinen letzten Titel gewonnen hat.

Wenn Timo Glock am 15. Oktober in Hockenheim den Meisterpok­al erhalten würde, wäre er der erste ehemalige Formel-1-Fahrer, dem dies gelungen ist. Trotz eines zweimalige­n Weltmeiste­rs Mika Häkkinen, trotz Heinz-Harald Frentzen, trotz Jean Alesi. Und es wäre die sportliche Bestätigun­g dessen, was Glock seit Jahren für die Tourenwage­n-Serie ist: ein Gesicht, mit dem sich die Fans identifizi­eren können. Denn wenn immer es nötig war, stellte sich der erfahrene Fahrer hin und bezog Position. Dabei sagte er durchaus auch mal unangenehm­e Wahrheiten.

Dass Glock mit der Sichtweise nicht hinterm Berg hält, das haben mehrmals auch die Rennkommis­sare zu hören bekommen. „Wenn Timo bei uns ist, dann geht es immer laut und lebhaft zu“, sagt ein Insider des Deutschen Motorsport­Bundes (DMSB). So auch in Zandvoort.

„Ich habe am Montag die Kommissare angerufen“, erzählt der Rennfahrer, „Mit denen habe ich mich auch nicht so nett unterhalte­n.“Entschuldi­gt hat sich der zweifache Familienva­ter auch öffentlich für seine Reaktionen direkt nach dem Qualifying. „Der Tag danach, wenn man realisiert, dass man besser freundlich gegrüßt und tief durchgeatm­et hätte, anstatt ein schlechtes Vorbild für den Nachwuchs zu sein! Dieser Ausrutsche­r hätte gerade mir als Jurymitgli­ed der Deutschen Post Speed Academy nicht passieren dürfen“, postete er über seine sozialen Medien.

Eine kleine Spitze musste Timo Glock dann doch noch stehen lassen. Auf die Frage, wer Meister werde, antwortet er: „Ich bin raus, die werden mich wahrschein­lich bei jedem Rennen auseinande­rnehmen. Champion wird der, der am freundlich­sten zum DMSB ist.“Darauf hat er selbst am meisten Einfluss.

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Foto: dpa Timo Glock hat gute Chancen auf den Gesamtsieg bei der DTM.

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