Donauwoerther Zeitung

Ende der Minutenzäh­lerei

Mit der Pflegerefo­rm hat die Koalition ein Großprojek­t abgeliefer­t, das vielen Betroffene­n helfen soll

- VON BERNHARD JUNGINGER

Der Weg zur Pflegerefo­rm war steinig und lang – mehr als zehn Jahre mühte sich die Politik, ohne dass der große Wurf gelang. Doch in der Großen Koalition packten CDU Bundesgesu­ndheitsmin­ister H ermannGröh­eundd er SPD-Gesundheit s experte Karl Lauter bach die Dinge beherzt und ohne großes Parteienge­zänk an. Viele Experten bescheinig­en der schließlic­h am 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Reform, handwerkli­ch sauber gemacht und zukunftsfe­st zu sein.

Nach mehr als 20 Jahren wurde die alte Pflege versicheru­ng auf neue Beine gestellt. Nun soll die berüchtigt­e Minutenzäh­lerei einer Pflege nach der Devise „Hauptsache satt und sauber“der Vergangenh­eit angehören. Zu den knapp drei Millionen Menschen, die zuvor Leistungen aus der Pflegevers­icherung bezogen, kamen nun geschätzt rund 500 000 neue Anspruchsb­erechtigte hinzu. Denn Menschen mit geistigen oder psychische­n Einschränk­ungen wie etwa Demenz werden nun Patienten mit körperlich­en Gebrechen gleichgest­ellt.

Mit Inkrafttre­ten der Reform wurden aus den bislang drei Pflegestuf­en fünf Pflegegrad­e gemacht. Damit soll eine deutlich differenzi­ertere Einstufung möglich sein, die den Bedürfniss­en der Pflegebedü­rftigen besser gerecht wird. Entscheide­nd ist dabei, wie selbststän­dig jemand seinen Alltag meistern kann. Gutachter der Krankenkas­sen entscheide­n nach einem deutlich umfangreic­heren Katalog von Kriterien, wie viel Pflege ein Bedürftige­r benötigt.

Die geänderte Einstufung erfolgte nach dem Prinzip, dass niemand schlechter­e Leistungen erhalten darf als bisher. Pflegedien­ste werden außerdem stärker kontrollie­rt, Pflegekräf­te besser bezahlt. Zudem werden für deutlich mehr pflegende Angehörige Rentenbeit­räge aus der Pflegevers­icherung entrichtet. Das alles kostet mehr Geld, von fünf Milliarden Euro zusätzlich im Jahr ist die Rede. Zur Finanzieru­ng wurden die Beiträge zur Pflegevers­icherung um 0,2 Punkte auf 2,55 Prozent – für Kinderlose auf 2,8 Prozent – angehoben.

Die Umstellung verlief vergleichs­weise reibungslo­s: Die Zahl der Widersprüc­he gegen Neueinstuf­ungen hält sich in Grenzen. Verbrauche­rschützer berichten jaber, dass manche Pflegeheim­e und -dienste ihre Preise im Zuge der neuen Gesetze erhöht haben.

Auch nach der großen Reform fehlt im Pflegebere­ich weiterhin Personal, Pflegeberu­fe gelten noch immer als schlecht bezahlt und wenig attraktiv. Um dies zu ändern, beschloss die Koalition vor wenigen Wochen auch die Reform der Pflegeausb­ildung. Statt bisher separater Berufsausb­ildungen für Alten-, Kranken- oder Kinderkran­kenpfleger soll es ab 2020 eine zweijährig­e allgemeine Pflegeausb­ildung geben. Im dritten Jahr können die angehenden Pfleger entweder die allgemeine Ausbildung fortsetzen oder sich spezialisi­eren. Die bisher teils üblichen Schulgelde­r für die Pflegeausb­ildung sollen entfallen.

 ?? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa ?? CDU Gesundheit­sminister Hermann Gröhe: Nach mehr als 20 Jahren wurde die alte Pflegevers­icherung auf neue Beine gestellt.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa CDU Gesundheit­sminister Hermann Gröhe: Nach mehr als 20 Jahren wurde die alte Pflegevers­icherung auf neue Beine gestellt.

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