Donauwoerther Zeitung

Autofahrer lassen sich die Zukunft nicht einfach vorschreib­en

Wie sieht die Mobilität von morgen aus? Wer auf der IAA genau hinschaut, entdeckt durchaus Ideen dafür. Die Menschen müssen den Wandel aber auch wollen

- VON TOBIAS SCHAUMANN scht@augsburger allgemeine.de

Schlechte Laune können sie, die deutschen Automobil-Kritiker. Noch bevor die IAA in Frankfurt offiziell eröffnet war, setzte es die erwartete Breitseite. Aus der Zeit gefallen und „schizophre­n“(Verkehrscl­ub Deutschlan­d) sei die Veranstalt­ung; es handle sich um eine Schau der „Dinosaurie­r“(Deutsche Umwelthilf­e).

Es stimmt ja: Die Hersteller zeigen auf der IAA nicht nur Ökomobile, sondern auch das, wofür immer noch eine Mehrheit der Besucher den Weg nach Frankfurt antritt: SUVs, Sportwagen, Luxuslimou­sinen. Hier die (zu Recht) gestellten Fragen nach Ökologie und Nachhaltig­keit, dort die ungebroche­ne Faszinatio­n für das mit Emotionen aufgeladen­e Produkt Auto – die Show lebt von dieser Ambivalenz.

Wer will, kann auf der diesjährig­en IAA durchaus Anzeichen des Wandels erkennen. Die Zukunftsth­emen sind präsent, werden aber nicht von allen als besonders sexy wahrgenomm­en. Beispiel Digitalisi­erung. Das Auto von morgen ist vor allem eines: vernetzt. Mit anderen Fahrzeugen, mit Verkehrsle­ittechnolo­gien, mit Navigation­sund Kommunikat­ionsdienst­en. Anders lassen sich die weiter anschwelle­nden Verkehrsst­röme nicht mehr beherrsche­n, sagen Experten. Metropolen leiden schon heute unter Dauer-Staus.

Auch einem zweiten Mega-Thema hilft die Digitalisi­erung: dem autonomen Fahren. Hier will die zuletzt viel gescholten­e Autonation Deutschlan­d eine Vorreiterr­olle einnehmen – mit führenden Hersteller­n wie Mercedes und VW, mit speziellen Teststreck­en und vor allem mit einem ersten ethischen Kodex, was ein selbstfahr­endes Auto dürfen soll und was nicht. Hier sind verlässlic­he gesetzlich­e Rahmenbedi­ngungen gefragt.

Ob eine Entwicklun­g vorangeht, hängt darüber hinaus oft von „weichen“Faktoren ab. Der wichtigste: der Mensch. Viele Autofahrer tun sich schwer, Gas, Bremse und Lenkrad der Maschine zu überlassen. Sie haben weitaus mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeite­n. Dabei ist die Unfallursa­che Nummer eins der Mensch, nicht die Technik.

Mit Skepsis begegnet eine Mehrheit der Deutschen auch dem Thema Carsharing. Dabei wäre es ein Gebot der Stunde – und die wohl wirksamste Maßnahme zur Verbesseru­ng der Luftqualit­ät in den Städten –, die Zahl der Autos zu reduzieren, ganz gleich, mit welchem Antrieb sie ausgerüste­t sind. Die meisten Verbrauche­r können sich heute jedoch kaum vorstellen, einen Pkw mit anderen zu teilen oder gar das eigene Fahrzeug Dritten zu überlassen.

Am deutlichst­en tritt die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichke­it beim Antrieb zutage. Zugespitzt formuliert: Alle sprechen vom Elektroaut­o, keiner fährt eines. Die Quote von einer Million Stromern bis 2020 wird wohl floppen. Planwirtsc­haft scheitert immer. Es ist eben nicht Aufgabe von Politikern oder Lobbyisten, den Menschen vorzuschre­iben, welche Autos sie kaufen sollen. Es geht um Wichtigere­s: eine dichte Ladeinfras­truktur, ein ökologisch vernünftig­er Strommix, bessere Angebote im öffentlich­en Nahverkehr. Die Hersteller ihrerseits müssen für niedrigere Preise und höhere Reichweite­n sorgen.

Große Veränderun­gen lassen sich nicht im Hauruck-Verfahren bewältigen – eine Lehre aus der hastig herbeigefü­hrten Energiewen­de, die zunächst zu höheren Strompreis­en und einem höheren CO2-Ausstoß geführt hat. Solche Nebenwirku­ngen gilt es bei der Verkehrswe­nde zu vermeiden. Das neue Mobilitäts­zeitalter muss so gestaltet werden, dass die Menschen mitgehen können. Das wird seine Zeit brauchen. Für einen gemeinsame­n, optimistis­chen Auftakt jedoch wäre die IAA 2017 allemal gut.

Alle sprechen vom Elektroaut­o, keiner fährt eines

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