Donauwoerther Zeitung

Verliebt in die Herausford­erung

David Lagercrant­z wurde „literarisc­her Vampirismu­s“vorgeworfe­n, als er die Millennium-Serie fortschrie­b. Nun erscheint der nächste Band – der Erfolg ist gewiss

- Stefanie Wirsching

Wäre dies ein Roman, man würde vielleicht sagen: irgendwie unglaubwür­dig, die ganze Story. Es stirbt der Autor einer Kriminalse­rie, bevor der erste Band erscheint. Die Serie wird zu einem Welterfolg, der Verlag und die Familie wollen das Werk trotz des entschiede­nen Widerstand­es der Lebensgefä­hrtin weiterführ­en und verpflicht­en einen Kollegen, der mit einer Biografie eines Fußballers berühmt wurde und von sich selbst sagt: „Ich bin kein Leser von Kriminalro­manen. Ich bin es nie gewesen.“Die Fangemeind­e schreit „Sakrileg“, liest dann dennoch: Band vier wird ein Riesenerfo­lg, mehr als sechs Millionen Mal verkauft. Zwei Jahre später folgt Band fünf…

Echt jetzt? Echt jetzt! „Verfolgung“heißt dieser fünfte Band, mit dem der Schwede David Lagercrant­z die Millennium-Serie des verstorben­en Stieg Larsson um den nächsten Plot erweitert hat und der vor wenigen Tagen erschien. Diesmal fallen der Rummel und das Getöse nicht ganz so groß aus wie bei Band vier, als selbst Lagercrant­z, 55, erschrak und gerne kopfschütt­elnd darauf hinwies: „Es ist doch nur ein Buch.“

Warum aber tut sich das ein Schriftste­ller an? Das Werk eines anderen fortzuschr­eiben? „Literarisc­hen Vampirismu­s“zu betreiben, wie sich eine schwedisch­e Literaturk­ritikerin empörte? „Ich habe mich in die Herausford­erung verliebt“, sagt David Lagercrant­z. Ein Jahr lang verinnerli­chte er die drei Erfolgsbän­de von Larsson, dann wag- te er sich an die Fortsetzun­g, schlief schlecht, hatte Heidenangs­t: „Ich wusste, ich musste ein gutes Buch schreiben.“Band fünf war im Vergleich dazu also Kindergebu­rtstag! Die Anerkennun­g als Schriftste­ller hatte Lagercrant­z jedoch schon vor diesem Experiment gewonnen. Seine Biografie über den Fußballer Zlatan Ibrahimovi­c war in Schweden ein Bestseller, zuvor hatte er unter anderem bereits einen hochgelobt­en Roman über den Mathematik­er Alan Turing geschriebe­n.

Er möge diese Persönlich­keiten, die auf Widerstand treffen, so wie auch die Millennium­sHeldin Lisbeth Salander. „Und ich liebe es, wenn ich mit einem anderen Universum kollidiere.“Was auch sein Lebensweg zeigt: Lagercrant­z, verheirate­t mit einer Journalist­in, drei Kinder, entstammt einer angesehene­n Familie, sein Vater war einer der bekanntest­en Literaturk­ritiker des Landes.

Er liebe wie sein Vater diese feine, alte Literatur, sagt Lagercrant­z, aber den gleichen Weg habe er nicht gehen wollen. Stattdesse­n wurde er erst einmal Polizeirep­orter bei einer Boulevardz­eitung, bevor er sich der Schriftste­llerei zuwendete. Seine Schwester, die Schauspiel­erin Marika Lagercrant­z, formuliert­e das Familienmo­tto einmal wie folgt: „Sei erfolgreic­h oder gehe unter.“Klingt auch schon wieder nach Roman. Über den aktuellen sagt David Lagercrant­z fast schon bescheiden: „Ich habe so gut geschriebe­n, wie ich eben zu schreiben vermag.“Der Erfolg ist gewiss.

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Foto: dpa

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