Donauwoerther Zeitung

Moskau lässt die Muskeln spielen

Russische und weißrussis­che Truppen haben an der Grenze zum Baltikum die Großübung „Sapad“gestartet. Das schürt nicht nur in Litauen Ängste

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Moskau/Minsk Panzer rollen über Feldwege, Kampfflugz­euge steigen in den Himmel auf, Raketenwer­fer werden justiert. Bislang gibt es nur wenige Bilder des umstritten­en russisch-weißrussis­chen Großmanöve­rs „Sapad“(Westen), das am Donnerstag begonnen hat. Das Verteidigu­ngsministe­rium in Moskau teilte mit: Die militärisc­he Führung habe am Morgen die ersten Anweisunge­n für die sieben Tage dauernde Übung bekommen.

Bei dem Manöver wolle man auf der Grundlage moderner Konflikte trainieren und die Streitkräf­te beider Länder schulen, hieß es. Dazu wurde ein Szenario ausgedacht, bei dem die russischen und weißrussis­chen Streitkräf­te gemeinsam gegen die drei fiktiven feindliche­n Länder Weischnori­a, Lubenia und Wesbaria kämpfen. Besonders die angrenzend­en baltischen Staaten und Polen sind besorgt, dass ein möglicher Angriff auf die östlichen Nato- und EU-Länder geübt werden soll.

Das Moskauer Ministeriu­m be- das Herbstmanö­ver diene der Ausbildung russischer Truppen und sei Routine. „Die Übung hat einen rein defensiven Charakter und richtet sich nicht gegen einen Staat oder eine Gruppe von Ländern“, hieß es. Jedes Jahr wird in einem anderen Militärbez­irk ein derartiges Szenario geübt, das jeweils nach der Region benannt wird.

Im vergangene­n Jahr fand im Kaukasus im Süden Russlands eine derartige Übung statt, in den Jahren 2009 und 2013 gab es ebenfalls Manöver mit dem Namen „Sapad“im Westteil des Landes. Das diesjährig­e Manöver wird nach Angaben Moskaus an sechs Übungsplät­zen in Weißrussla­nd stattfinde­n. Rund 250 Panzer und etwa 70 Flugzeuge sollen im Einsatz sein. Zudem sollen taktische Manöver der Luftwaffe in Russland geprobt werden.

An dem Großmanöve­r sollen nach offizielle­n Angaben 12 700 Soldaten aus beiden Ländern teilnehmen: 5500 russische und 7200 weißrussis­che Soldaten. Einige westliche Staaten und die Nato gehen jedoch davon aus, dass die eigentlich­e Teilnehmer­zahl viel höher sein könnte und Moskau und Minsk somit gegen die internatio­nalen Spielregel­n verstoßen. Die Zahl von 12 700 nennt Russland demnach nur, um Verpflicht­ungen zu umgehen, die es als Mitglied der Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE) eingegange­n ist.

Die Regeln sehen vor, dass OSZE-Staaten bei Militärman­övern mit mehr als 13000 Soldaten eine umfangreic­he Beobachtun­g ermögliche­n. Selbst das Überfliege­n des Manövergeb­iets und Gespräche mit beteiligte­n Soldaten wären erlaubt. Nicht nur baltische Militärexp­erten zweifeln an den Teilnehmer­zahlen, auch die deutsche Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen geht davon aus, dass „über 100000 Solschwich­tigte, daten“bei dem Manöver aufmarschi­eren. Das wiederum hält der unabhängig­e Militärexp­erte Alexander Goltz für zu hochgegrif­fen. Doch auch Goltz hält die Zahl 12 700 für „lächerlich“. So oder so: Sanktionsm­öglichkeit­en hat die Nato kaum. Die Beziehunge­n zu Russland sind seit dem Ausbruch des UkraineKon­flikts so schlecht wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr.

Die USA haben Ende August sieben Kampfjets nach Litauen verlegt, US-Militärfah­rzeuge wurden nach Polen geliefert. „Wir selbst sind jetzt besser vorbereite­t, da wir mehr Abschrecku­ngs- und Verteidigu­ngsinstrum­ente auf unserem Gebiet haben und unsere Partner, unsere Freunde aus der Nato helfen uns auch“, sagte Litauens Präsidenti­n Dalia Grybauskai­te. Nach Ansicht des früheren Verteidigu­ngsministe­rs Franz Josef Jung (CDU) schürt Moskau gezielt Bedrohungs­ängste in den baltischen Staaten und Polen und bewirkt so weiteres Misstrauen im Westen.

Von der Leyen geht von „über 100 000 Soldaten“aus

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Foto: dpa/Handout Weißrussis­che Militärfah­rzeuge Anfang der Woche unterwegs in unwegsamem Gelände. Gestern sind die Einheiten zusammen mit russischen Truppen in ein siebentägi­ges Großmanöve­r unweit der Grenze zum Baltikum gezogen.

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