Das Roboterauto rollt heran
Was die Ideen rund um die Mobilität von morgen für deutsche Hersteller bedeuten
Frankfurt am Main Alle Welt spricht von Roboterautos, VW-Chef Matthias Müller rollt stolz in der selbstfahrenden Studie Sedric auf die Bühne. Gewöhnungsbedürftig, aber es macht schnell Spaß, urteilt der Konzernchef. Auf dem „New-Mobility“-Außenareal bremsen Testwagen unermüdlich vor Hindernissen und weichen emsig Fußgängern aus Pappe aus. Deutlich wie nie zuvor wird auf der Messe in Frankfurt, dass die Branche voll in den Kampf um die Zukunft eingestiegen ist, in der autonomes Fahren heutige Geschäftsmodelle der Hersteller erschüttern kann.
Der Schlüssel für den Wandel sind vor allem Mobilitätsdienste, die mit der Ausbreitung selbstfahrender Robotaxis durchstarten können. Das könnte den heutigen Fahrzeugverkauf abwürgen. „Wenn man jederzeit in ein autonom fahrendes Fahrzeug einsteigen kann, dann braucht man kein Auto mehr für die Stadt“, sagt Branchenexperte Axel Schmidt von der Unternehmensberatung Accenture.
„Wir haben Simulationen gemacht für die Berliner Innenstadt: Wenn wir auf selbstfahrende Autos umstellen, brauchen wir nur ein Siebtel der heutigen Fahrzeugflotte“, sagt VW-Manager Johann Jungwirth. Das müsse aber nicht unbedingt schlecht für die Hersteller sein: „Durch die höhere Nutzung werden die Fahrzeuge alle zwei Jahre getauscht – die heutige Lebensdauer eines Autos liegt bei 15 Jahren.“Doch mit dem Vormarsch der Mobilitäts-Apps stehen die Autobauer vor der nächsten Frage: Wie pflegt man in dieser neuen Welt seine Marke?
Einige Experten warnen, dass vor allem die Marken der Massenhersteller austauschbar werden. Fachmann Stefan Bratzel sagt, nicht mehr das Fahrzeug, sondern die Mobilitätsdienstleistung werde künftig entscheidend sein. Hier kommen die US-Konzerne Google und Apple ins Spiel. Beide nehmen sich des Themas Mobilität an und bieten eine Alternative zu den Service-Welten, die deutsche Hersteller gerade mühevoll mit Start-upÜbernahmen und eigener Software zusammenzimmern. „Wenn Dienste wie Parking-Apps über Apple, Google oder andere Anbieter laufen, weil man eh das Smartphone in der Hand hat, dann sind diese ServiceErlöse für den Hersteller verloren“, sagt Experte Schmidt.
Auf diese Herausforderung reagieren die Hersteller unterschiedlich. Während die meisten zähneknirschend Apple und Google in ihre Infotainment-Systeme reinlassen, bleibt Toyota hart: Die TechFirmen bleiben draußen. „Wir haben als Branche zwei Optionen: Jemand kommt und stellt die Software für die Kiste, die wir produzieren. Oder wir behalten die Kontrolle über unsere Zukunft“, sagt ToyotaManager Didier Leroy.
Bei der Technologie für autonomes Fahren setzt die Branche lieber auf eigene Entwicklungen – statt die Freundschaftsanfrage der GoogleSchwesterfirma Waymo anzunehmen, die Erfahrungen mit Roboterwagen seit 2009 hat. Daimler und BMW bauen eigene Mobilitätsdienste auf – auch auf Basis ihrer Mietwagenangebote wie Car2Go. „Das ist das Car2Go der Zukunft“, verkündet Daimler-Chef Dieter Zetsche auf der IAA, als er ein „Robotaxi“präsentiert. In drei bis vier Jahren sollen die Robotaxis auf der Straße sein. Und um die Insassen nicht an die Sprachassistenten der US-Konzerne – Siri, Alexa, Google Assistant – zu verlieren, will Audi in seinen Autos die eigene sprechende Software PIA etablieren.
Immer noch nicht sicher ist, wie schnell die Systeme auf dem Massenmarkt sein werden. Ex-WaymoChefentwickler Chris Urmson ist überzeugt, dass mindestens 30 Jahre vergehen werden, bis der Verkehr komplett autonom läuft.