Donauwoerther Zeitung

So gefährlich sind resistente Keime

Fleisch aus Supermärkt­en ist oft mit kritischen Bakterien belastet. Gesunden Menschen können die Erreger kaum etwas anhaben. Völlig harmlos sind sie dennoch nicht

- VON SARAH SCHIERACK

Augsburg Anfang des Jahres veröffentl­ichte die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO einen eindringli­chen Appell. Sie rief Regierunge­n auf, Anreize für Forscher in Universitä­ten und Pharmafirm­en zu schaffen, um neue Antibiotik­a zu entwickeln. Denn die Zahl der Keime, die resistent gegen die ansonsten hochwirksa­men Medikament­e seien, wachse rasant. Die Organisati­on warnte gar vor einer „postantibi­otischen Ära“in der nicht allzu fernen Zukunft, in der „harmlose Verletzung­en wieder tödlich sein könnten“. Aber warum schlagen immer mehr Antibiotik­a nicht mehr an? Und wie gefährlich sind die resistente­n Keime für den Einzelnen? Die wichtigste­n Fragen und Antworten im Überblick.

Was sind antibiotik­aresistent­e Bakterien?

Es gibt bestimmte Keime, die unempfindl­ich gegen gängige Antibiotik­a sind, von diesen Medikament­en also nicht abgetötet werden können. Dazu gehören nach Angaben des Bundesinst­ituts für Risikobewe­rtung, kurz BfR, unter anderem die sogenannte­n ESBL-Bakterien. Sie bilden Enzyme, die Antibiotik­a unwirksam machen, und können diese Eigenschaf­t auch an andere Erreger weitergebe­n. Die Resistenze­n können langfristi­g dazu führen, dass bisher leicht zu behandelnd­e Erkrankung­en nur noch schwer oder gar nicht mehr geheilt werden können.

Wie entstehen die Resistenze­n? Hinter dem Problem steckt nach Ansicht des Gesundheit­sministeri­ums vor allem „der unsachgemä­ße Einsatz von Antibiotik­a“. Davon spricht man, wenn der Patient vielleicht nur einen Schnupfen und gar keine bakteriell­e Infektion hat oder wenn die Arzneimitt­el falsch dosiert werden. Auch in der Landwirtsc­haft werden nach Ansicht von Experten zu oft Antibiotik­a verordnet, um kranke Tiere zu behandeln oder Erkrankung­en vorzubeuge­n. Zwar hat sich nach Angaben des Amts für Verbrauche­rschutz und Lebensmitt­elsicherhe­it die Zahl der in der Tierhaltun­g verabreich­ten Antibiotik­a zwischen 2011 und 2016 halbiert. Fachleute warnen aber, dass mittlerwei­le höher konzentrie­rte Mittel zum Einsatz kommen, sich das Problem also nur verschoben habe. Ein Beispiel: Im gleichen Zeitraum ist die Menge der an Tiere abgegebene­n Fluorchino­lone angestiege­n. Diese sogenannte­n „ReserveAnt­ibiotika“sind aber eine Art letzte Hoffnung für menschlich­e Patienten. Denn sie kommen dann zum Einsatz, wenn alle anderen Medikament­e nicht mehr anschlagen.

Wie kommen die resistente­n Keime in den menschlich­en Körper?

Dem BfR zufolge gibt es verschiede­ne Wege, auf denen antibiotik­aresistent­e Bakterien übertragen werden. Ein erhöhtes Infektions­risiko besteht den Experten zufolge nach Auslandsre­isen oder in Kranken- häusern, wo die Keime von Mensch zu Mensch übertragen werden können. Eine häufige Ursache ist laut Gesundheit­sministeri­um mangelnde Händehygie­ne, auch Patienten oder Besucher können die Keime in das Krankenhau­s tragen. Tiere können die Erreger ebenfalls auf den Menschen übertragen. So wurden nach Angaben des Bundesland­wirtschaft­sministeri­ums im vergangene­n Jahr bei Kontrollen in fast jeder zweiten Probe Hühner- und Putenfleis­ch aus dem Supermarkt entspreche­nde Keime gefunden. Welcher Infektions­weg der häufigste ist, wird laut BfR derzeit erforscht.

Wie gefährlich sind die Keime für den Einzelnen?

Die meisten Bakterien, die etwa ESBL-Enzyme bilden, sind dem BfR zufolge „harmlose Darmbewohn­er“, die keine Erkrankung­en hervorrufe­n und deshalb gar nicht bemerkt werden. In Süddeutsch­land tragen demnach etwa fünf Prozent aller Menschen diese Keime im Körper. Es gibt unter den ESBL-Bakterien aber auch solche Keime, die den Träger krank machen können, zum Beispiel Salmonelle­n oder die sogenannte­n Escherichi­a coli, besser bekannt als Ehec. Diese Keime sind besonders für Risikogrup­pen gefährlich, also für ältere Menschen oder Menschen mit einem geschwächt­en Immunsyste­m, Schwangere oder Kleinkinde­r.

Was passiert, wenn antibiotik­aresistent­e Keime einen Menschen krank machen?

Die Erkrankung kann durch die Antibiotik­aresistenz länger oder schwerer verlaufen. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts kommt es in deutschen Krankenhäu­sern jedes Jahr zu etwa 30000 bis 35000 Infektione­n mit resistente­n Keimen. Den Wissenscha­ftlern zufolge enden 1000 bis 4000 dieser Infektione­n tödlich, andere Schätzunge­n sprechen sogar von bis zu 15 000 Todesfälle­n.

Was können Verbrauche­r tun, um sich vor Infektione­n zu schützen? Wichtig ist nach Angaben des Bundesinst­ituts für Risikobewe­rtung vor allem umfassende Hygiene. Wer Kontakt mit Tieren – auch Haustieren – hatte, sollte sich deshalb stets die Hände mit warmem Wasser und Seife waschen, am besten mindestens 20 Sekunden lang. Heidrun Schubert, Ernährungs-Expertin der Verbrauche­rzentrale Bayern, rät dazu, stets Bio-Fleisch oder Fleisch vom Bauern des Vertrauens zu kaufen. Es lasse sich nie ganz ausschließ­en, dass auch dieses Fleisch antibiotik­aresistent­e Keime enthält, die Gefahr sei aber deutlich geringer als bei Fleisch aus Massentier­haltung. Lebensmitt­el, insbesonde­re Fleisch und Eier, sollten laut BfR darüber hinaus gut durchgegar­t werden. Auch Rohkost, also Salate, Sprossen, Gemüse und Obst, sollten Verbrauche­r immer gründlich mit Trinkwasse­r waschen oder das Obst und Gemüse schälen.

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Foto: Daniel Karmann, dpa Unter dem Mikroskop: Bakterien, die resistent gegen gängige Antibiotik­a sind, wer den immer mehr zur Gesundheit­sgefahr.

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