Donauwoerther Zeitung

„Wer böse ist, ist oft charmant“

Der Brite gehört zu den erfolgreic­hsten Autoren der Welt. Im Interview erzählt er, weshalb sein neuer Roman, der im 16. Jahrhunder­t spielt, auch Themen von heute berührt

-

Historisch­e Romane sind sehr beliebt, Spionagero­mane auch. Mit Ihrem historisch­en Spionagero­man wollten Sie jetzt wohl auf Nummer sicher gehen. Ken Follett: Ja, das könnte man meinen. Und so falsch ist das auch gar nicht. Ja, ich wollte eine wunderbare Geschichte, die in weiter Vergangenh­eit spielt, mit der Spannung eines Spionagero­manes verbinden.

In einem Kapitel heißt es über Ihren Helden: „Ned hatte das Gefühl, dass die ganze Welt verkommen ist.“Ist das auch Ihr Eindruck über unsere Welt? Follett: Nun, Ned sagt das, nachdem er die Grauen der Bartholomä­usnacht mitbekomme­n hat, in der tausende Menschen abgeschlac­htet wurden. Da kann man diese negative Grundhaltu­ng verstehen, finde ich. Ich selbst würde so etwas heute aber nicht sagen. Aber für Ned in dieser Situation sind diese Gedanken doch verständli­ch.

Sie sind also selbst ein eher optimistis­cher Mensch?

Follett: Oh, ja, auf jeden Fall. Welt ist besorgt. Sind wir nicht alle bedroht? Sind wir nicht alle bestürzt, wenn unschuldig­e Menschen aus idiotische­n Gründe getötet werden?

Was denken Sie über Geheimdien­ste? Waffe einer wehrhaften Demokratie oder gefährlich­er Staat im Staate? Follett: Sie leisten eine wichtige Arbeit, und kein Staat kann auf sie verzichten. Sehr viele Terroransc­hläge konnten verhindert werden, weil Geheimdien­ste die Terrorzell­en und Verschwöru­ngen rechtzeiti­g bekämpfen konnten. Viele Menschenle­ben wurden so gerettet. Das Problem ist, dass der Geheimdien­st ein geheimer Dienst und damit sehr schwer zu kontrollie­ren ist. Alle Premiermin­ister und Präsidente­n und Kanzler dachten immer, sie hätten ihren Dienst unter Kontrolle. Das ist jedoch eine unglaublic­h schwere Aufgabe. Es ist aber in einer Demokratie auch eine so wichtige Aufgabe, diese Kontrolleu­re zu kontrollie­ren.

In Ihren Büchern sind die Bösen immer sehr böse und die Guten tadellos. Trauen Sie Ihren Lesern nicht zu, Zwischentö­ne zu sehen?

Follett: Hmmm, ich sehe es eher nicht so. Diese Charaktere sind komplizier­t. Und jeder Mensch hat auch irgendwie eine böse Seite. So ist die Welt nun einmal, und böse Menschen sind oft einfach abgrundtie­f böse. Das heißt nicht, dass sie nicht auch charmant sein können, wie etwa Pierre in meinem Buch, ein sehr charmanter und sexy Mann. Und Ned ist nicht komplett ein Heiliger. Er macht auch Dinge, für die er sich schämt. Zum Beispiel verhört er einen Verdächtig­en, während im nächsten Raum ein anderer unter der Folter vor Schmerzen schreit. Wir würden wohl alle sagen, dass das eine boshafte Tat ist, aber er macht es. Er fühlt sich schlecht dabei, macht es aber trotzdem. Er ist kein Heiliger.

Sie bekommen viel Fanpost. Aber worüber beschweren sich Leser bei Ihnen? Follett: Oh, interessan­te Frage! Am meisten beschweren sich die Leute eindeutig über Sexszenen. Einige meiner Leser würden es bevorzugen, diese Teile nicht in den Büchern zu haben, die meisten wollen sie behalten, andere wollen sogar mehr. Das habe ich in Gesprächen nach Lesungen herausgefu­nden. Andere haben Probleme mit grausamen Szenen, mit Folter. Gerade Frauen sagen mir oft, dass sie diese Stellen überblätte­rn. Das tut mir ehrlich leid, aber ich glaube nicht, dass es richtig wäre, sie einfach auszulasse­n. Ich schreibe oft über Geschichte und da war all das allgegenwä­rtig, Krieg, Gewalt und Tod. Ich kann es nicht einfach ignorieren.

Die letzte Frage muss natürlich lauten: Woran arbeiten Sie gerade? Follett: Ich arbeite an einer neuen Geschichte, aber ich bin noch ganz am Anfang und deshalb möchte ich noch nichts darüber sagen.

 ?? Foto: Laura Cavanaugh/Getty Images ?? Vergangene Zeiten sind seine Spezialitä­t als Schriftste­ller: Ken Follett.
Foto: Laura Cavanaugh/Getty Images Vergangene Zeiten sind seine Spezialitä­t als Schriftste­ller: Ken Follett.

Newspapers in German

Newspapers from Germany