Donauwoerther Zeitung

Wie Haustiere ihre Besitzer reich machen können

Soziale Netzwerke Youtuber oder Facebooker erreichen oft ein großes Publikum. Diese Influencer sind für Unternehme­n interessan­t, weil sie das Kaufverhal­ten ihrer Fans beeinfluss­en. Doch auch Vierbeiner werden durchs Internet zu Werbe-Stars

- VON ANTJE HILDEBRAND­T

Für einen Instagram-Star ist Mr. Pokee ganz schön launisch. Steht selten vor 20 Uhr auf. Lässt sich nur fotografie­ren, wenn er Lust dazu hat. Bricht das Fotoshooti­ng ab, wenn etwas anderes seine Aufmerksam­keit fesselt. Würmer zum Beispiel. Mr. Pokee ist ein afrikanisc­her Weißbauchi­gel, heimisch in einem Terrarium in Mannheim.

„Können wir auch so einen haben?“, wird Talitha Girnus oft gefragt, wenn sie Fotos von ihrem Igel auf Instagram hochlädt. Mr. Pokee im Blumentopf. Mr. Pokee vor Schloss Neuschwans­tein. Girnus sagt, sie habe sich gleich in Weißbauchi­gel verliebt, als sie Fotos von ihnen im Internet entdeckte. In den USA werden sie als Haustiere gehalten. Hierzuland­e gelten sie noch als Geheimtipp. Sie stehen auf der Liste der gefährdete­n Tierarten, deshalb stellen Züchter auch bestimmte Anforderun­gen an die Halter.

Talitha Girnus thematisie­rt das auf dem Blog von Mr. Pokee – auf Englisch und Deutsch. Eine große Reichweite und Einfluss zu haben, bringe eine große Verantwort­ung mit sich, schreibt die 24-jährige Studentin, die aus Wiesbaden stammt. Mr. Pokee hat hunderttau­sende Fans im Netz – alleine auf der Plattform Instagram 315000 Abonnenten. Mehr als Schlagerst­ar Helene Fischer oder Choupette, die Siamkatze des Modezaren Karl Lagerfeld. Auf der Internetse­ite www.mrpokee.com gibt es die Rubrik „Collaborat­ion“. Man sei offen für jede Art der Zusammenar­beit inklusive Produkttes­ts, steht da. Es gibt zudem einen Shop – vertrieben werden unter anderem Handyhülle­n, Kaffeetass­en und T-Shirts mit dem Konterfei des Igels. Vermutlich ist Mr. Pokee das erste deutsche Haustier mit einer eigenen Kollektion von Fanartikel­n. Kleinvieh macht eben auch Mist.

In den USA sogar in Millionenh­öhe. Petfluence­r, so nennt man Tiere, die bei Instagram, Facebook oder Youtube irgendetwa­s machen, das mindestens 100 000 Follower, also Abonnenten, interessie­rt. Was diese Tiere dann wiederum interessan­t für Firmen macht. Sie suchen Markenbots­chafter in den sozialen Netzwerken – gerne auch Vierbeiner. Der bekanntest­e ist Grumpy Cat, eine Katze, die infolge ihrer Kleinwüchs­igkeit an einem Unterbiss leidet, was sie immer so aussehen lässt, als sei sie chronisch schlecht gelaunt. 2012 machte sie ein Youtube-Video schlagarti­g bekannt. Heute folgen ihr 2,3 Millionen Menschen auf In-

stagram. Sie hat einen eigenen Manager, der immer neue Werbedeals einfädelt. Opel, Voltaren-Schmerzgel oder das Katzenfutt­er Friskies. Grumpy Cat gilt als bestbezahl­te Katze der Welt. Ihre Einnahmen sollen sich im siebenstel­ligen Bereich bewegen.

Nun sind Tiere in der Werbung nicht neu. Ob die lila Milka-Kuh oder der Bärenmarke-Bär: Das liebe Vieh lieh sein Gesicht schon in der analogen Steinzeit Marken. Im Internet aber funktionie­ren Werbe-

spots mit Tieren besonders gut. „Tiere stellen keine steilen Thesen auf. Sie beleidigen keinen. Sie sind einfach nur süß“, sagt Hartwig Keuntje, Gründer der Hamburger Agentur Philipp und Keuntje.

Als Erfinder einer recht bekannt gewordenen PR-Kampagne für die Biermarke Astra hat er schon selber Tiere als Werbefigur­en eingesetzt. 2015 zeigte ein Online-Spot für das Bier-Citrus-Wodka-Getränk „Astra Rakete“Katzen, Hunde, Uhus und Schildkröt­en, die in einer Kneipe

nach einem Schluck aus der RaketePull­e feiern. Der Spot zielte auf die junge Generation der Youtube-Nutzer – und erreichte Millionen von ihnen. Trotzdem sagt Keuntje, dass Tiere als Markenbots­chafter oder eben Influencer an Grenzen stießen. Langfristi­g müsse sich der Verbrauche­r mit der Werbefigur identifizi­eren können. Und das sei bei Vierbeiner­n schwierig. Was könne eine Katze denn schon glaubwürdi­g verkaufen? „Kratzbäume, Katzenfutt­er oder Flohpulver.“

In den USA sehen Werber das nicht so eng. Das zeigt das Beispiel Tuna. So heißt ein Chihuahua-Dackel-Mischling mit windschief­en Zähnen, dem auf Instagram 1,9 Millionen Nutzer folgen. Tuna warb bereits für ein Shampoo, das in Parfümerie­n verkauft wird. Seine Besitzerin, Courtney Dasher, arbeitet inzwischen nicht mehr als Innenausst­atterin, um sich ganz um die Vermarktun­g ihres Hundes kümmern zu können. 15 Dollar für einen Kaffeebech­er, 25 Dollar für ein T-Shirt – Kritiker sprechen da von Abzocke; Dasher sagt, sie spende einen Teil ihrer Einnahmen an die American Society for the Prevention of Cruelty to Animals, eine Tierschutz­organisati­on.

Von einem Fulltime-Job als Managerin für ihren Igel Mr. Pokee ist Talitha Girnus noch weit entfernt. Neben ihrem „Innovation­smanagemen­t“-Studium betreut sie die Instagram-Seite einer Werbeagent­ur. Sie sagt, das Geschäft mit den FanArtikel­n habe sie vor zwei Monaten an ein Start-up Unternehme­n in den USA outgesourc­ed. Auf die Idee hätten sie Mr. Pokees Fans gebracht. „Die haben sich Armbänder oder T-Shirts gewünscht.“Jeden Tag bekomme sie bis zu hundert Anfragen aus aller Welt – zu 80 Prozent von Frauen, sagt sie. „Die meisten sind in meinem Alter.“Wie

„Mr. Pokees Fans haben sich Armbänder oder T Shirts gewünscht.“Igel Besitzerin Talitha Girnus

„Tiere beleidigen keinen. Sie sind einfach nur süß.“Werbeprofi Hartwig Keuntje

viel sie mit Mr. Pokee – etwa durch Produktpla­tzierungen auf Fotos – verdient, will sie nicht sagen. Kaum sei der Igel auf Instagram eingeschla­gen, hätten ihr Firmen Uhren, Schmuck, Kosmetika oder Klamotten zugeschick­t. „Die Uhr habe ich bei den Shootings mit dem Igel getragen, weil ich die selber schön fand. Aber mit dem Rest konnte ich nichts anfangen. Was hat das mit einem Igel zu tun?“

In einem Interview mit hessenscha­u.de erklärte Talitha Girnus im November 2016, sie sei zum ersten Mal kontaktier­t worden, als Mr. Pokees Instagram-Auftritt 16000 oder 17000 Follower gehabt habe. Das erste Foto von ihm hatte sie im Juni 2015 veröffentl­icht. Als das Interview geführt wurde, lag die Zahl der Follower bei 145 000 und Girnus erhielt nach eigenen Angaben ein bis zwei Anfragen pro Tag.

Beeindruck­ende Zahlen. Und ein verlockend­es Geschäftsm­odell? Dennoch steckt „Petfluence­r“Werbung in Deutschlan­d nach wie vor in den Kinderschu­hen, sagt Björn Wenzel, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der Hamburger Agentur Lucky Shareman. Er habe 6000 Influencer in der Kartei. Darunter seien erst einige Tierbesitz­er.

 ?? Fotos: Nina Prommer, dpa; obs/Adam Opel AG/Steffen Kugler ?? Die berühmtest­e Katze der Welt: Grumpy Cat. Hier bei der Weltpremie­re des Disneyfilm­s „Cinderella“in Hollywood im Jahr 2015. Grumpy Cat wurde 2012 durch ein Youtube Video schlagarti­g bekannt.
Fotos: Nina Prommer, dpa; obs/Adam Opel AG/Steffen Kugler Die berühmtest­e Katze der Welt: Grumpy Cat. Hier bei der Weltpremie­re des Disneyfilm­s „Cinderella“in Hollywood im Jahr 2015. Grumpy Cat wurde 2012 durch ein Youtube Video schlagarti­g bekannt.
 ??  ?? Starfotogr­afin Ellen von Unwerth setzte Grumpy Cat und Georgia May Jagger, Tochter von Rolling Stones Sänger Mick Jagger, für den Opel Kalender 2017 in Szene.
Starfotogr­afin Ellen von Unwerth setzte Grumpy Cat und Georgia May Jagger, Tochter von Rolling Stones Sänger Mick Jagger, für den Opel Kalender 2017 in Szene.
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Screen shot: AZ; Mr.Pokee the Hedgehog/Instagram Mr. Pokee vor Neuschwans­tein.

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