Donauwoerther Zeitung

Chance gegen Risiko

- VON BARBARA WÜRMSEHER redaktion@donauwoert­her zeitung.de

Eine Kommune definiert sich in ihrer Leistungss­tärke, ihrem Image und ihrer Attraktivi­tät immer über eine ganze Reihe von Faktoren. Gut funktionie­rende Wirtschaft, architekto­nischer Charme, Infrastruk­tur, kulturelle­s Leben, überregion­aler Bekannthei­tsgrad, positive Außenwirku­ng, Freizeit-/Erholungsw­ert und manches mehr sind Qualitätsm­erkmale, an denen sich Städte und Gemeinden heute messen. In der Summe sollen all diese Kriterien Lebensqual­ität für die Bürger bedeuten.

Dass nun der weltweit operierend­e Großkonzer­n Sunstar Engineerin­g – mit Niederlass­ungen in Japan, Thailand, Singapur, Indonesien, China, den USA, der Schweiz und Italien – seine Europa-Zentrale in Rain ansiedelt, ist eine Entwicklun­g, die Politiker auf Stadt-, Kreis- und Landeseben­e als Meilenstei­n bezeichnen. Das Unternehme­n soll die bestehende Reihe attraktive­r Firmen in Rain weiter anreichern und somit eben genau dazu beitragen, Image und urbane Qualität zu steigern. Klingt es nicht atemberaub­end, den Namen der kleinen schwäbisch­en Lechstadt nahtlos neben denen großer Metropolen wie Tokio oder Osaka zu lesen?

Das ist die eine Seite – die andere ist ein Aspekt, der beim gestrigen Spatenstic­h und den begeistert­en Reden nicht wirklich zur Sprache kam. Denn Sunstar Engineerin­g ist ein Chemie-Unternehme­n. Es stellt unter andere Klebe- und Dichtungss­toffe für die Automobili­ndustrie her. Im künftigen Werk in Rain, das im Juni 2018 seine Produktion aufnehmen soll, werden Mischproze­sse ablaufen. Völlig gefahrlos, wie die Geschäftsf­ührung auf Nachfrage versichert. Denn die eigentlich­e chemische Reaktion finde erst im jeweiligen Automobilk­onzern statt, wo die Kleber bei der Weitervera­rbeitung aktiviert werden.

Nun aber löst ja allein der Begriff „Chemie“bei vielen Unbehagen aus. Er ist mitunter negativ behaftet. Im konkreten Fall immerhin so negativ, dass der Friedberge­r Stadtteil Derching Sunstar Engineerin­g im März 2016 eine Absage erteilt hat. Dort hatte der Konzern damals seine erste Anfrage nach einem Grundstück in Bayern gestellt. Die Ängste der Bürger haben den Deal platzen lassen. Und das, obwohl ein Augsburger Experte bescheinig­t, dass weder entzündlic­he, noch krebserreg­enden Stoffe verwendet werden, dass keine schädliche­n Umwelteinw­irkungen, keine Geruchsbel­ästigungen und keine Gewässerve­rschmutzun­g zu befürchten sind.

Weil Derching abgelehnt hat, hat Rain den Zuschlag bekommen und begreift dies als echte Chance im Sinne einer nachhaltig­en Wirtschaft­sförderung. Es geht um Arbeitsplä­tze, um Gewerbeste­uer und auch ums Image. Und bei all dem geht es aber auch um Vertrauen, das die Bevölkerun­g haben muss. Vertrauen in die Stadtpolit­iker, die wohl nicht leichtfert­ig in ein risikoreic­hes Abenteuer laufen. Allein schon deshalb, weil sie alle selbst dort leben: in Nachbarsch­aft zu „Sunstar Engineerin­g“.

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