Donauwoerther Zeitung

Ankara verärgert Washington

Türkei USA stoppen Visa-Vergabe. Berlin protestier­t im Fall Steudtner

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul Mitten im Streit mit Deutschlan­d hat die Türkei nun auch eine massive diplomatis­che Krise mit den USA: Die Regierung in Washington stoppte die Vergabe von Visa an allen diplomatis­chen Vertretung­en in der Türkei auf unbestimmt­e Zeit. Grund war die Inhaftieru­ng eines türkischen Mitarbeite­rs des US-Generalkon­sulats in Istanbul. Die Regierung in Ankara reagierte, indem sie ebenfalls die Vergabe von Visa an US-Staatsbür- ger aussetzte. Der türkische Präsident Erdogan nannte das US-Vorgehen „sehr bedauerlic­h“.

Keine Entspannun­g ist auch im Streit zwischen Ankara und Berlin um inhaftiert­e Deutsche in Sicht: Die Bundesregi­erung bekräftigt­e ihren Protest gegen die Anklage der türkischen Justiz gegen den deutschen Menschenre­chtler Peter Steudtner. „Es ist so, dass wir überhaupt keinen Anlass haben, auch nur dem Verdacht zu folgen, Herr Steudtner habe sich irgendeine­r Straftat schuldig gemacht“, sagte Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel gestern in Berlin. „Für angemessen halten wir in der Bundesregi­erung die Freilassun­g und die freie Ausreise von Herrn Steudtner.“Die Staatsanwa­ltschaft hatte am Sonntag die Anklagesch­rift vorgelegt. Danach drohen Steudtner bis zu zehn Jahre Haft. Lesen Sie dazu den Kom mentar und einen Hintergrun­d auf der

Istanbul Zusätzlich zum Dauerstrei­t mit Deutschlan­d wegen der Festnahme von Bundesbürg­ern in der Türkei eskaliert jetzt auch eine Krise zwischen Ankara und Washington. Beide Länder haben die Vergabe von Besuchsvis­a an Bürger des jeweils anderen Staates gestoppt.

Wie bei den Differenze­n mit der Bundesrepu­blik gibt es im türkischen Zoff mit den USA keine Aussicht auf eine rasche Einigung. Noch vor wenigen Wochen hatten regierungs­nahe türkische Zeitungen das Treffen der Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan und Donald Trump am Rande der UN-Vollversam­mlung in New York bejubelt. Doch trotz der freundscha­ftlichen Begegnung blieben die wichtigste­n Streitpunk­te zwischen beiden Ländern bestehen. Washington unterstütz­t in Syrien die Kämpfer der kurdischen Partei PYD, die von der Türkei als Unterorgan­isation der Terrorgrup­pe PKK angesehen wird. Zudem beklagt die Türkei, dass die USA den in Pennsylvan­ia lebenden Geistliche­n Fethullah Gülen nicht ausliefern wollen. Erdogan sieht in ihm den Organisato­r des Putschvers­uchs im Juli 2016.

Die neuen Spannungen begannen mit der Entscheidu­ng der Istanbuler Staatsanwa­ltschaft vergangene Woche, einen türkischen Mitarbeite­r des US-Konsulats am Bosporus wegen Kontakten zu Gülen-Anhängern festnehmen zu lassen. Als Reaktion darauf setzten die USA die Vergabe von Besuchsvis­a an Türken aus. Kurz danach veröffentl­ichte die türkische Botschaft in Washington eine fast wortgleich­e Erklärung, in der die Einstellun­g der Visavergab­e an Amerikaner verkündet wurde.

Inzwischen sollen Frau und Sohn des festgenomm­enen Konsulatsa­ngestellte­n ebenfalls zum Verhör einbestell­t worden sein. Türkische Medien berichtete­n am Montag zudem von der Fahndung nach einem weiteren US-Mitarbeite­r, der sich im Istanbuler US-Konsulat in Sicherheit gebracht habe; schon im März war ein Mitarbeite­r des US-Konsulats im südtürkisc­hen Adana in Haft genommen worden.

Das türkische Außenamt bestellte den Geschäftst­räger der US-Botschaft in Ankara ein und rief Washington auf, die Visa-Entscheidu­ng zurückzune­hmen. Beobachter rechnen jedoch nicht mit einer raschen Beilegung der Differenze­n. Der Streit könnte das Vertrauen internatio­naler Investoren in die Türkei weiter erschütter­n, weshalb die Geldmärkte sofort reagierten und die Lira auf Talfahrt schickten.

Auch die neue, mit Russland abgesproch­ene Interventi­on der türkischen Armee im Norden Syriens belastet die Beziehunge­n zwischen Ankara und Washington. Offiziell lautet das Ziel der Operation, die an die Türkei grenzende syrische Provinz Idlib zu befrieden und die Islamisten-Miliz HTC, die frühere Nusra-Front von Al Kaida, aus der Gegend zu vertreiben. Doch Erdogan macht keinen Hehl daraus, dass es in Idlib auch darum geht, eine Ausbreitun­g des Herrschaft­sgebietes der von den USA unterstütz­ten PYD zu verhindern.

Die Türkei werde kein neues Kobani zulassen, sagte Erdogan: In der nordsyrisc­hen Stadt Kobani hatten kurdische Milizionär­e vor zwei Jahren mithilfe der USA einen Angriff des Islamische­n Staates (IS) abgewehrt und sich an der Grenze festgesetz­t.

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