Kaum Abschiebungen aus dem Landkreis möglich
Migration Derzeit sind 84 Asylbewerber im Kreis Donau-Ries sofort ausreisepflichtig. Warum den Behörden vor Ort in der Abschiebefrage aber derzeit die Hände gebunden sind
Donauwörth Es ist kaum in Zweifel zu ziehen, dass das Thema die Bundestagswahlen mit entschieden hat: Migration und der richtige Umgang mit dem Komplex „Asyl und Flucht“sorgt an der Basis nach wie vor für rege Debatten, vor allem dort, wo größere Unterkünfte für Asylbewerber stehen – etwa in Donauwörth. In direktem Zusammenhang steht auch das Thema „Abschiebungen“von jenen, die per Beschluss nicht bleibeberechtigt sind. Ihre Zahl im Landkreis Donau-Ries ist einerseits sehr deutlich – andererseits liegt sie im Unklaren. Ein Widerspruch, der seinen Ursprung in der Zuständigkeit der jeweiligen Behörde hat.
In Johann Starks Büro im Landratsamt in Donauwörth herrscht angenehme Übersichtlichkeit; ähnlich geordnet sieht es inzwischen an den meisten Tagen der Woche auf den Fluren der Ausländerbehörde im Erdgeschoss aus. Ziemlich genau vor zwei Jahren ergab sich für den Besucher dagegen noch ein gänzlich anderes Bild. Draußen in der Heilig-Kreuz-Straße kamen täglich die Busse aus München mit Asylbewerbern an, drinnen in den Gängen vor dem Dienstzimmer des Leiters der Ausländerbehörde drängten sich die vielen Menschen mit ihrem Gepäck. Stark war damals allein aus seiner beruflichen Erfahrung heraus klar, dass nicht alle werden bleiben können.
Die richtig hektischen Zeiten seien inzwischen wieder vorbei, obgleich die Arbeit nicht grundsätzlich weniger geworden sei, erklärt Stark. In diesem Jahr sind bislang 143 „Zuweisungen für staatliche Unterkünfte“des Landkreises eingegangen, wie es offiziell heißt. Zu Hochzeiten im Herbst 2015 war dies die Zahl, die schier im Wochenrhythmus gelistet wurde.
Bis dato kommen die neu Registrierten vor allem aus den Nationen Pakistan, Syrien, Afghanistan, Nigeria, Irak und Somalia. Auffallend viele Asylbewerber kämen, so Stark, zudem aus der Türkei, in der Präsident Recep Tayyip Erdogan ein hartes Regiment führt. Dennoch handle es sich bei den türkischen Staatsangehörigen zumindest zum Teil „um seltsame Fälle“, bei denen nach der Ankunft auffallend häufig rasche Heiraten stattfänden. Das sei, wie vieles andere in der Migrationsfrage, recht schwer zu durchschauen. Doch Stark muss als Teil der Exekutive eben juristisch festgelegte Entscheidungen nach Recht und Gesetz ausführen – und allein das gestaltet sich bisweilen extrem schwierig bis fast unmöglich. Der Leiter der Donauwörther Ausländerbehörde mag sich nicht in bürokratischen Flos-
keln verlieren, sondern spricht jene Schwierigkeiten an: „Es ist schier unmöglich, einen Ausreisepflichtigen abzuschieben, wenn dieser nicht will.“Das liege weniger an der aktuellen gesetzlichen Lage, die ohnehin zuletzt verschärft wurde, als vielmehr an fehlender Zusammenarbeit zwischen den Staaten. Ohne wirksame Rückführungsverträge zwischen Deutschland und den jeweiligen Herkunftsstaaten erschöpfe sich die Angelegenheit in politischen Floskeln. Es tue sich insgesamt zu wenig. Es liege nun aber nicht an den Behörden vor Ort, dass nicht oder nur vereinzelt abgeschoben werde, wenn kein nachvollziehbarer Asylgrund besteht. Im Kreis DonauRies seien nach derzeitigem Stand
84 Personen sofort ausreisepflichtig. Will heißen: Hier sind Anträge durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) geprüft und gegebenenfalls der Widerspruch bereits gerichtlich zurückgewiesen worden. Doch bei keinem der vorliegenden Fälle könne momentan wegen fehlender Papiere, Identitätsverweigerung oder mangelnder zwischenstaatlicher Kooperation abgeschoben werden, erklärt Stark. Das sei mithin „frustrierend“und „absurd“, sollte das hiesige Asylrecht doch für nachvollziehbar politisch beziehungsweise religiös Verfolgte gelten. Der Landkreis ist zuständig für die dezentralen, also die kleineren Asylunterkünfte, in denen – Stand September – 545 Personen in 42 Einrichtungen leben. Davon sind 187 Migranten als Flüchtlinge anerkannt. Bei dem Rest laufe das Verfahren entweder noch oder die Bewerber wären eben eigentlich ausreisepflichtig. 14 abgelehnte Asylbewerber sind heuer freiwillig ausgereist, darunter neben Nigerianern und Pakistani auch brasilianische Staatsangehörige.
Während der Kreis exakte Zahlen zu Ausreisepflichtigen nennen kann, antwortet die Regierung von Schwaben, die für die sieben großen Gemeinschaftsunterkünfte zuständig ist: „Wir führen hierzu leider keine laufende Statistik, sodass wir keine belastbaren Zahlen liefern können.“Indes sei aber, wie Johann Stark von der Ausländerbehörde erwähnt, die jüngst vom Nördlinger Bundestagsabgeordneten Ulrich Lange (CSU) erwähnte Zahl von 400 abgelehnten Asylbewerbern im Landkreis missverständlich: Hierbei handle es sich nicht um 400 Ausreisepflichtige, sondern um Personen, die einen negativen Erstbescheid erhalten hatten. Hier hätten in vielen Fällen aber noch die Verwaltungsgerichte über den endgültigen Status zu entscheiden. Und die seien dieser Tage ob der hohen Zahl von Fällen allein aus dem Jahr 2015 und sogenannter „Altfälle“offensichtlich überlastet.