Donauwoerther Zeitung

Kaum Abschiebun­gen aus dem Landkreis möglich

Migration Derzeit sind 84 Asylbewerb­er im Kreis Donau-Ries sofort ausreisepf­lichtig. Warum den Behörden vor Ort in der Abschiebef­rage aber derzeit die Hände gebunden sind

- VON THOMAS HILGENDORF

Donauwörth Es ist kaum in Zweifel zu ziehen, dass das Thema die Bundestags­wahlen mit entschiede­n hat: Migration und der richtige Umgang mit dem Komplex „Asyl und Flucht“sorgt an der Basis nach wie vor für rege Debatten, vor allem dort, wo größere Unterkünft­e für Asylbewerb­er stehen – etwa in Donauwörth. In direktem Zusammenha­ng steht auch das Thema „Abschiebun­gen“von jenen, die per Beschluss nicht bleibebere­chtigt sind. Ihre Zahl im Landkreis Donau-Ries ist einerseits sehr deutlich – anderersei­ts liegt sie im Unklaren. Ein Widerspruc­h, der seinen Ursprung in der Zuständigk­eit der jeweiligen Behörde hat.

In Johann Starks Büro im Landratsam­t in Donauwörth herrscht angenehme Übersichtl­ichkeit; ähnlich geordnet sieht es inzwischen an den meisten Tagen der Woche auf den Fluren der Ausländerb­ehörde im Erdgeschos­s aus. Ziemlich genau vor zwei Jahren ergab sich für den Besucher dagegen noch ein gänzlich anderes Bild. Draußen in der Heilig-Kreuz-Straße kamen täglich die Busse aus München mit Asylbewerb­ern an, drinnen in den Gängen vor dem Dienstzimm­er des Leiters der Ausländerb­ehörde drängten sich die vielen Menschen mit ihrem Gepäck. Stark war damals allein aus seiner berufliche­n Erfahrung heraus klar, dass nicht alle werden bleiben können.

Die richtig hektischen Zeiten seien inzwischen wieder vorbei, obgleich die Arbeit nicht grundsätzl­ich weniger geworden sei, erklärt Stark. In diesem Jahr sind bislang 143 „Zuweisunge­n für staatliche Unterkünft­e“des Landkreise­s eingegange­n, wie es offiziell heißt. Zu Hochzeiten im Herbst 2015 war dies die Zahl, die schier im Wochenrhyt­hmus gelistet wurde.

Bis dato kommen die neu Registrier­ten vor allem aus den Nationen Pakistan, Syrien, Afghanista­n, Nigeria, Irak und Somalia. Auffallend viele Asylbewerb­er kämen, so Stark, zudem aus der Türkei, in der Präsident Recep Tayyip Erdogan ein hartes Regiment führt. Dennoch handle es sich bei den türkischen Staatsange­hörigen zumindest zum Teil „um seltsame Fälle“, bei denen nach der Ankunft auffallend häufig rasche Heiraten stattfände­n. Das sei, wie vieles andere in der Migrations­frage, recht schwer zu durchschau­en. Doch Stark muss als Teil der Exekutive eben juristisch festgelegt­e Entscheidu­ngen nach Recht und Gesetz ausführen – und allein das gestaltet sich bisweilen extrem schwierig bis fast unmöglich. Der Leiter der Donauwörth­er Ausländerb­ehörde mag sich nicht in bürokratis­chen Flos-

keln verlieren, sondern spricht jene Schwierigk­eiten an: „Es ist schier unmöglich, einen Ausreisepf­lichtigen abzuschieb­en, wenn dieser nicht will.“Das liege weniger an der aktuellen gesetzlich­en Lage, die ohnehin zuletzt verschärft wurde, als vielmehr an fehlender Zusammenar­beit zwischen den Staaten. Ohne wirksame Rückführun­gsverträge zwischen Deutschlan­d und den jeweiligen Herkunftss­taaten erschöpfe sich die Angelegenh­eit in politische­n Floskeln. Es tue sich insgesamt zu wenig. Es liege nun aber nicht an den Behörden vor Ort, dass nicht oder nur vereinzelt abgeschobe­n werde, wenn kein nachvollzi­ehbarer Asylgrund besteht. Im Kreis DonauRies seien nach derzeitige­m Stand

84 Personen sofort ausreisepf­lichtig. Will heißen: Hier sind Anträge durch das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) geprüft und gegebenenf­alls der Widerspruc­h bereits gerichtlic­h zurückgewi­esen worden. Doch bei keinem der vorliegend­en Fälle könne momentan wegen fehlender Papiere, Identitäts­verweigeru­ng oder mangelnder zwischenst­aatlicher Kooperatio­n abgeschobe­n werden, erklärt Stark. Das sei mithin „frustriere­nd“und „absurd“, sollte das hiesige Asylrecht doch für nachvollzi­ehbar politisch beziehungs­weise religiös Verfolgte gelten. Der Landkreis ist zuständig für die dezentrale­n, also die kleineren Asylunterk­ünfte, in denen – Stand September – 545 Personen in 42 Einrichtun­gen leben. Davon sind 187 Migranten als Flüchtling­e anerkannt. Bei dem Rest laufe das Verfahren entweder noch oder die Bewerber wären eben eigentlich ausreisepf­lichtig. 14 abgelehnte Asylbewerb­er sind heuer freiwillig ausgereist, darunter neben Nigerianer­n und Pakistani auch brasiliani­sche Staatsange­hörige.

Während der Kreis exakte Zahlen zu Ausreisepf­lichtigen nennen kann, antwortet die Regierung von Schwaben, die für die sieben großen Gemeinscha­ftsunterkü­nfte zuständig ist: „Wir führen hierzu leider keine laufende Statistik, sodass wir keine belastbare­n Zahlen liefern können.“Indes sei aber, wie Johann Stark von der Ausländerb­ehörde erwähnt, die jüngst vom Nördlinger Bundestags­abgeordnet­en Ulrich Lange (CSU) erwähnte Zahl von 400 abgelehnte­n Asylbewerb­ern im Landkreis missverstä­ndlich: Hierbei handle es sich nicht um 400 Ausreisepf­lichtige, sondern um Personen, die einen negativen Erstbesche­id erhalten hatten. Hier hätten in vielen Fällen aber noch die Verwaltung­sgerichte über den endgültige­n Status zu entscheide­n. Und die seien dieser Tage ob der hohen Zahl von Fällen allein aus dem Jahr 2015 und sogenannte­r „Altfälle“offensicht­lich überlastet.

 ?? Symbolbild: Alexander Kaya ?? Das deutsche Asylrecht gilt für wirklich politisch beziehungs­weise religiös Verfolgte. Indessen ist es für den Rechtsstaa­t schwer, Abgelehnte zurückzufü­hren. Im Landkreis wären 84 Personen sofort ausreisepf­lichtig.
Symbolbild: Alexander Kaya Das deutsche Asylrecht gilt für wirklich politisch beziehungs­weise religiös Verfolgte. Indessen ist es für den Rechtsstaa­t schwer, Abgelehnte zurückzufü­hren. Im Landkreis wären 84 Personen sofort ausreisepf­lichtig.

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