Eine Vergewaltigung, die keine war
Justiz Ohnmächtig und mit zerrissenem T-Shirt kommt eine 20-Jährige aus Donauwörth ins Krankenhaus. Sie erhebt schwerwiegende Vorwürfe. Doch ihr Absturz hat einen anderen Grund
Donauwörth/Nördlingen Eine 20-Jährige in Donauwörth wird im Juni ohnmächtig vor der Freilichtbühne gefunden. Als die junge Frau im Krankenwagen wieder zu sich kommt, das zerrissene T-Shirt bemerkt und Schmerzen im Bauch spürt, hat sie einen schlimmen Verdacht: Sie sei vergewaltigt worden. Vier Monate später muss sie sich vor dem Nördlinger Amtsgericht verantworten.
Der Vorwurf: Vortäuschung einer Straftat. Denn nachdem das vermeintliche Opfer in die DonauRies-Klinik eingeliefert worden war, wurde aufgrund der schwerwiegenden Anschuldigungen die Kriminalpolizei in Dillingen alarmiert. Gegenüber dieser gab die Donauwörtherin zu Protokoll: Sie wollte vor der Freilichtbühne ihre Freundin treffen, plötzlich habe sie Stimmen gehört und einen Faustschlag gegen die Schläfe abbekommen. Diese Aussage wiederholte sie auch einige Stunden nach dem Zwischenfall.
Während der Ermittlungen kontrollierte die Kripo das Handy der 20-Jährigen. Dort fanden sie eine Nachricht an die ominöse Freundin, dass diese dem vermeintlichen Opfer ein Alibi verschaffen solle. Die Polizei zweifelte deshalb an der Geschichte der jungen Frau. Schließlich gab sie zu, dass sich der Abend ganz anders abgespielt hatte.
Im Gerichtssaal zeigte sich die Angeklagte einsichtig: „Es war dumm von mir. Ich weiß nicht, weshalb ich nicht von Anfang an die Wahrheit gesagt habe.“Irgendwann habe sie sich zu sehr im Lügenkonstrukt verstrickt. Denn ihre Ohnmacht hatte in Wirklichkeit einen ganz anderen Grund. „Ich habe eine Kräutermischung geraucht. Dann wurde mir schlecht und ich wollte an die frische Luft. Dort wurde mir dann schwarz vor Augen“, sagte die Angeklagte kleinlaut. Das sei das erste Mal gewesen, dass sie in Kontakt mit Drogen gekommen sei.
Auch sonst weist vieles auf eine einmalige Dummheit hin: Die Donauwörtherin hat keine Vorstrafen, wohnt noch bei ihren Eltern und macht derzeit eine Ausbildung im sozialen Bereich. Da die junge Frau keinen konkreten Menschen als Täter bezichtigte, sah Richter Andreas Krug von einer hohen Strafe ab und verurteilte sie zu 16 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Für diese hat die 20-Jährige sechs Wochen Zeit.
Dennoch wollte Krug den Vorfall nicht als Bagatelle ansehen: „Ihnen muss klar sein, dass das eine Straftat war. Sie haben zwar nicht – wie leider viele andere – eine konkrete Person beschuldigt, aber wegen Ihnen musste die Polizei zu Unrecht ermitteln.“