CSU: Eine Partei auf Selbstfindungskurs
Die CSU hat auch im Landkreis Donau-Ries herbe Verluste erlitten. Die Basis verlangt eine Rückkehr zu ihren traditionellen Werten. Eine Bestandsaufnahme in Harburg
Die CSU hat auch im Landkreis herbe Verluste erlitten. Die Basis verlangt eine Rückkehr zu traditionellen Werten.
Harburg Die Luft steht im Versammlungsraum der Gaststätte Eisbrunn. Gut und gerne 250 Menschen drängen sich hier an den Tischen. Proppenvoll ist die Wirtschaft, in der sich Barbara Stamm für einen „Themenabend“der Harburger CSU angekündigt hat. Die Kapelle spielt auf, man bekennt selbstbewusst Farbe. Die Präsidentin des Bayerischen Landtags weiß, dass die versammelte Parteibasis nach den herben Verlusten der Christsozialen bei den Bundestagswahlen Redebedarf hat. Es soll fortan genauer hingehört werden.
Der Druck und auch die Kritik „von unten“sind da, das wird hier rasch klar, wenn man den Stimmen an den Tischen lauscht. Die CSU im Landkreis Donau-Ries muss eine schmerzliche Schlappe aufarbeiten, doch eigentlich hat sie kaum Zeit dafür – die Landtagswahlen stehen vor der Tür. Und vorher gilt es vor allem, das wird am Montagabend in Harburg deutlich, sich wieder selbst zu finden. Der Diskussionsabend des CSU gerät recht lange, was aber absehbar war, soll doch hier Wahlund Parteivolk gehört werden. Das, was wohl die Grundforderung der meisten in Eisbrunn Versammelten und der Wortführer an die CSUSpitze ist, ließe sich derweil mit einer Parole des Erasmus von Rotterdam zusammenfassen: „Ad fontes“– also zurück „zu den Quellen“der Partei. Will heißen: Das christlichkonservative Profil schärfen und nicht ständig dem eher städtischen Zeitgeist huldigen. Zudem: Orientierung am ländlichen Raum, wo die Partei seit jeher den höchsten Zuspruch hat. Stamm referiert zwar eigentlich über „Politik früher und heute – Herausforderungen für unsere Demokratie“, doch es wird schnell klar, dass es ums Grundsätzliches geht. CSU-Vertreter aus den hiesigen Ortsverbänden nehmen in ihren Wortmeldungen denn auch kein Blatt vor den Mund, indem sie von den oft negativen Erfahrungen an den Wahlkampfständen berichten. Integration und Migration, das seien für viele Wähler die gewichtigen Themen gewesen.
Und hier sei den Christsozialen der Spagat zwischen eher konservativem CSU-Programm und eher liberaler Kanzlerin am Schluss nicht mehr gelungen. Die Landtagspräsidentin nimmt die Einwände an, notiert fleißig, erklärt aber auch, dass in einer Volkspartei immer ver- schiedene Meinungen und Pole unter einen Hut gebracht werden müssten. „Da tut sich die FDP leichter“konstatiert sie: „Die bedienen nur eine bestimmte Wählergruppe. Wir wollen für alle da sein, vor allem für die kleinen Leute.“
Und hier müssten die Wertkonservativen auf dem Land wieder mitgenommen werden, die sich zuletzt etwas heimatlos fühlten in der Union, angesichts weitreichender gesellschaftlicher Entscheidungen wie dem Aussetzen der Wehrpflicht, Grenzöffnungen und der sogenannten „Ehe für alle“. Die Integration von Migranten wollen einige Parteimitglieder nicht bloß als Begriff stehen lassen, den man – wie es Stamm ausdrückt – unbedingt auch „einfordernd“angehen müsse. Julian Bumberger von der Jungen Union (JU) Bäumenheim konfrontiert den prominenten Gast mit persönlichen Erfahrungen vor Ort: „Wo hat denn die Integration bis heute geklappt?“Er argumentiert, dass sich beispielsweise kaum Kinder und Enkel türkischer Gastarbeiter in den hiesigen traditionellen Vereinen und Feuerwehren fänden. Doch diese Betrachtung ist nicht einhellig. Gottfried Hänsel, CSU-Vorsitzender aus Wemding, meint dagegen im Anschluss: „Adenauer hat die Gastarbeiter doch einst geholt. Wir leben seit Jahrzehnten zusammen in Wemding und hatten nie nennenswerte Probleme.“Er fügt hinzu, dass die CSU eine christlich-konservative Partei sei – dies müsse aber auch offen und bekennend so artikuliert und gelebt werden. Applaus brandet auf, als Barbara Stamm erklärt, was für sie Leitkultur bedeutet: „Wenn ich heute im Eingangsbereich des Landtags das Kreuz sehe, dann möchte ich, dass es auch in Zukunft noch dort hängt.“
Es sind aber auch die regionalen und lokalen Themen, die hier bewegen. Und man spürt das, was gemeinhin unter innerparteilicher Opposition firmiert. Marxheims Bürgermeister Alois Schiegg ist wie Stamm CSU-Mitglied. Man muss das erwähnen, denn CSU ist eben nicht gleich CSU – vor allem im Hinblick auf Großprojekte zur Infrastruktur, zum Hochwasser- und Naturschutz sind die Meinungen an der Basis oftmals gänzlich andere als die der Staatsregierung. Schiegg spricht sich vehement gegen die Planungen eines Nationalparks DonauAuen zwischen der Lechmündung bei Marxheim und Ingolstadt aus. Die Kommunen würden, wie auch in der Debatte um zu errichtende Flutpolder an der Donau, letztlich zu wenig beachtet. Stamm hört geduldig zu und gibt Schiegg insofern recht, dass sich alle Beteiligten öfter zusammensetzen müssten, um das zu erörtern, womit alle Seiten leben könnten. Aber auch hier gelte, wie es später auch der Donauwörther Landtagsabgeordnete Wolfgang Fackler bekräftigt: „Wir sind eine Volkspartei, in der es mehrere Meinungen zu den Themen gibt.“Eine Linie sei erstrebenswert, aber erfordere eben auch Ausdauer.
Der Name AfD soll an diesem Abend „nur einmal“ausgesprochen werden, wie Stamm sagt. An den Tischen mag man sich jedoch nicht daran halten. Der Konkurrent lastet schwer auf der Partei. Der Wahlkampf indes ist eröffnet, für die CSU geht es um viel. Man will hinhören, da sein, etwa mehr Bürgerversammlungen veranstalten. Die kleinen Leute, darin ist man sich in Eisbrunn einig, sie müsse die CSU nun zurückholen.