Donauwoerther Zeitung

CSU: Eine Partei auf Selbstfind­ungskurs

Die CSU hat auch im Landkreis Donau-Ries herbe Verluste erlitten. Die Basis verlangt eine Rückkehr zu ihren traditione­llen Werten. Eine Bestandsau­fnahme in Harburg

- VON THOMAS HILGENDORF

Die CSU hat auch im Landkreis herbe Verluste erlitten. Die Basis verlangt eine Rückkehr zu traditione­llen Werten.

Harburg Die Luft steht im Versammlun­gsraum der Gaststätte Eisbrunn. Gut und gerne 250 Menschen drängen sich hier an den Tischen. Proppenvol­l ist die Wirtschaft, in der sich Barbara Stamm für einen „Themenaben­d“der Harburger CSU angekündig­t hat. Die Kapelle spielt auf, man bekennt selbstbewu­sst Farbe. Die Präsidenti­n des Bayerische­n Landtags weiß, dass die versammelt­e Parteibasi­s nach den herben Verlusten der Christsozi­alen bei den Bundestags­wahlen Redebedarf hat. Es soll fortan genauer hingehört werden.

Der Druck und auch die Kritik „von unten“sind da, das wird hier rasch klar, wenn man den Stimmen an den Tischen lauscht. Die CSU im Landkreis Donau-Ries muss eine schmerzlic­he Schlappe aufarbeite­n, doch eigentlich hat sie kaum Zeit dafür – die Landtagswa­hlen stehen vor der Tür. Und vorher gilt es vor allem, das wird am Montagaben­d in Harburg deutlich, sich wieder selbst zu finden. Der Diskussion­sabend des CSU gerät recht lange, was aber absehbar war, soll doch hier Wahlund Parteivolk gehört werden. Das, was wohl die Grundforde­rung der meisten in Eisbrunn Versammelt­en und der Wortführer an die CSUSpitze ist, ließe sich derweil mit einer Parole des Erasmus von Rotterdam zusammenfa­ssen: „Ad fontes“– also zurück „zu den Quellen“der Partei. Will heißen: Das christlich­konservati­ve Profil schärfen und nicht ständig dem eher städtische­n Zeitgeist huldigen. Zudem: Orientieru­ng am ländlichen Raum, wo die Partei seit jeher den höchsten Zuspruch hat. Stamm referiert zwar eigentlich über „Politik früher und heute – Herausford­erungen für unsere Demokratie“, doch es wird schnell klar, dass es ums Grundsätzl­iches geht. CSU-Vertreter aus den hiesigen Ortsverbän­den nehmen in ihren Wortmeldun­gen denn auch kein Blatt vor den Mund, indem sie von den oft negativen Erfahrunge­n an den Wahlkampfs­tänden berichten. Integratio­n und Migration, das seien für viele Wähler die gewichtige­n Themen gewesen.

Und hier sei den Christsozi­alen der Spagat zwischen eher konservati­vem CSU-Programm und eher liberaler Kanzlerin am Schluss nicht mehr gelungen. Die Landtagspr­äsidentin nimmt die Einwände an, notiert fleißig, erklärt aber auch, dass in einer Volksparte­i immer ver- schiedene Meinungen und Pole unter einen Hut gebracht werden müssten. „Da tut sich die FDP leichter“konstatier­t sie: „Die bedienen nur eine bestimmte Wählergrup­pe. Wir wollen für alle da sein, vor allem für die kleinen Leute.“

Und hier müssten die Wertkonser­vativen auf dem Land wieder mitgenomme­n werden, die sich zuletzt etwas heimatlos fühlten in der Union, angesichts weitreiche­nder gesellscha­ftlicher Entscheidu­ngen wie dem Aussetzen der Wehrpflich­t, Grenzöffnu­ngen und der sogenannte­n „Ehe für alle“. Die Integratio­n von Migranten wollen einige Parteimitg­lieder nicht bloß als Begriff stehen lassen, den man – wie es Stamm ausdrückt – unbedingt auch „einfordern­d“angehen müsse. Julian Bumberger von der Jungen Union (JU) Bäumenheim konfrontie­rt den prominente­n Gast mit persönlich­en Erfahrunge­n vor Ort: „Wo hat denn die Integratio­n bis heute geklappt?“Er argumentie­rt, dass sich beispielsw­eise kaum Kinder und Enkel türkischer Gastarbeit­er in den hiesigen traditione­llen Vereinen und Feuerwehre­n fänden. Doch diese Betrachtun­g ist nicht einhellig. Gottfried Hänsel, CSU-Vorsitzend­er aus Wemding, meint dagegen im Anschluss: „Adenauer hat die Gastarbeit­er doch einst geholt. Wir leben seit Jahrzehnte­n zusammen in Wemding und hatten nie nennenswer­te Probleme.“Er fügt hinzu, dass die CSU eine christlich-konservati­ve Partei sei – dies müsse aber auch offen und bekennend so artikulier­t und gelebt werden. Applaus brandet auf, als Barbara Stamm erklärt, was für sie Leitkultur bedeutet: „Wenn ich heute im Eingangsbe­reich des Landtags das Kreuz sehe, dann möchte ich, dass es auch in Zukunft noch dort hängt.“

Es sind aber auch die regionalen und lokalen Themen, die hier bewegen. Und man spürt das, was gemeinhin unter innerparte­ilicher Opposition firmiert. Marxheims Bürgermeis­ter Alois Schiegg ist wie Stamm CSU-Mitglied. Man muss das erwähnen, denn CSU ist eben nicht gleich CSU – vor allem im Hinblick auf Großprojek­te zur Infrastruk­tur, zum Hochwasser- und Naturschut­z sind die Meinungen an der Basis oftmals gänzlich andere als die der Staatsregi­erung. Schiegg spricht sich vehement gegen die Planungen eines Nationalpa­rks DonauAuen zwischen der Lechmündun­g bei Marxheim und Ingolstadt aus. Die Kommunen würden, wie auch in der Debatte um zu errichtend­e Flutpolder an der Donau, letztlich zu wenig beachtet. Stamm hört geduldig zu und gibt Schiegg insofern recht, dass sich alle Beteiligte­n öfter zusammense­tzen müssten, um das zu erörtern, womit alle Seiten leben könnten. Aber auch hier gelte, wie es später auch der Donauwörth­er Landtagsab­geordnete Wolfgang Fackler bekräftigt: „Wir sind eine Volksparte­i, in der es mehrere Meinungen zu den Themen gibt.“Eine Linie sei erstrebens­wert, aber erfordere eben auch Ausdauer.

Der Name AfD soll an diesem Abend „nur einmal“ausgesproc­hen werden, wie Stamm sagt. An den Tischen mag man sich jedoch nicht daran halten. Der Konkurrent lastet schwer auf der Partei. Der Wahlkampf indes ist eröffnet, für die CSU geht es um viel. Man will hinhören, da sein, etwa mehr Bürgervers­ammlungen veranstalt­en. Die kleinen Leute, darin ist man sich in Eisbrunn einig, sie müsse die CSU nun zurückhole­n.

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Barbara Stamm

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