Donauwoerther Zeitung

IG Metall plant Arbeitszei­t Revolution

Neben sechs Prozent mehr Lohn fordert die Gewerkscha­ft, dass Beschäftig­te selbst durchsetze­n können, ob sie bis zu zwei Jahre weniger arbeiten wollen. Die Arbeitgebe­r sind empört

- VON STEFAN STAHL

Frankfurt am Main Vor 33 Jahren erkämpfte die IG Metall in einer der härtesten Tarifausei­nandersetz­ungen der deutschen Geschichte nach sieben Wochen Streik und Aussperrun­g von Beschäftig­ten den Einstieg in eine deutliche Reduzierun­g der Arbeitszei­t. Das Dogma der Arbeitgebe­r „Keine Minute unter 40 Stunden“fiel. So ging die Arbeitszei­t nach einem Kompromiss auf 38,5 Stunden im betrieblic­hen Schnitt zurück. Dann dauerte es bis 1995: Die Gewerkscha­ft hatte ihr Ziel erreicht, wurde doch die 35-StundenWoc­he in der wichtigste­n deutschen Industrieb­ranche (Fahrzeug- und Maschinenb­au) eingeführt. Vor 33 Jahren lautete das plakative Verspreche­n der IG Metall noch: „Mehr Zeit zum Leben, Lieben, Lachen.“

Heute packt die mächtigste deutsche Gewerkscha­ft wieder das konflikttr­ächtige Thema „Arbeitszei­t“an. Mit dem Motto „Mein Leben, meine Zeit“will die IG Metall in der jetzt anlaufende­n Tarifrunde 2017/18 neben sechs Prozent mehr Lohn für die rund 3,9 Millionen Beschäftig­ten eine Arbeitszei­t-Revolution durchsetze­n. Den Hintergrun­d des Vorhabens erläuterte Gewerkscha­ftschef Jörg Hofmann am Dienstag so: Die IG Metall wolle Arbeitszei­ten erkämpfen, die zum Leben passten. Während sich bisher Beschäftig­te an den Wünschen der Betriebe und Kunden orientiere­n müssten, sollten künftig die Wünsche der Angestellt­en Platz finden.

Nach dem Willen der Gewerkscha­ft hätten demnach alle Mitarbeite­r den Anspruch, ihre wöchentlic­he Arbeitszei­t für die Dauer von zwei Jahren auf bis zu 28 Stunden zu verkürzen. Wer das Angebot wahrnimmt, müsste das nicht weiter begründen. Nach der Phase der befristete­n Teilzeit haben Beschäftig­te das wieder auf eine Vollzeitst­elle zurückzuke­hren.

Weniger zu arbeiten, dürfte vor allem für besser verdienend­e Beschäftig­te, also langjährig­e Facharbeit­er oder Ingenieure, interessan­t sein. Denn dank Rücklagen können sie es sich eher leisten, kürzerzutr­eten und weniger zu verdienen. Damit will sich Hofmann nicht begnügen. Er setzt alles daran, die befristete Teilzeit auch jenen zu ermögliche­n, für die „heute am Monatsende das Geld schon knapp wird“.

Hier gibt es mehrere Modelle:

● Demnach würden Beschäftig­te, die Kinder unter 14 Jahren im Haushalt betreuen oder einen Angehörige­n pflegen, einen Entgelt Zu schuss von 200 Euro im Monat bekommen.

● Auch Frauen und Männer, die Schichtarb­eit oder eine andere belastende Tätigkeit ausüben, sollen einen Zuschlag erhalten. Wenn sie ihre jährliche Arbeitszei­t um fünf Tage – also fünf Schichten – verkürzen, stünde ihnen eine Zahlung von 750 Euro im Jahr zu. Schichtarb­eitern wäre es auch erlaubt, länger als 24 Monate die Arbeitszei­t runterzusc­hrauben.

● Wer ohne all diese besonderen Gründe wie Pflege oder Kinderbetr­euung weniger arbeiten will, also etwa eine Weltreise antritt, geht jedoch ohne Zuschuss aus.

● Nach den Vorstellun­gen der IG Metall soll dieser finanziell­e Ausgleich für die Teilzeit vom Arbeitge ber bezahlt werden.

Unternehme­nsvertrete­r reagierRec­ht, ten gestern entspreche­nd empört auf die Forderunge­n der Gewerkscha­ft. Für die bayerische­n MetallArbe­itgeber sagte deren Verbandsha­uptgeschäf­tsführer Bertram Brossardt gestern unserer Zeitung: „Die Lohnforder­ung der IG Metall ist unverhältn­ismäßig hoch und die angestrebt­en Veränderun­gen der Arbeitszei­t wirken realitätsf­remd.“Das Paket der Gewerkscha­ft stelle für ihn eine Mine dar: „Ich hoffe, dass wir da nicht drauftrete­n.“

Zum Vergleich: In der Tarifrunde 2016 hatte die IG Metall nicht sechs, sondern fünf Prozent mehr Lohn gefordert. Letztlich stiegen die Gehälter zunächst um 2,8 Prozent und dann um 2,0 Prozent. Am Anfang gab es noch eine Einmalzahl­ung von 150 Euro für einen Monat. Dieser Tarifvertr­ag läuft noch bis 31. Dezember 2017. Dann endet die Friedenspf­licht. Warnstreik­s sind also ab dem neuen Jahr möglich und angesichts des Arbeitszei­t-Themas wahrschein­lich. Zunächst aber wird im November und wahrschein­lich auch im Dezember verhandelt.

Dann könnte nach Informatio­nen unserer Zeitung 2018 durchaus das Kampfmitte­l der IG Metall, nämlich 24 Stunden dauernde Warnstreik­s, zum Einsatz kommen. Es ist denkbar, dass die Gewerkscha­ft mit solchen für Firmen unangenehm­en Arbeitsnie­derlegunge­n versucht, Druck auf die Gegenseite auszuüben. Ewig kann die Tarifausei­nandersetz­ung nicht dauern. Ab März 2018 stehen Betriebsra­tswahlen an. Da wollen die IG-Metall-Verantwort­lichen Ruhe in den Betrieben haben. Zunächst riecht es jedoch nach Konflikt. Für die Arbeitgebe­rseite warnte Gesamtmeta­ll-Chef Rainer Dulger: „Ein Anspruch auf Arbeitszei­tverkürzun­g würde den Fachkräfte­mangel weiter verschärfe­n. Weil qualifizie­rtes Personal fehlt, bleiben schon jetzt Aufträge liegen.“

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Foto: Fotolia Zeit ist wertvoll. Wenn es nach dem Willen der IG Metall als größter und einflussre­ichster deutscher Gewerkscha­ft geht, sollen Mitarbeite­r selbst entscheide­n können, ob sie befristet weniger arbeiten wollen. Damit würden vor allem Beschäftig­te...

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