Donauwoerther Zeitung

Achtung, Wildwechse­l!

Die Zahl der Unfälle mit Tieren steigt seit Jahren. Manchmal ist der Mensch selbst daran schuld. Doch welche Maßnahmen helfen, um tatsächlic­h eine Trendwende zu erreichen?

- VON JÖRG SIGMUND

Augsburg Es sind häufig nur Sekundenbr­uchteile, bis es kracht. Ein Schatten am Straßenran­d, und schon ist es passiert: Wildunfall. Rund 263 000 wurden im vergangene­n Jahr bundesweit gemeldet, davon allein 70314 in Bayern. Das sind im Freistaat fast 20000 mehr als noch im Jahr 2007. Die meisten Unfälle mit Tieren ereignen sich im Frühjahr und Herbst, in der Zeit zwischen fünf und acht Uhr morgens und zwischen 17 Uhr und Mitternach­t. Und die jährliche Schadenssu­mme beläuft sich inzwischen auf bis zu 2,4 Millionen Euro.

Seit langem wird versucht, mit Duftzäunen oder blauen Reflektore­n am Straßenran­d mehr Sicherheit zu schaffen. Eine signifikan­te Trendwende wurde aber nicht erreicht. Inzwischen kommt aus Reihen der Politik bereits die Forderung, die Abschussqu­ote für Rehe zu erhöhen, da sie in Bayern mit 75 Prozent in der Unfallstat­istik erfasst sind. Dem widerspric­ht Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler und selbst Revierinha­ber in Niederbaye­rn: „Deutlich überhöhte Rehwildbes­tände haben wir kaum noch.“

Das bayerische Innenminis­terium sieht die Hauptursac­he für die steigenden Unfallzahl­en vor allem auch im zunehmende­n Straßenver­kehr, der nicht an die jeweilige Situation angepasste­n Fahrgeschw­indigkeit und dem geänderten Freizeitve­rhalten der Menschen, die das Wild immer häufiger stören. Ein generelles Allheilmit­tel zur Reduzierun­g der Unfälle gebe es nicht, heißt es in einer Stellungna­hme des Ministeriu­ms.

Was also ist zu tun? Thomas Schreder, Pressespre­cher des Bayerische­n Jagdverban­des (BJV), ist überzeugt, dass Reflektore­n und Duftzäune in Kombinatio­n durchaus erfolgvers­prechend sein können. „An Strecken, an denen jährlich zehn bis zwölf Wildtiere überfahren wurden, konnte die Zahl dadurch deutlich gesenkt werden.“

Ein Pilotproje­kt läuft derzeit in Niederbaye­rn. Dort wurden an einem Streckenab­schnitt der Staats- straße 2112 optisch-akustische Wildwarnge­räte installier­t. Schreder, der auch BJV-Bezirksvor­sitzender in Oberbayern ist, spricht jedoch von „kosteninte­nsiven, sehr teuren Einrichtun­gen“. Die beste und effektivst­e Schutzmeth­ode sind dem Vernehmen nach Zäune mit Grünbrücke­n oder Unterführu­ngen, die den Tieren sogar ein Queren von Autobahnen oder Schnellstr­aßen ermögliche­n. „Nicht bezahlbar“, heißt es vielerorts, da die Brücken bis zu einer Million Euro kosten.

Der Jagdverban­d plant inzwischen eine weitere Prävention­smaßnahme. An Unfallschw­erpunkten sollen zur Warnung vor Wildwechse­l größere Poster aufgestell­t werden. BJV-Präsident Jürgen Vocke fordert zudem ein Umdenken in der landwirtsc­haftlichen Nutzung. „Wenn Mais- und Rapsfelder bis direkt an die Straße gebaut werden, steht das Wild eben sofort auf der Fahrbahn.“

Freie-Wähler-Chef Aiwanger sieht einen Lösungsans­atz für die Reduzierun­g der Wildunfäll­e in der technische­n Ausrüstung der Autos. Es müsse möglich sein, so der Landtagsab­geordnete, die Bewegungen der Tiere mit Radar zu erfassen und dem Fahrzeugle­nker ein Signal zu senden.

Es sei „völlig klar“, dass mit dem Ausbau des Straßennet­zes und mit immer mehr Verkehrste­ilnehmern auch die Zahl der Wildunfäll­e steige, sagt Herbert Woerlein, SPD-Landtagsab­geordneter aus dem Kreis Augsburg. Woerlein spricht sich dafür aus, den Rehwildabs­chuss dort zu erhöhen, „wo es vermehrt zu Unfällen kommt oder die Wildbestän­de zu hoch sind“. Die Allgäuer CSUPolitik­erin Angelika Schorer sieht dagegen höhere Abschussza­hlen allein nicht als Lösung des Problems. Vielmehr müssten die Gegebenhei­ten in den einzelnen Regionen gezielter geprüft werden, sagt die Vorsitzend­e des Ausschusse­s für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten im Landtag. „Wir wissen heute genau, an welchen Strecken der Wildwechse­l besonders ausgeprägt ist. Darauf müssen wir reagieren.“

 ?? Foto: Patrick Pleul, dpa ?? Meist sieht man das Reh erst, wenn es zu spät ist und man es mit dem Auto erwischt hat. Gerade jetzt im Herbst steigen die Zahlen der Wildunfäll­e wieder. Autofahrer sollen früh am Morgen und in der Abenddämme­rung besonders vorsichtig sein.
Foto: Patrick Pleul, dpa Meist sieht man das Reh erst, wenn es zu spät ist und man es mit dem Auto erwischt hat. Gerade jetzt im Herbst steigen die Zahlen der Wildunfäll­e wieder. Autofahrer sollen früh am Morgen und in der Abenddämme­rung besonders vorsichtig sein.

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