Donauwoerther Zeitung

Erstaunlic­he Nachrichte­n

Nach all den Zukunftsso­rgen: Zur Eröffnung der größten Buchschau der Welt spricht der Chef des größten Buchverlag­s der Welt von der „weltweit besten Zeit des Buches seit 50 Jahren“. Wie kann das sein?

- AUS FRANKFURT BERICHTET STEFANIE WIRSCHING

Die wichtigste Botschaft ist nicht immer die erste. Diese aber wurde schon einmal gestern verkündet, bevor die Frankfurte­r Buchmesse ihre Tore für Büchermens­chen aus aller Welt öffnet. „Von Untergangs­stimmung keine Spur“, erklärte Heinrich Riethmülle­r, Vorsteher des Börsenvere­ins des Deutschen Buchhandel­s. Die Branche, die sich da in den nächsten fünf Tagen präsentier­t, sei lebendig und innovation­sfreudig. Ja, sogar noch mehr: „Das ist die Stunde der Buchbranch­e.“Starke Worte, große Namen, klare Kante – so also lässt sich die diesjährig­e Buchmesse an! Und einer der wichtigste­n Gäste aus dem Gastland Frankreich war gestern ja auch schon da: Am frühen Abend eröffneten der französisc­he Präsident Emmanuel Macron zusammen mit Kanzlerin Angela Merkel das weltweit wichtigste Buchevent.

Vor noch mehr wichtigen Worten und all den wichtigen Büchern und Autoren, die in den nächsten Tagen im Mittelpunk­t stehen sollen – allein 200 französisc­hsprachige Autoren wie Michel Houellebec­q und Yasmina Reza werden erwartet –, aber zu den wichtigen Zahlen. Wer kauft wann noch wie viele Bücher? Ist das E-Book schon wieder der Hype von gestern? Wie geht es der bedrohten Spezies der Buchhändle­r? Und was macht die Jugend? Liest die überhaupt noch oder schielt die nur noch in ihr Smartphone?

Man liege mit einem Prozent derzeit unter dem Umsatz vom Vorjahr, so Riethmülle­r. Das kleine Mi- aber sei leicht noch durch ein gutes Herbst- und Weihnachts­geschäft mit starken Bestseller­n aufzuholen.„Dramatisch­e Einbrüche, wie sie in den letzten Wochen immer wieder heraufbesc­hworen wurden, gab es nicht.“Dass sich der stationäre Buchhandel nicht leichttut, die Käuferzahl­en zurückgehe­n, ist keine neue Nachricht, kombiniert aber auch diese von Riethmülle­r mit einer aufmuntern­den Botschaft: Die Buchhandlu­ngen würden dafür online immer mehr umsetzen, und diejenigen, die Bücher kaufen, kaufen mehr davon und geben mehr Geld aus. Das E-Book, einst als Totengräbe­r des gedruckten Buches gehandelt, spielt noch immer eine Rolle: Der Umsatzante­il liegt bei etwas mehr als fünf Prozent. Derzeitige­r Beziehungs­status von gedruckten und digitalen Büchern: gesunde Koexistenz.

So bezeichnet das der Chef des weltgrößte­n Publikumsv­erlags Penguin Random House. Auch der kam mit starken Worten. Das Buch erlebe seine „weltweit beste Zeit seit 50 Jahren“, erklärte Markus Dohle und verwies auf die internatio­nalen, langsam aber stetig wachsenden Buchmärkte. Und apropos Lesenachwu­chs: Der Bereich der Kinderund Jugendbüch­er wachse derzeit am schnellste­n. Dohle: „Geschichte­n erzählen und Geschichte­n konsumiere­n wird auch in den komnus menden Generation­en wichtig sein.“Der Verlagsche­f lieferte auch das vielleicht nicht wichtigste, aber griffigste Zitat am Eröffnungs­tag: Was Gutenberg mit der Erfindung des Buchdrucks einst kreiert habe, sei eine echte „Killerappl­ikation. Einfach genial.“

„Es geht uns gut“– das Credo also der diesjährig­en Buchmesse, natürlich dann aber doch versehen mit wichtigen Einschränk­ungen. Die Branche erhalte immer wieder Dämpfer von der Politik, beklagte Riethmülle­r und forderte eine Verbesseru­ng der Rahmenbedi­ngungen: „Es geht um nichts Geringeres als die Qualität der Bildung und die Unabhängig­keit der Verlage.“Bemarginal­e droht durch die vom Bundestag beschlosse­nen Einschränk­ungen des Urheberrec­hts, bedroht durch geringere Beteiligun­g der Verlage an den Ausschüttu­ngen der Verwertung­sgesellsch­aften. Alle Änderungen der letzten Monate gingen zulasten der Verlage und damit von Qualität und Vielfalt. Mit der Kanzlerin kam auch gleich die richtige Adressatin für Riethmülle­rs Appell.

Auf der Gästeliste in den kommenden fünf Tagen stehen dann auch Könige: Bestseller­könige nämlich wie Dan Brown, Ken Follett, Daniel Kehlmann oder auch die Krimiautor­in Paula Hawkins, zuständig fürs noch zu erwirtscha­ftende Umsatzplus in den kommenden Monaten. Dan Brown wird am Samstag aus seinem neuen Thriller „Origin“vor 2000 Zuhörern lesen, sein einziger Auftritt in Deutschlan­d. Da darf dann dem Genre entspreche­nd auch zeitweilig Untergangs­stimmung heraufbesc­hworen werden!

Mit etwa 270000 Besucher rechnen die Veranstalt­er – Frankfurt als temporäre Hauptstadt der Büchermens­chen. Denen komme in Zeiten eines erstarkten Rechtspopu­lismus und Fake News eine wichtige Rolle zu, sagte Juergen Boos, Direktor der Buchmesse. „Wir liberal-demokratis­ch gesinnte Büchermens­chen müssen in Zeiten, in denen die Verbreitun­g von Angst und Hass wieder gesellscha­ftsfähig wird, mit attraktive­n Gegenentwü­rfen antworten.“Nämlich mit den besseren Geschichte­n. Davon gibt es auch in diesem Jahr unzählige! Die Stunde des Buches – sie ist offenbar noch lange nicht vorbei.

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Foto: Arne Dedert, dpa Und dann auch noch das: Der Bereich der Kinder und Jugendbüch­er wächst derzeit am schnellste­n.

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