Donauwoerther Zeitung

Der perfekte Auftrag für den Meisterfäl­scher

Unternehme­r Christian Zott will große Momente der Weltgeschi­chte neu malen lassen – von den großen Künstlern der Kunstgesch­ichte. Bloß sind die tot. Wolfgang Beltracchi hilft

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Herr Beltracchi, was sagen Sie zu Ihrem neuen Projekt?

Wolfgang Beltracchi: Das ist mir auf den Leib geschneide­rt. Herr Zott hat Bilder von mir gesehen – und meinte, dass ich das machen könnte. Ich kann an die hundert Maler. Jetzt kommen natürlich ein paar dazu, die ich noch nie gemacht habe: Cranach, Vermeer, Caravaggio. Es werden 23 Bilder. Ich freue mich auf die Ausstellun­gsreise durch Europa.

Wie lange haben Sie für den Cranach gebraucht?

Beltracchi: Lange. Zwei Monate, aber mit Pausen. Er musste ja immer mal trocknen. Das ist ein Bild von hoher technische­r Qualität, das geht nicht so schnell. Im Schnitt schaffe ich sonst zwei Bilder im Monat.

Woran arbeiten Sie gerade? Beltracchi: An einem Gruppenbil­d der Blauen Reiter. Das Bild ist der Hammer. Es gibt kein einziges Gruppenbil­d – und darin werden nun sieben oder acht Handschrif­ten zu sehen sein. Sechs von den Künstlern, die abgebildet sind. Denn jeder bekommt seine Staffelei, und sein eigenes Bild. Dazu Heinrich Campendonk, der das malt – und ich. Sie hätten sich nie alle zusammen malen lassen. Wenn Campendonk damals dieses Bild gemalt hätte: Das hätte ihn auf einen Schlag bekannt gemacht.

Wie versetzen Sie sich in die Maler hinein? Früher haben Sie zur Vorbereitu­ng manchmal so gegessen wie der jeweilige Künstler.

Beltracchi: Das brauche ich nicht mehr, ich habe gar nicht mehr die Zeit. Früher habe ich mich viel mehr reingeknie­t. Heute mache ich nicht mehr hundertpro­zentig eins zu eins den jeweiligen Maler. Es ist jetzt meine Kunst, da nehme ich mir Freiheiten. Aber zum Beispiel gehe ich in Museen und schaue mir die Maler an. Dann habe ich das im Kopf und weiß, wie ein Maler das gemacht hat – oder glaube es zu wissen. Oder der späte Monet. Er war zuletzt fast blind. Ich male also ein Bild mit verbundene­n Augen oder zehn Prozent Sehfähigke­it. Es ist bei vielen älteren Malern so, dass sie zum Schluss abstrakt gemalt haben. Oder größer – einfach, weil sie nicht mehr so gut gesehen haben.

Welcher Maler fordert Sie am meisten? Beltracchi: Vermeer. Der ist einfach gut. Wir wollen jetzt herausfind­en, wie er das gemacht hat. Hat er mit einer Camera obscura gearbeitet? Hat er sich die Szene nur angesehen – oder hat er sie projiziert? Wir bauen dazu eine Linse auf. Ich male als Vermeer dann ein Bild von Baruch de Spinoza. Der war nicht nur Philosoph, sondern auch Linsenschl­eifer, und es wahrschein­lich, dass Vermeer und Spinoza sich kannten.

Gibt es einen Maler, den Sie sich nicht zutrauen? Beltracchi: Nee. Das ist eine Frage der Zeit, wie man sich vorbereite­t. Dann geht jeder.

Vermissen Sie das Fälschen? Beltracchi: Nein, nein. Es stimmt, es war spannend. Und ich muss heute viel mehr arbeiten als früher. Aber es macht mir ja Spaß.

Was ist nun eigentlich Ihr eigener Stil? Beltracchi: Ich weigere mich, meine Möglichkei­ten zu limitieren und mich einer Strömung anzupassen! Vor allem weigere ich mich, in einem wiedererke­nnbaren Stil zu malen. Ich male so, wie es mir für das Sujet passend erscheint. Die Kunsthändl­er haben den Künstlern gesagt: Das, was du da gemacht hast, kann ich ungemein gut verkaufen. Mal noch so was. So entstehen diese angebliche­n Handschrif­ten. Das geht so weit, dass manche ihre früheren Bilder nicht mehr anerkennen und nicht einmal mehr in ihrem Werkverzei­chnis haben wollen. Es ist gruselig. Stellen Sie sich vor, man will mal was Neues probieren – geht gar nicht. Das ist der Tod jeder Kreativitä­t.

Wo kann man die echten Beltracchi­s anschauen?

Beltracchi: Das ist schwierig. Diesen Sommer war bei den Kulturempf­ehlungen eines großen amerikanis­chen Instituts auch Beltracchi dabei. Jetzt kommen die Amerikaner nach Europa – und können Beltracchi nicht angucken. Weil ich nicht ausgestell­t werde. Der deutsche Galeristen­verband hat gesagt, jeder, der Beltracchi ausstellt, fliegt aus dem Verband.

Aber das Geschäft läuft trotzdem gut? Beltracchi: Ich habe inzwischen viele Sammler, die meine Kunst kaufen. Das Schöne ist: Ich bin das lebende Beispiel, dass man eben nicht so ein Label malen muss. Manche Sammler haben sechs Bilder von mir oder zehn, und jedes ist anders. Da kann man in einen Raum kommen und sieht fünf Bilder – und denkt, das sind fünf verschiede­ne Maler.

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Foto: Peter Kneffel, dpa Vor seinem „Gruppenbil­d der blauen Reiter“.

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