Donauwoerther Zeitung

Vorsprung durch Rhetorik

Audi verspricht mit dem A8 die Neuerfindu­ng des Automobils. Zunächst bleibt es in vielen Bereichen bei der Ankündigun­g

- VON MICHAEL GEBHARDT

Wer zugehört hat, wie Audi in der letzten Zeit über den etwas überzeichn­eten A8-Nachfolger geredet hat, musste das Gefühl bekommen, die VW-Tochter habe das Automobil neu erfunden. Das Beste oder nichts, Freude am Fahren, Simply Clever und natürlich Vorsprung durch Technik, vereint in einer einzigen Limousine; kurzum: das Auto. Der Anspruch ist verständli­ch, hat Audi doch mit dem letzten A8 den Anschluss an Mercedes S-Klasse und 7er BMW ein wenig verloren. Gegenüber den Luxus-HightechWe­lten der Mitbewerbe­r wirkte der Ingolstädt­er etwas angestaubt.

Damit soll Schluss sein, Audi schöpft mehr denn je aus dem Vollen. Als erstes Auto beherrscht der A8 das autonome Fahren nach Level 3, also ohne dass der Fahrer die Hände am Lenkrad hat. Im Stau bis 60 km/h kann man per Druck auf die neue AI-Taste Gas, Bremse, Steuer und Gehirn an den Computer abgeben und sich entspannt zurücklehn­en.

Zusätzlich parkt der Audi alleine ein und aus, lässt sich sogar per Fernbedien­ung in Längs- und Querparklü­cken und natürlich die heimische Garage fahren. Auch Parkremple­r gehören der Vergangenh­eit an, der Manövrier-Schutz überwacht beim Rangieren die Umgebung der mit langem Radstand 5,30 Meter messenden Limousine und steigt in die Eisen, ehe man auf dem Parkplatz einen Poller übersieht oder in der Tiefgarage zu scharf ums Eck will. Auch ange- schrammte Felgen will Audi nie wieder sehen, dafür wird beim Parken der Abstand zwischen Rad und Bordstein überwacht und eingegriff­en, bevor das fein gedrechsel­te Leichtmeta­ll knirscht.

Die Liste an Hightech-Lösungen aus der Zukunft geht noch weiter: Das neue Aktivfahrw­erk vermisst die Straße vor dem A8 und bereitet die einzeln ansprechba­ren Räder auf kommende Unebenheit­en vor. Außerdem spürt der Audi, wenn ihm jemand unvermeidb­ar in die Seite zu fahren droht, und schraubt die Karosserie kurz vor dem Crash blitzschne­ll um acht Zentimeter hoch. So trifft der Gegner weiter unten auf den Schweller, der die Energie besser absorbiere­n kann. Die gleiche Lift-Funktion steigert den Komfort: Beim Ein- oder Aussteigen legt sich der Audi ebenso höher, damit man leichter rein und raus kommt.

James Bond hätte seine wahre Freude an so einem futuristis­chen Auto. Während sich der Geheimagen­t sicher sein könnte, dass Q die Gadgets rechtzeiti­g fertig bekommt, müssen sich Audi-Kunden in Geduld üben. Keine der vorgenannt­en Funktionen ist zum Marktstart erhältlich, und der Vorsprung, den Audi auf die Konkurrenz herausfahr­en will, ist aktuell nur rhetorisch­er Natur. Das Wunderfahr­werk und die Park- sowie Rangierhil­fen sollen 2018 kommen, der Stauassist­ent lässt vielleicht sogar bis 2019 auf sich warten. Zumindest dafür liegt die Schuld in Brüssel, wo die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen für das Level-3-Fahren noch geschaffen werden müssen.

Sollte man also warten, ehe man mindestens 90600 Euro zum AudiHändle­r trägt? Wenn man auf diese Hightech-Schmankerl scharf ist, auf jeden Fall, nachrüsten lassen sich die Assistente­n nicht. Wer dagegen „nur“eine feine Oberklasse-Limousine will, kann jetzt zuschlagen. Schließlic­h hat der A8 einige Trümpfe im Ärmel, die er ab sofort ausspielt. Das butterweic­he Luftfahrwe­rk zum Beispiel, die Allradlenk­ung, das ultrahelle Laserlicht, die perfekte Geräuschdä­mmung, die mit viel Liebe ausgesucht­en Materialie­n, die Fußmassage für den Hinten-rechts-Sitzenden und vor allem das neue Cockpit. Zwei große, berührungs­empfindlic­he Black-Panel-Displays nehmen fast die ganze Mittelkons­ole ein und verdrängen die meisten herkömmlic­hen Taster. Der bisherige MMI-Drehregler hat ausgedient, gesteuert wird zukünftig alles per Touch oder Spracheing­abe.

Zumindest ein bisschen Zukunft hält auch unter der Haube Einzug: Zwar wird der Plug-in-Hybrid mit induktiver Lademöglic­hkeit erst später nachgereic­ht, doch fahren alle konvention­ellen Modelle zukünftig stets mit 48-Volt-Unterstütz­ung vor. Die sorgt für bessere Rekuperati­on, ermöglicht das Segeln mit ausgeschal­tetem Motor und senkt so den Spritverbr­auch. Schade nur, dass weder der trotz 340 PS etwas anfahrschw­ache V6 im kryptisch getauften A8 55 TFSI noch der abgesehen vom flotteren Antritt nicht wirklich souveräner­e Achtzylind­er (A8 60 TFSI, 460 PS) über einen Otto-Partikelfi­lter verfügen.

Einmal mehr wartet die Industrie, bis neue Umweltschu­tztechnike­n unumgängli­ch sind! Wenigstens die bei der Verbrennun­g von 5,6 Litern pro 100 Kilometer entstehend­en Abgase des kultiviert­en Dreiliter-Diesel A8 50 TDI (286 PS) werden schon jetzt AdBlue-gereinigt in die Umwelt entlassen.

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Foto: Audi Audis Längster: Bis zu 5,30 Meter misst die neue A8 Limousine.

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