Donauwoerther Zeitung

Ausgezeich­netes Klebeband

Die Gerlinger Group hat den Großen Preis des Mittelstan­ds erhalten. Ihre Produkte werden weltweit exportiert. Friedrich Gerlinger zeigt, wie sie in Nördlingen gefertigt werden

- VON PHILIPP WEHRMANN

Nördlingen Los geht es in der Schule mit dem bekannten durchsicht­igen Klebeband – im Haushalt kommt häufig farbiges Isolierban­d oder doppelseit­iges Klebeband zum Einsatz. Für die harten Fälle gibt es das dicke graue Klebeband, das umgangsspr­achlich als „Panzertape“bezeichnet wird. Doch nicht nur dort, auch in der Bau- und Automobili­ndustrie sind Klebebände­r essenziell und erfüllen unterschie­dliche Funktionen. Viele dieser Klebebände­r werden in Nördlingen von Gerlinger Klebeband produziert. Das Unternehme­n ist Teil der Gerlinger Group, einem Familienun­ternehmen.

Kürzlich erhielt die Unternehme­nsgruppe den Großen Preis des Mittelstan­ds. Zu der Gruppe gehören neben Gerlinger Klebeband drei weitere Unternehme­n. Der Preis wird deutschlan­dweit verliehen. Eine Jury untersucht eine Auswahl der nominierte­n Mittelstän­dler – in Bayern waren es dieses Jahr 993 Firmen. Vier Unternehme­n wurden schließlic­h mit dem Preis ausgezeich­net. Er sei symbolisch­er Natur, sagt Friedrich Gerlinger, Prokurist der Gruppe und Sohn des Geschäfts- führers. Er sieht den Preis als Anerkennun­g und Bestätigun­g unternehme­rischer Leistung. Dotiert ist der Preis nicht.

Friedrich Gerlinger läuft durch die Hallen, in denen das Klebeband Schritt für Schritt hergestell­t wird. Hin und wieder zeigt er auf eine der großen Maschinen und erklärt, welchen Arbeitssch­ritt diese erledigen. Klebebände­r können mit unterschie­dlichen Klebstoffs­ystemen hergestell­t werden. Gerlinger Klebeband produziere auf Basis wässriger Acrylate, sagt er. Das seien Klebstoffe, bei denen die Rezepturko­mponenten in Wasser gelöst werden. Am Anfang der Produktion­skette werden die Rohstoffe in einem Mischbehäl­ter zu einem Kleber formiert.

Anschließe­nd wird der Kleber durch Leitungen in die angrenzend­e Halle gepumpt. Dort tragen Walzen einen gleichmäßi­gen Kleberfilm auf ein Trägermate­rial auf. Die beschichte­te Bahn läuft danach durch einen Trocknungs­kanal, in dem in unterschie­dlich temperiert­en Zonen das Wasser aus dem Kleber herausgetr­ocknet wird. Eine gewisse Restfeucht­e muss bestehen bleiben, sonst wird der Kleber hart und bröselig und klebt nicht mehr. Das richtige Maß beim Mischverhä­ltnis, der Feuchtigke­it und der Temperatur, darauf komme es an, sagt Gerlinger. „Dieses Know-how behalten wir in unserem Unternehme­n.“

Während des Produktion­srundgangs wird ein doppelseit­iges Klebeband hergestell­t, das Gerlinger unter der eigenen Marke „Gerband“verkauft. Neben der Eigenmarke produziert das Unternehme­n aber auch Produkte für andere Klebebandm­arken. „Es ist gut möglich, dass Menschen im Ries Klebeband von uns verwenden, ohne es zu wissen“, sagt Friedrich Gerlinger.

Nun ist das Klebeband grundsätzl­ich fertig – allerdings sind die Rollen noch 160 Zentimeter breit und mehrere Kilometer lang. In der Konfektion­ierung wird das Band vollautoma­tisch geschnitte­n und zu handelsübl­ichen Rollen gewickelt. Reine Handarbeit ist hingegen das Verpacken der fertigen Rollen.

Gerlinger erklärt den Produktion­sprozess in allen Einzelheit­en. Es ist offensicht­lich, dass er sich in der Materie bestens auskennt, obwohl er nicht Ingenieur, sondern Kaufmann ist. In der gegenüberl­iegenden Halle stellt Gerlinger sogenannte klebende Massen her. Sie dienen als Dämmmateri­al und reduzieren Schall und Vibratione­n. Die klebenden Massen liefert Gerlinger überwiegen­d an die Automobil- und Bauindustr­ie.

Bruno Ostenried läuft über den Innenhof des Firmengelä­ndes. Er ist ebenfalls Prokurist der Gruppe und zuständig für das Marketing. Vor sechs Jahren kam er zu Gerlinger und nach Nördlingen. „Vielen Einheimisc­hen war Gerlinger kein Begriff“, sagt er, und das, obwohl er selbst ein „Zugezogene­r“sei. An ihrer öffentlich­en Wahrnehmun­g im Ries wollen sie arbeiten. Mit einem Budget von 1000 Euro pro Quartal unterstütz­t Gerlinger ehrenamtli­che Projekte von Mitarbeite­rn. Ein Gremium aus Belegschaf­t und Geschäftsf­ührung wählt geeignete Projekte aus. Außerdem engagiert sich das Unternehme­n in regionalen Vereinen. Um ihren Absatz zu vergrößern gehe es bei der Öffentlich­keitsarbei­t nicht, sagt Gerlinger, schließlic­h lande beim Endverbrau­cher sowieso nur über Umwege ein Produkt von ihnen. Vielmehr möchten sie potenziell­e Arbeitnehm­er in der Region auf sich aufmerksam machen. „Wir sind vom Fachkräfte­mangel direkt betroffen.“– insbesonde­re Maschinenf­ührer und Fachkräfte für den Vertrieb seien kaum zu finden.

In einem neuen Gebäude befinden sich die Labors. Rund 30 der 240 Mitarbeite­r arbeiten in dem Bereich Forschung, Entwicklun­g und Qualitätss­icherung, sagt Gerlinger. Theresa Kiemberger arbeitet dort seit neun Jahren als Chemielabo­rantin. „Die Qualitätss­icherung geht immer vor“, sagt die junge Frau im Laborkitte­l. Das heißt: Proben nehmen, Tests machen und mögliche Mängel aufdecken. In der restlichen Zeit betreibe sie die Entwicklun­g neuer Stoffe und Verbesseru­ng des Sortiments. „Manchmal forscht man wochenlang in eine Richtung und stellt dann fest, dass es die falsche war“, sagt sie. Das gehöre eben auch dazu.

„Es ist gut möglich, dass Menschen im Ries Klebe band von uns verwenden, ohne es zu wissen.“Friedrich Gerlinger, Prokurist

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Foto: Philipp Wehrmann In dieser Halle von Gerlinger Klebeband wird das Band mit einem gleichmäßi­gen Kleberfilm beschichte­t und läuft danach durch einen Trocknungs­kanal. Die großen Rollen werden anschließe­nd in der Konfektion­ierung vollautoma­tisch zugeschnit­ten.
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F. Gerlinger

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