Donauwoerther Zeitung

Bissingen war auf dem besten Weg zum Kurort

Helmut Herreiner, Chorgemein­schaft Bissingen und Musikverei­n Kesseltal begeistern die Besucher

- VON HORST VON WEITERSHAU­SEN

Bissingen „Was wäre, wenn... sich der Fremdenver­kehr in Bissingen so weiter entwickelt hätte wie in den 1920er-/30er-Jahren?“Diese Frage stellte Helmut Herreiner in dem großen Saal im Bissinger Gasthaus Krone zur Diskussion – nach seinem Vortrag zum Thema „Fremdenver­kehr und Naherholun­g Kesseltal einst und jetzt“.

Die Antwort darauf konnte natürlich niemand geben, doch die Entwicklun­g der Marktgemei­nde Bissingen und des Kesseltals hätte sicherlich auch in Richtung von „Bad Bissingen“gehen können.

Begonnen hatte alles nach den Worten des Bissinger Gemeindear­chivars im Jahr 1845 mit Sebastian Kneipp, der in Dillingen studierte und zur Heilung seiner schweren Lungenerkr­ankung bereits schon damals von den bekannten Quellen aus Bissingen getrunken hatte.

Als dann im Jahr 1905 der Apotheker Max Premauer die heutige Auerquelle entdeckt hatte, habe sich nach dem Ersten Weltkrieg, in dem Soldaten mit dem Wasser der Radium-Quelle zur Vorbeugung von Krankheite­n und Epidemien versorgt worden waren, ab dem Jahr 1923 nach und nach ein Kurbetrieb entwickelt, sodass die Auerquelle ausgebaut und erweitert worden sei. Im Jahr 1937 erfolgte der Neubau eines Kurhauses mit Kurparkanl­age und ärztlicher Begleitung, berichtete Referent Herreiner weiter, und zuvor sei im Jahr 1935 in Nähe der Auerquelle noch ein Schwimmbad eingeweiht worden. Bis zum Kriegsbegi­nn seien in Bissingen beispielsw­eise im Jahr 1939 rund 35 000 Übernachtu­ngen gezählt worden.

Parallel zur Entwicklun­g der Auerquelle sei im Jahr 1926 das Kurhaus Stegemühle der Familie Linder entstanden, in dem sich bis zum Ende der 1990er-Jahre Kurgäste eine Auszeit nehmen, übernachte­n und behandeln lassen konnten.

Natürlich habe die Entwicklun­g von Bissingen in den Zeitgeist der Nationalso­zialisten gepasst, berichtete Herreiner in seinem Vortrag. Doch der Zweite Weltkrieg habe den Bestrebung­en Bissingens auf dem Weg zum Heil- und Kurort ein jähes Ende bereitet. „Nach dem Ende des Krieges, in dem die beiden Kurheime als Lazarette genutzt wurden, gab es zwar nochmals ein Neuauflebe­n des Kurbetrieb­es in den beiden Kurhäusern Auerquelle und Stegmühle, doch aus dem angestrebt­en Prädikat Kurort wurde nichts“, wusste Helmut Herreiner weiter zu berichten. So sei Ende der 1950er-Jahre der Kur- und Verkehrsve­rein neu gegründet worden und im Jahr 1976 verzeichne­te die Gemeinde immerhin noch fast 9000 Übernachtu­ngen. Auch stand weiterhin auf vielen Postkarten­motiven in dieser Zeit, wie in den goldenen Kurbetrieb­sjahren vor dem Krieg, „Grüße aus Bad Bissingen“, obwohl der Ort nie offiziell zum Bad ernannt worden war.

Durch das schwindend­e Gastronomi­eund Übernachtu­ngsangebot habe sich als Folge im Jahre 1987 der Kur- und Verkehrsve­rein aufgelöst und die Gemeinde ab diesem Zeitpunkt auf Naherholun­g gesetzt.

Die Besucher spendeten für diesen im Rahmen der Dillinger Kulturtage gehaltenen Vortrag Beifall und Bürgermeis­ter Michael Holzinger dankte Herreiner für diese Informatio­nen, die sicherlich noch lange diskutiert werden. Den musikalisc­hen Rahmen gestaltete­n die Chorgemein­schaft Bissingen und der Musikverei­n Kesseltal.

 ?? Fotos: Horst von Weitershau­sen ?? Wie auf dieser Postkarte wurde die Marktgemei­nde Bissingen ab den 1920er Jahren bis Mitte der 1970er Jahre auch in Schriftstü­cken, Zeitungen und Anzeigen als „Bad Bissingen“bezeichnet, obwohl die Gemeinde laut Helmut Herreiner niemals den Zusatz...
Fotos: Horst von Weitershau­sen Wie auf dieser Postkarte wurde die Marktgemei­nde Bissingen ab den 1920er Jahren bis Mitte der 1970er Jahre auch in Schriftstü­cken, Zeitungen und Anzeigen als „Bad Bissingen“bezeichnet, obwohl die Gemeinde laut Helmut Herreiner niemals den Zusatz...
 ??  ?? Helmut Herreiner
Helmut Herreiner

Newspapers in German

Newspapers from Germany