Eine Szene im unbestimmten Raum
In der Post in Nördlingen ist eine neue Ausstellung zu sehen. Sie trägt den Titel „Vulgärimpressionismus“
Nördlingen Mit einer Vernissage ist am Freitagabend die neue Ausstellung „Vulgärimpressionismus“des Kunstvereins Nördlingen in der Post eröffnet worden. Vorsitzende Sabine Heilig konnte dazu zahlreiche Gäste begrüßen. Sie bedankte sich bei den Aktiven des Vereins und bei der Stadt, speziell beim Bauhof, für die tatkräftige Mithilfe und Unterstützung bei den Vorarbeiten. Dritte Bürgermeisterin Gudrun Gebert-Löfflad bedankte sich ihrerseits im Namen der Stadt und ihrer Bürger beim Kunstverein und seiner Vorsitzenden für die wertvollen Beiträge zum Nördlinger und Rieser Kulturleben, insbesondere für die immer wieder gebotene Möglichkeit, sich mit zeitgenössischer Kunst auseinanderzusetzen. „Bitte lassen Sie nicht nach“, so lautete ihr Appell.
In ihrem Einführungsvortrag setzte Heilig den Titel der Ausstellung in Bezug zu der Persönlichkeit des Initiators Friedemann Hahn (geboren 1949 in Singen), den sie schon von früheren Wirkungsstätten her kennt und schätzt, der aber aus privaten Gründen bei der Vernissage nicht anwesend war. Mit Motiven aus Filmbüchern und einzelnen Bildern aus Filmen nimmt Hahn sein Publikum mit auf eine „Weltreise durch Filme“, wobei insbesondere die Bezüge zum „Film Noir“und zum Italowestern sowie Hahns Gedichtband „Ein Blutbad und Melancholie“die Widersprüchlichkeit des Lebens aufzeigen, was nach Hahn zum Neologismus „Vulgärimpressionismus“als Charakterisierung seines eigenen Werks führt.
Florian Heinke (geboren 1981 in Frankfurt/Main), der seine Malerei früher mit dem Ausdruck „Black Pop“charakterisierte, bevorzugt neuerdings die Bezeichnung „ideeller Impressionismus“. Er arbeitet ausschließlich mit schwarzer Acrylfarbe auf Nesselstoff und erzeugt grau/schwarze Nuancen ausschließlich durch die Farbmenge und den Pinselstrich – wie die klassischen Impressionisten, aber monochrom. Es sind entgegen dem ersten oberflächlichen Eindruck keine großformatigen Schwarz-Weiß-Fotografien oder Fotomontagen, sondern „durchkomponierte Vexierbilder“mit surrealen Bedeutungswechseln, allerdings in den Bildern „War Loves Us“und „Dazzle“mit einer eindeutigen Anti-Kriegsbotschaft – Kunst als „moralischer Kompass, als Mittel der strategischen Aufklärung, Schlachtruf und Waffe in dem Kampf, den wir gemeinhin Leben nennen...“, wie Heilig die Kunstkritikerin Christina Starck zitierte.
„Aufklärung über Erinnerung“wäre ein gemeinsamer Nenner für das Werk von Amalia Theodorakopoulos (geboren 1971 in Köln, aufübermalten gewachsen in Konstanz und Griechenland, heute lebt sie in Glasgow). Sie reflektiert persönliche Erlebnisse und gesellschaftliche Geschehnisse in chiffrenhafter Bildsprache. Sie ist unter anderem mit drei großformatigen Stücken vertreten, die aus einem unbestimmten Farbraum einzelne Szenen heraustreten lassen, die nach Deutung und Verständnis verlangen. Bezeichnenderweise trägt eines davon den Titel „Großes Theater“. Ihre Aussagen bleiben vage, andeutungsweise, traumhaft, assoziativ.
Nach dem Urteil eines namhaften Kunstkritikers ist „die Kunst im Moment mehr denn jemals zuvor an der Balance interessiert, am Ausgleich, an Wahrnehmung aus anderer Perspektive“, und die Ausstellung „Vulgärimpressionismus“in der alten Post zeigt eindrucksvoll, dass auch in Zeiten der Digitalisierung mit traditionellen Materialien und Techniken auf die Fragen der Zeit authentisch geantwortet werden kann. Mit einem Wort von Richard von Weizsäcker aus dem Jahr 1991 schloss Heilig ihre Eröffnungsrede: „Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder auch streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere innere Überlebensfähigkeit sichert.“
Die Begrüßungs- und Einführungsworte von Bürgermeisterin Gebert-Löfflad und Sabine Heilig wurden musikalisch umrahmt von dem Gitarristen Jens Wachsmann aus Bopfingen, zum Teil aus seiner eigenen Feder, dem das Vernissagepublikum ausgesprochen gern zuhörte.