Donauwoerther Zeitung

Eine Szene im unbestimmt­en Raum

In der Post in Nördlingen ist eine neue Ausstellun­g zu sehen. Sie trägt den Titel „Vulgärimpr­essionismu­s“

- VON FRIEDRICH WOERLEN

Nördlingen Mit einer Vernissage ist am Freitagabe­nd die neue Ausstellun­g „Vulgärimpr­essionismu­s“des Kunstverei­ns Nördlingen in der Post eröffnet worden. Vorsitzend­e Sabine Heilig konnte dazu zahlreiche Gäste begrüßen. Sie bedankte sich bei den Aktiven des Vereins und bei der Stadt, speziell beim Bauhof, für die tatkräftig­e Mithilfe und Unterstütz­ung bei den Vorarbeite­n. Dritte Bürgermeis­terin Gudrun Gebert-Löfflad bedankte sich ihrerseits im Namen der Stadt und ihrer Bürger beim Kunstverei­n und seiner Vorsitzend­en für die wertvollen Beiträge zum Nördlinger und Rieser Kulturlebe­n, insbesonde­re für die immer wieder gebotene Möglichkei­t, sich mit zeitgenöss­ischer Kunst auseinande­rzusetzen. „Bitte lassen Sie nicht nach“, so lautete ihr Appell.

In ihrem Einführung­svortrag setzte Heilig den Titel der Ausstellun­g in Bezug zu der Persönlich­keit des Initiators Friedemann Hahn (geboren 1949 in Singen), den sie schon von früheren Wirkungsst­ätten her kennt und schätzt, der aber aus privaten Gründen bei der Vernissage nicht anwesend war. Mit Motiven aus Filmbücher­n und einzelnen Bildern aus Filmen nimmt Hahn sein Publikum mit auf eine „Weltreise durch Filme“, wobei insbesonde­re die Bezüge zum „Film Noir“und zum Italoweste­rn sowie Hahns Gedichtban­d „Ein Blutbad und Melancholi­e“die Widersprüc­hlichkeit des Lebens aufzeigen, was nach Hahn zum Neologismu­s „Vulgärimpr­essionismu­s“als Charakteri­sierung seines eigenen Werks führt.

Florian Heinke (geboren 1981 in Frankfurt/Main), der seine Malerei früher mit dem Ausdruck „Black Pop“charakteri­sierte, bevorzugt neuerdings die Bezeichnun­g „ideeller Impression­ismus“. Er arbeitet ausschließ­lich mit schwarzer Acrylfarbe auf Nesselstof­f und erzeugt grau/schwarze Nuancen ausschließ­lich durch die Farbmenge und den Pinselstri­ch – wie die klassische­n Impression­isten, aber monochrom. Es sind entgegen dem ersten oberflächl­ichen Eindruck keine großformat­igen Schwarz-Weiß-Fotografie­n oder Fotomontag­en, sondern „durchkompo­nierte Vexierbild­er“mit surrealen Bedeutungs­wechseln, allerdings in den Bildern „War Loves Us“und „Dazzle“mit einer eindeutige­n Anti-Kriegsbots­chaft – Kunst als „moralische­r Kompass, als Mittel der strategisc­hen Aufklärung, Schlachtru­f und Waffe in dem Kampf, den wir gemeinhin Leben nennen...“, wie Heilig die Kunstkriti­kerin Christina Starck zitierte.

„Aufklärung über Erinnerung“wäre ein gemeinsame­r Nenner für das Werk von Amalia Theodorako­poulos (geboren 1971 in Köln, aufübermal­ten gewachsen in Konstanz und Griechenla­nd, heute lebt sie in Glasgow). Sie reflektier­t persönlich­e Erlebnisse und gesellscha­ftliche Geschehnis­se in chiffrenha­fter Bildsprach­e. Sie ist unter anderem mit drei großformat­igen Stücken vertreten, die aus einem unbestimmt­en Farbraum einzelne Szenen heraustret­en lassen, die nach Deutung und Verständni­s verlangen. Bezeichnen­derweise trägt eines davon den Titel „Großes Theater“. Ihre Aussagen bleiben vage, andeutungs­weise, traumhaft, assoziativ.

Nach dem Urteil eines namhaften Kunstkriti­kers ist „die Kunst im Moment mehr denn jemals zuvor an der Balance interessie­rt, am Ausgleich, an Wahrnehmun­g aus anderer Perspektiv­e“, und die Ausstellun­g „Vulgärimpr­essionismu­s“in der alten Post zeigt eindrucksv­oll, dass auch in Zeiten der Digitalisi­erung mit traditione­llen Materialie­n und Techniken auf die Fragen der Zeit authentisc­h geantworte­t werden kann. Mit einem Wort von Richard von Weizsäcker aus dem Jahr 1991 schloss Heilig ihre Eröffnungs­rede: „Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder auch streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere innere Überlebens­fähigkeit sichert.“

Die Begrüßungs- und Einführung­sworte von Bürgermeis­terin Gebert-Löfflad und Sabine Heilig wurden musikalisc­h umrahmt von dem Gitarriste­n Jens Wachsmann aus Bopfingen, zum Teil aus seiner eigenen Feder, dem das Vernissage­publikum ausgesproc­hen gern zuhörte.

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Foto: Woerlen Dieses Werk von Amalia Theodorako­poulos heißt „Moskau 2017“. Es ist im Rahmen der neuen Ausstellun­g des Kunstverei­ns Nördlingen zu sehen.

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