Amüsante Einblicke ins Leben des Ehepaars Luther
Christian Nürnberger und Petra Gerster erschließen den Reformator auf sehr unkonventionelle Weise
Donauwörth Eigentlich ist 20 Uhr nicht ihre Zeit. Sie ist die 19-UhrFrau aus der „heute“-Sendung im
Petra Gersters Gesicht kennt man aus dem Fernsehen, wenn sie mal schlechte, mal bessere Nachrichten aus aller Welt präsentiert. Die Besucher der Donauwörther Kulturtage erlebten die 62-jährige Moderatorin aber ganz anders: an der Seite ihres Mannes, des Publizisten Christian Nürnberger.
Beide wurden mehrfach für ihre Arbeiten ausgezeichnet. Es sei deshalb ein „kritischer Moment“gewesen, schmunzelt Petra Gerster, als sie in Donauwörth die Plakate sahen und darauf nur sie, aber nicht ihr Mann abgebildet war. Überhaupt: Wie das „alte Ehepaar“frotzeln beide unentwegt miteinander. Er macht dabei klar, wer der Chef ist. Manchmal lächelt die Moderatorin über seine Anmerkungen vielsagend hinweg.
Nur vier Jahre hatte Martin Luther benötigt, um so gravierend die Weltgeschichte zu verändern, dass man 500 Jahre danach noch darüber spricht. Doch damit fangen Christian Nürnberger und seine Frau Petra Gerster ihr Buch und auch ihre Lesung zum Reformationsjubiläum nicht an. Das Buch erschließt zunächst die fremde Welt des späten Mittelalters. Als außerhalb der Stadtmauern Räuber, wilde Tiere, Geister, Hexen und Dämonen lauerten. Und als Gewitter und Seuchen noch als Strafen Gottes galten. „Der rebellische Mönch, die entlaufene Nonne und der größte Bestseller aller Zeiten“ist der etwas sperrige Titel des Buchs, aus dem sie lasen. Neugier hatte viele Zuhörer ins Zeughaus gelockt.
Nach einigen Bemerkungen zu ihrer eigenen religiösen Sozialisation – unterhaltsam, witzig und informativ wie auch in all ihren weiteren Ausführungen – zeichnete das AutorenEhepaar, einander abwechselnd, ihr Bild Martin Luthers. Dazu verbanden sie wörtlich aus ihrem Buch vorgelesene Passagen mit ergänzenden Erzählungen, die von der Jugend des Reformators bis zu seinem eigenen Tod und dem seiner Ehefrau reichten. Petra Gerster stellte eine interessante Gegensätzlichkeit des amerikanischen Kontinents dazu: da das katholische Amerika der Latinos, dort der hauptsächlich evangelisch und anglikanisch geprägte Norden.
Luther ist der an Evangelium und Gewissen gebundene Mann. Das Wesentliche hat er mit seinen Bestsellern von 1520 vollbracht („Wer jetzt noch versucht, ihn zu verbrennen, kommt zu spät“), bevor 1521 der Showdown auf dem Reichstag zu Worms bei Nürnberger für Dramatik sorgt: „Wie kriegen wir Luther hier lebend wieder raus?“
Über Martin Luther hat hauptsächlich Nürnberger geschrieben. Sie, sagt Petra Gerster, als „alte Emanze“, habe den Text über die Frau an seiner Seite verfasst und deren unglaublichen Lebensweg skizziert. Sie ist mehr als „die entlaufene Nonne“, die der Titel etwas reißerisch ankündigt. Katharina ist „eine kluge und durchsetzungsstarke Frau“, die ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt, als sie sich heimlich in einer Heringstonne aus dem Kloster stehlen lässt. Fasziniert und bestürzt zugleich lauschten die Besucher Szenen aus dem bewegten Leben des Reformators und seiner Frau Käthe, brillant vorgetragen, enorm kurzweilig. „Wir wissen wenig über sie“, informierte die Journalistin. „Herr Käthe“, so lautete der Spitzname ihres Mannes, sei eine hübsche, ausdrucksstarke Erscheinung gewesen. Sie brachte im Leben ihres Mannes alles auf Vordermann, entfernte die halbverlauste Strohmatratze und führte den landwirtschaftlichen Betrieb im Schwarzen Kloster zu Wittenberg.
Neben sechs Kindern, in acht Jahren geboren, versorgt die Lutherin täglich bis zu 60 Personen. 1552 stirbt sie 53-jährig in Armut und von Schicksalsschlägen gebeutelt. Der Kurfürst hatte Luthers Testament einfach nicht anerkannt. Luther hatte seine Frau als Alleinerbin, ohne Vormund, eingesetzt.
Am Ende liefert Nürnberger einen diskussionswürdigen Ansatz: Er findet das Nebeneinander der großen katholischen Weltkirche mit den vielen protestantischen „Schrebergartenkirchen“jedenfalls nützlich und „ganz in Ordnung.“Ein zum Weiterdenken anregender, begeisternder Abend, der entsprechend auch mit gebührendem Beifall aufgenommen wurde.