Donauwoerther Zeitung

Aus Frau Pfarrerin wird Herr Pfarrer

Nach Jahren voller Selbstzwei­fel lebt Silke Wolfrum nun als Mann. In einem Gottesdien­st wurde die Entscheidu­ng öffentlich gemacht. Warum es Zeit für diesen Schritt war

- Daniel Staffen-Quandt, epd

Würzburg Finn Wolfrum ist erleichter­t. Jetzt ist es gesagt, nun ist es in der Welt. Dem 46-Jährigen ist klar, dass diese Neuigkeit nicht jedem in Veitshöchh­eim (Landkreis Würzburg) gefallen wird. Hinter ihm liegen Jahre voller Selbstzwei­fel, Ängste und Aggression­en. Doch heute weiß er, wie er glücklich wird. Er, der immer schon ein Mann war, im Körper einer Frau. Das zu erkennen, hat lange gedauert. Öffentlich gemacht hat es Finn Wolfrum am vergangene­n Sonntag nach dem letzten Gottesdien­st, den er als Silke Wolfrum gehalten hat.

Finn Wolfrum ist transsexue­ll oder transident. Dafür gibt es viele Bezeichnun­gen und komplizier­te Erklärunge­n. Zusammenge­fasst ist es in seinem Fall in etwa so: das Gehirn eines Mannes im Körper einer Frau. Unter dem Namen Silke erlebte Wolfrum eine Kindheit, Jugend und Studienzei­t voller Verdrängen: „In der Schule war ich ein totaler Einzelgäng­er.“Finn Wolfrum blickt auf das Abschlussf­oto seines Abiturjahr­gangs. 1991, alle jungen Frauen im Kleid oder im Rock – Silke aber steht dort breitbeini­g mit Hose und übergroßem Schulterpo­lster-Sakko .

Wolfrum hat sich auf diesen Gottesdien­st gefreut, war aber unsicher. Der Kirchenvor­stand hat sich hinter seinen Pfarrer gestellt, will ihn auf den Weg der bevorstehe­nden Geschlecht­sangleichu­ng samt Hormonther­apie begleiten. „Das war für mich ein wichtiges und wertvolles Zeichen“, sagt Finn Wolfrum. Bis zu diesem Sonntag hatte er nur seine Familie, enge Freunde und die evangelisc­he Landeskirc­he als Arbeitgebe­r über sein Vorhaben informiert.

Dass irgendetwa­s anders ist, zeigte sich zum ersten Mal im Kindergart­en. Damals, als alle Mädchen ihre Puppen mitbringen sollten, die kleine Silke aber keine hatte, weil sie keine wollte. Oder später im Teenager-Alter, als Silke sich nicht schminken wollte wie die anderen. Wolfrum akzeptiert­e dieses Anderssein nicht, verdrängte es und fand Halt in ultrakonse­rvativen christlich­en Jugendgrup­pen, die Sexualität vor der Ehe grundsätzl­ich ablehnen und alles außer Heterosexu­alität sowieso verdammen. Doch spätestens im Theologies­tudium kamen Zweifel. Silke Wolfrum las erstmals etwas über Transsexua­lität und sprach mit einem Therapeute­n darüber. „Der Psychologe allerdings hat mich, ver- mutlich aus Unwissenhe­it, falsch beraten.“Jahrzehnte­lang lebte Wolfrum daher im festen Glauben, homosexuel­l zu sein: „Aber meine Partnersch­aften haben auf Dauer nicht funktionie­rt, weil sich irgendetwa­s nicht richtig angefühlt hat. Ich war zu sehr Mann.“

Seit Pfingsten 2017 ist sich Wolfrum sicher, dass ein Leben im falschen Körper keine Zukunft hat. Es sollte Schluss sein mit dem Verstecken. Von engsten Vertrauten kamen ermutigend­e Worte. „Ich wusste schon immer, dass du ein Mann bist, der aber kein Mann sein darf“, sagte eine langjährig­e Freundin. Wolfrum ging zum Arzt, ließ sich die Transident­ität bescheinig­en. Er will und muss nun als Mann leben, sich im Alltag erproben, ehe das Gericht offiziell die Namensund Geschlecht­sänderung bescheinig­t. Dekanin Edda Weise steht hinter Finn Wolfrum. „Ich hoffe, dass er zur Ruhe kommt und zufrieden ist“, sagt sie. Der Kirchenvor­stand habe die Entscheidu­ng akzeptiert. Eine Debatte, ob das aus christlich­er Sicht richtig oder erlaubt ist, will Wolfrum nicht. Für ihn habe Rechtferti­gung heute eine neue Dimension erreicht: „Gott liebt mich bedingungs­los, so wie ich bin. Das gibt Kraft.“

Seinen Dienst als Gemeindepf­arrer will er weiter ausüben: „Für die Leute ändert sich nur die Ansprache.“Aus Frau wird Herr, aus Pfarrerin wird Pfarrer, aus Silke wird Finn. „Wenn das jetzt zu Beginn nicht immer gleich klappt, ist das okay“, betont er. „Aber ich will, dass meine Entscheidu­ng ernst genommen wird.“

 ??  ??
 ?? Foto: Daniel Staffen Quandt, epd ?? Bis Sonntag kannte man sie als Silke Wolfrum. Nun nicht mehr. Fortan will Finn Wol frum sein Mannsein öffentlich leben.
Foto: Daniel Staffen Quandt, epd Bis Sonntag kannte man sie als Silke Wolfrum. Nun nicht mehr. Fortan will Finn Wol frum sein Mannsein öffentlich leben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany