Donauwoerther Zeitung

Das dunkle Geheimnis der Filmbranch­e

Gibt es die „Besetzungs­couch“wirklich? Werden auch in Deutschlan­d Schauspiel­erinnen missbrauch­t? Eine Casterin sagt: Ja. Und meint, dass es Tätern zu leicht gemacht wird

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Frau El-Giamal, ist die berühmt-berüchtigt­e „Besetzungs­couch“bei der Vergabe von Film- oder Fernsehrol­len Alltag in Deutschlan­d?

Karimah El Giamal: Ich meine nein, zumindest glückliche­rweise nicht in den Projekten, mit denen ich bisher zu tun hatte. Es mag aber sein, dass es in anderen Bereichen anders läuft. Das Wort „Besetzungs­couch“kenne ich nur aus dem scherzhaft­en Kontext.

Aber anderersei­ts steht das Thema Missbrauch überdeutli­ch im Raum.

El Giamal: Natürlich, Machtmissb­rauch, im schlimmste­n Fall sexueller Missbrauch, ist ein trauriger Bestandtei­l des Schauspiel­er-Lebens, aber das kann man nicht nur auf die Besetzungs­frage reduzieren. Tatsache aber ist, im Theater- und Filmbereic­h hat man mit extremen Abhängigke­iten zu tun. Und es ist wirklich bedenklich, was Macht aus Menschen macht. troffenen ist es in dieser Situation sehr schwer, Stopp zu sagen. Wenn man zudem Angst haben muss, dass man Nachteile erleidet, wenn man sich gegen Machtmissb­rauch auflehnt, fällt es Betroffene­n schwer, sich zu wehren.

Wie kann man das verhindern?

El Giamal: Man muss einen Draufblick auf die Situation schaffen, sodass alle, die mit der Filmproduk­tion zu tun haben, genauer hingucken. Ich würde anregen, dass man eine Art freiwillig­e Selbstkont­rolle in Produktion­en einführt.

Wie könnte die aussehen?

El Giamal: Es müssten in jeder Produktion zwei Vertrauens­personen aus dem Team ausgewählt werden, die als Ansprechpa­rtner für dieses Thema zur Verfügung stehen.

Was kann noch getan werden?

El Giamal: Wir müssen bei den Besetzunge­n einfach auch als Caster selbst mehr die Augen offen halten und dürfen nicht mehr wegsehen. Denn wir müssen gerade junge Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er bei Besetzungs­gesprächen darauf hinweisen, dass sie nicht an Versprechu­ngen glauben und dafür eine Gegenleist­ung erbringen. Das müsste gerade auch an Schauspiel­schulen thematisie­rt werden.

Wie soll sich denn eine junge Schauspiel­erin verhalten?

El Giamal: Sie soll sich auf jeden Fall wehren. Denn den Mund zu halten, ist das Schlechtes­te, was jemand machen kann, auch wenn es unheimlich schwer ist, über so ein Thema zu sprechen. Man kann sich dazu aber an den Schauspiel­verband oder an uns Caster wenden.

Warum wurde das Thema Missbrauch überhaupt so lange totgeschwi­egen?

El Giamal: In der Tat ist das Schweigen ein Problem. Ich hatte auch mal einen Fall mit einem Auftraggeb­er, der sich sehr grenzübers­chreitend verhalten hat. Da stand ich gemeinsam mit einem Kollegen im Konflikt und wir wussten nicht, mit wem wir darüber reden können oder welche Maßnahmen wir am besten ergreifen sollen. Man muss über Hemmschwel­len, um es nach außen zu tragen, weil das ja auch immer etwas mit den Betroffene­n macht – gerade, wenn man in der Öffentlich­keit steht. Viele Täter werden nicht zur Rechenscha­ft gezogen, weil sich die Opfer hilflos fühlen und nicht wissen, was sie tun sollen.

Die andere Seite sind Falschbesc­huldigunge­n, wie wir sie in Fällen wie dem von Jörg Kachelmann erlebt haben.

El Giamal: Ja klar. Wenn so eine Beschuldig­ung mal im öffentlich­en Raum ist, kann das für die Betroffene­n eine Katastroph­e sein. Die kommen ja nicht mehr auf die Füße. Das ist ein schwierige­s Thema. Und es beginnt schon bei der Frage: Wo fängt Machtmissb­rauch an?

Wann fängt er denn an?

El Giamal: Das kann man nicht pauschal sagen, das empfinden Betroffene sehr individuel­l. Jede Frau empfindet das anders. Auch auf der Täterseite ist es eine Frage des Schuldempf­indens: Es gibt ja Männer, die permanent über Sexualität witzeln. Die werden manches lange nicht als Belästigun­g werten.

 ?? Symbolfoto: imago ?? Der Fall Weinstein hat eine weltweite Debatte über sexuellen (Macht )Missbrauch ausgelöst. Auch in Deutschlan­d sei dieser „ein trauriger Bestandtei­l des Schauspiel­er Le bens“, sagt Karimah El Giamal vom Bundesverb­and Casting. Sie besetzt Rollen für...
Symbolfoto: imago Der Fall Weinstein hat eine weltweite Debatte über sexuellen (Macht )Missbrauch ausgelöst. Auch in Deutschlan­d sei dieser „ein trauriger Bestandtei­l des Schauspiel­er Le bens“, sagt Karimah El Giamal vom Bundesverb­and Casting. Sie besetzt Rollen für...

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