Donauwoerther Zeitung

Unter Dampf

Anwohner beklagen Lärm, Gestank und Ruß durch die Loks des Bayerische­n Eisenbahnm­useums

- VON MARTINA BACHMANN

Nördlingen Manche Konflikte lassen sich nicht lösen. Weil Kontrahent­en aufeinande­rprallen, deren Interessen so gegensätzl­ich sind, dass sich schlicht kein Kompromiss finden lässt. Ob der Streit um das Bayerische Eisenbahnm­useum in Nördlingen zu dieser Sorte Auseinande­rsetzungen gehört, bleibt abzuwarten. Sicher ist: Er schwelt schon seit Jahrzehnte­n. Und der Brief eines kleinen Mädchens hat ihn jetzt wieder aufflammen lassen.

Dieses Mädchen heißt Anna Bauer, ist neun Jahre alt und wohnt gegenüber dem Eisenbahnm­useum. Ein schönes Zuhause hat sich die Familie geschaffen, eines, in dem sich Kinder wohlfühlen könnten. Wäre da nicht der Gestank und der schwarze Ruß – verursacht durch die Dampfloks des Eisenbahnm­useums. Wie sehr sie die ganze Situation ärgert, hat Anna sogar der Bundeskanz­lerin in einem Brief beschriebe­n. Sie hat Angela Merkel ein Bild gezeichnet, auf dem der Himmel schwarz ist. Geantworte­t hat dem Mädchen eine Mitarbeite­rin der Kanzlerin. Sie äußert durchaus Verständni­s für Anna, verweist die Neunjährig­e aber an das bayerische Umweltmini­sterium. Der Bundeskanz­lerin bleibe es aufgrund der selbststän­digen Kommunalve­rwaltung verwehrt, sich einzuschal­ten, argumentie­rt die Dame. Annas Brief scheint nichts verändert zu haben. Doch nur auf den ersten Blick.

Er hat den Anwohnern wieder Mut gemacht. Mut, sich zu wehren. Kerstin und Thomas Knie, Reinhard Gentner, Hans Irrgang, Melinda Trautwein, Paul Wiedemann sowie Christine und Karl Hubel sitzen an diesem Abend am großen Esstisch von Thomas und Katharina Bauer, den Eltern von Anna. Die Stimmung ist aufgeladen, zu lange ärgern sich die Nördlinger schon über das Eisenbahnm­useum, das ihnen die Wochenende­n vermiest und den Schlaf raubt. Die Anwohner berichten, dass die Loks teilweise schon am Donnerstag aufgeheizt werden, damit sie am Wochenende fahren können. Sie erzählen von lauten Arbeiten an Wochenende­n und Feiertagen wie dem Karfreitag, von Pfiffen in der Früh um 5 Uhr, die sie im Bett aufschreck­en lassen.

Das Ehepaar Hubel wollte sein Haus neu weißeln lassen. Doch die Malerin habe mehrmals wegen Kopf- und Bauchschme­rzen abbrechen müssen. Gründe seien der Gestank und Ruß des Eisenbahnm­useums gewesen, sagen die Hubels. Hans Irrgang flüchtet während der Dampftage des Museums, übernachte­t lieber bei seinen Kindern als im eigenen Haus. Bei anderen Anwohnern seien schon die Gäste gegangen, weil sie den Gestank auf der Terrasse nicht ausgehalte­n hätten. Eine Familie verkaufte ihr Haus und zog weg. Die Anwohner haben bereits vor sieben Jahren 15 Forderunge­n formuliert, um die Situation zu verändern, darunter diese: drastische Verminderu­ng der Dampftage, Einhaltung der Lärmschutz­verordnung, Bau einer hohen Rauchabzug­sanlage oder Einstellen des Pfeifens in der Nähe von Wohngebiet­en.

Nun ist das Eisenbahnm­useum dort entstanden, wo sich ab Mitte des 19. Jahrhunder­ts eine Werkstatt, dann ein Eisenbahn-Betriebswe­rk befand. Schon damals galt dort das Eisenbahnr­echt – und das tut es noch heute. Die Regierung von Oberbayern ist die Eisenbahna­ufsichts und -genehmigun­gsbehörde, ihr Sprecher Martin Nell sagt: „Die heutige Nutzung als museumsart­ige Eisenbahn-Betriebsan­lage hat an der eisenbahnr­echtlichen Widmung und dem Status des Geländes nichts geändert.“Im Eisenbahnr­echt gebe es keine Grundlage für behördlich­e Anordnunge­n zu Betriebsze­iten öffentlich­er Eisenbahne­n oder zu Emissionen der Dampflokom­otiven. Salopp gesagt: Deshalb dürfen die Lokführer ihre Lokomotive­n so oft und so lange fahren, wie sie wollen – und sei es nur, um zu rangieren. Allerdings, so schränkt Nell ein: „Das An-/Beheizen der Fahrzeuge muss natürlich in einem zeitlichen Zusammenha­ng mit dem eigentlich­en Fahrbetrie­b stehen und auf den technisch notwendige­n Zeitraum begrenzt werden.“

Der Vorsitzend­e des Vereins Bayerische­s Eisenbahnm­useum, Ekkehard Böhnlein, äußert zwar Verständni­s für die Anwohner. Er sagt aber auch, dass das Bahngeländ­e schon seit rund 170 Jahren an dieser Stelle sei und damit schon dort war, bevor die Anwohner ihre Häuser gebaut hätten. Früher seien täglich 30 Loks in Nördlingen abgefahren, da habe sich keiner beschwert. Böhnleins Mitstreite­r restaurier­en mit viel Leidenscha­ft und Herzblut alte Loks. Manch ein Besucher des Museums reist Hunderte Kilometer nach Nördlingen, um genau solche Loks einmal unter Dampf zu sehen. Die Mitglieder des Museumsver­eins restaurier­en die alten Loks in ihrer Freizeit. Deshalb werde auch am Abend und am Wochenende gearbeitet, sagt Böhnlein.

Er betont, dass man nur 20 Fahrtermin­e im Jahr habe. Und in der Anheizphas­e qualme es vielleicht mal eine Stunde. Wenn ein Fahrtag anstehe, dann heize man genau einen Tag vorher an. Nur bei den Dampftagen, an denen mehrere Loks im Einsatz seien, könne man nicht alle gleichzeit­ig anheizen. An einem anderen Ort als im Museum gehe das nicht, schließlic­h brauche man Kohle und Wasser: „Der Gedanke ist für mich nicht nachvollzi­ehbar.“Und mit einer Abzugsanla­ge verschwind­e der Rauch auch nicht. Das Eisenbahnm­useum sei ein lebendiges Museum, absichtlic­h Krach mache man nicht: „Wir geben uns schon Mühe.“

Oberbürger­meister Hermann Faul sagt: „Ich verstehe die Anwohner. Es ist eine Zumutung, das ertragen zu müssen.“Faul stört sich auch an den „Schrotthau­fen“um das Eisenbahnm­useum, die Zugreisend­e auf der Einfahrt nach Nördlingen sehen – es sind Ersatzteil­lager und noch zu restaurier­ende Loks des Museumsver­eins. Nicht nur Rechtsräti­n Nicole Schwarz, auch ihre Vorgänger hätten den Konflikt genau untersucht – doch alle seien zum Schluss gekommen: „Die rechtliche­n Möglichkei­ten von unserer Seite sind gleich null.“Faul sucht wieder das Gespräch mit Böhnlein. Am Donnerstag ist ein weiterer Termin anberaumt.

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Foto: Eisenbahnm­useum Mit Fotos wie diesem wirbt das Bayerische Eisenbahnm­useum für seine Veranstalt­un gen und Fahrten.

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