Donauwoerther Zeitung

Die Wirtschaft fürchtet einen teuren Brexit

Großbritan­nien verlässt die EU – und nichts ist geregelt. Bayern spürt das schon jetzt

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Augsburg/Berlin Der Brexit droht für die deutsche Wirtschaft teuer zu werden. Sollten die Europäisch­e Union und Großbritan­nien sich nicht über die Einzelheit­en des Ausstiegs einigen können, müssen Unternehme­n aus der Bundesrepu­blik offenbar mit erhebliche­n Mehrausgab­en rechnen. „Alleine im Automobils­ektor drohen bei der Ausfuhr von Kraftfahrz­eugen 2,35 Milliarden Euro zusätzlich­e Zollkosten“, warnt der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Industrie- und Handelstag­es, Martin Wansleben, in der

Welt. Insgesamt haben die deutschen Hersteller im vergangene­n Jahr Fahrzeuge im Wert von fast 21 Milliarden Euro in das Vereinigte Königreich exportiert.

Auch in Bayern wirft der für 2019 geplante Brexit seinen Schatten bereits voraus. Im ersten Halbjahr dieses Jahres haben Waren für rund sieben Milliarden Euro den Freistaat Richtung Großbritan­nien verlassen, das ist ein Minus von neun Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit sackte das Vereinigte Königreich im Ranking der wichtigste­n Handelspar­tner Bayerns vom zweiten auf den vierten Platz ab.

In der Region sind viele Unternehme­n wirtschaft­lich eng mit Großbritan­nien verbunden, vor allem im Maschinenb­au, als Kfz-Zulieferer oder im Lebensmitt­elhandel. Viele heimische Firmen würden jetzt erst einmal abwarten, sagt Jana Lovell, die sich als Außenhande­lsexpertin der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben regelmäßig mit dem bevorstehe­nden Brexit beschäftig­t. Große Vorhaben und Investitio­nen würden deshalb vielleicht erst einmal auf Eis gelegt, erläutert Expertin Lovell. Zu groß sei bei manchen Unternehme­n die Sorge, dass verlängert­e Wartezeite­n an der Grenze oder mehr Bürokratie bei der Zollabwick­lung die eng getakteten Lieferkett­en durcheinan­derbringen könnten. Einige Firmen reagieren nach Angaben der Expertin aber auch ganz anders – und wollen gerade jetzt Standorte in Großbritan­nien aufbauen, um ihre Geschäfte auf der Insel künftig von dort aus zu steuern.

Bei einem Treffen mit der britischen Premiermin­isterin Theresa May haben europäisch­e Wirtschaft­svertreter gestern eindringli­ch vor den Folgen eines ungeregelt­en EU-Austritts gewarnt. „Wir brauchen rasch Klarheit über die künftigen Wirtschaft­sbeziehung­en“, sagte der Hauptgesch­äftsführer der deutschen Arbeitgebe­rverbände, Steffen Kampeter. Viele Arbeitgebe­r beschäftig­e vor allem die Frage, welchen legalen Status ihre Mitarbeite­r in Großbritan­nien wohl hätten. Der Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­andes der Deutschen Industrie, Joachim Lang, bezeichnet­e die von May ins Spiel gebrachte Übergangsp­hase von zwei Jahren als zu kurz.

Angesichts der schleppend­en Verhandlun­gen hat Brüssel den Briten eine Frist von zwei Wochen für Zugeständn­isse gesetzt. Wenn es bis dahin keine Grundsatze­inigung gebe, werde man im Dezember nicht wie geplant mit den Gesprächen über die künftigen Beziehunge­n starten. Für ein Austrittsa­bkommen würde die Zeit dann sehr knapp.

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