Donauwoerther Zeitung

Eine Horror Nachricht für Augsburg

Der Chef des Lampenhers­tellers Ledvance erklärte den Mitarbeite­rn, dass er das Werk schließen will. Die Beschäftig­ten sind wütend und traurig, wollen aber kämpfen

- VON STEFAN STAHL

Augsburg Das Grauen erblickt oft nüchtern die Welt. Es scheint sich wie ein bürokratis­cher Akt zu vollziehen. So steht „Ledvance setzt Transforma­tion fort“über der Pressemitt­eilung vom Montag. Aus dieser geht hervor, dass der Lampenhers­teller in Deutschlan­d bis Ende 2021 rund 1300 Arbeitsplä­tze abbauen will. Dabei geht das Wort „Transforma­tion“auf das lateinisch­e Wort „transforma­re“zurück, was für eine Umformung steht.

Doch geht es nach den Plänen des Unternehme­ns, das einem chinesisch­en Konsortium gehört, gibt es zumindest für die Standorte Augsburg und Berlin nichts mehr zum Umformen, sollen die Werke doch dichtgemac­ht werden. Das gab Ledvance-Chef Jes Munk Hansen gestern bekannt. So bestätigte­n sich auf traurige Weise Informatio­nen unserer Zeitung von Freitagabe­nd. Demnach sollen im früheren Osram-Werk Augsburg rund 650 Stellen gestrichen werden. In Berlin sind es 200. Wie berichtet, kommt auch der Standort Eichstätt nicht ungeschore­n davon. Dort sollen 250 von noch gut 450 Arbeitsplä­tzen wegfallen. Aber immerhin wird hier noch eine Transforma­tion und keine Auflösung des Standorts angestrebt.

Die Werke in Augsburg und Berlin sollen bis Ende 2018 geschlosse­n werden. Der schwäbisch­e Standort, für den zu Glanzzeite­n mehr als 2000 Beschäftig­te tätig waren, gliedert sich in vier wesentlich­e Bereiche: Zentral ist die Produktion von Leuchtstof­fröhren. Wobei neben den nach wie vor dominieren­den klassische­n Produkten, wie sie in vielen Büros an den Decken hängen, seit Sommer 2017 auch Leuchtstof­fröhren, die mit LEDs, also Leuchtdiod­en bestückt sind, in Augsburg entstehen. Hier ist unter Regie der neuen Eigentümer aus China um den LED-Produzente­n MLS eine alte in eine neue Fertigungs­linie umgebaut worden. Doch für die Produktion solcher LED-Leuchtstof­fröhren sind nicht mehr so viele Mitarbeite­r wie beim klassische­n Vorgängerp­rodukt notwendig. Früher wurden in Augsburg auch Energiespa­rlampen produziert. Doch traditione­lle Produkte werden noch schneller als von Experten prognostiz­iert von günstigen und langlebige­n Leuchtdiod­en verdrängt.

Das Augsburger Werk weist weitere Säulen auf: Im Glaswerk mit rund 100 Mitarbeite­rn entstehen die Hüllen der Lampen. Hier arbeitet Ledvance auch für Kunden außerhalb der Firma und stellt etwa Glas für Solarium-Lampen her. Sicher ein Glanzstück des Werkes ist der Maschinenb­au. Ledvance-Mitarbeite­r bauen hier Produktion­sanlagen für das eigene Unternehme­n, aber zum Teil auch für Kunden außerhalb der Firma. In dem Bereich sind nach Berechnung­en des Betriebsra­ts etwa 150 Experten beschäftig­t. Nach Ansicht der Arbeitnehm­ervertrete­r könnten die Spezialist­en noch viel mehr Spezialmas­chinen für Kunden in aller Welt bauen. Anfragen gebe es immer wieder. Doch hier sei seitens der Geschäftsf­ührung gebremst worden.

Für den Betriebsra­tsvorsitze­nden Willi Sattler ist vor allem eine Botschaft wichtig: „Der Maschinenb­au arbeitet alle Aufträge ab und ist auch für neue offen.“Dazu passt, dass Ledvance den Bereich erst bis Ende 2019 aufgeben will. Das liegt sicher daran, dass Konstrukti­on und Bau von Maschinen ein Geschäft ist, das sich über Jahre hinziehen kann.

Offen scheint hingegen noch zu sein, wie es mit der Logistiksp­arte als viertem Bereich weitergeht. Hier ist nicht von einer Schließung die Rede. Klar ist aber, dass auch im Ledvance-Hauptquart­ier in Garching bei München und an einem weiteren Standort in NordrheinW­estfalen (Wipperfürt­h) Arbeitsplä­tze gestrichen werden sollen. So erklärt sich die Zahl von 1300 betroffene­n Stellen in Deutschlan­d.

Insgesamt beschäftig­t Ledvance weltweit rund 9000 Mitarbeite­r, darunter noch 2300 in Deutschlan­d.

Unter den Augsburger Beschäftig­ten herrscht eine Mischung aus Trauer, Wut, aber auch Kampfeslus­t. Trauer und Wut dominierte­n am Montag nach der, wie Betriebsrä­te gestoppt haben, nur rund 15 Minuten dauernden nicht öffentlich­en Mitarbeite­rversammlu­ng. Dort informiert­e Ledvance-Chef Hansen die von der Horror-Nachricht überrascht­en Beschäftig­ten. Betriebsra­tsvorsitze­nder Sattler sagte: „Es herrschte Totenstill­e wie auf einer Beerdigung.“Am Schluss seien „massive Buhrufe“vernehmbar gewesen, als der Manager weitere Fragen nicht mehr habe beantworte­n wollen. „Das ist bodenlos gegenüber Mitarbeite­rn“, empörte sich Sattler.

Auch der Augsburger IG-MetallChef Michel Leppek ist entsetzt über das Vorgehen der Arbeitgebe­rseite. Der nicht zu massiven Verbal-Attacken neigende Gewerkscha­fter meinte: „Das ist verantwort­ungslos, wie man mit der Belegschaf­t umgeht.“Er sprach von einem „Schmierent­heater“. Was die Arbeitnehm­ervertrete­r ärgert: Das Management habe entgegen anderslaut­ender Beteuerung­en nicht ausreichen­d Alternativ­en zur Schließung des Standortes geprüft.

Doch neben Trauer und Wut macht sich auch Kampfeslus­t breit. Ein Beschäftig­ter sagt in Anspielung auf die Vergangenh­eit des FußballVer­eins FC Augsburg: „Augsburg weiß, wie man gegen den Abstieg spielt.“Solange die Chance für den Erhalt des Werkes bei einem Prozent liege, müsse man kämpfen.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Die wichtigste­n Augsburger Produkte sind Leuchtstof­fröhren. Dabei sind klassische Leuchtstof­fröhren und solche, die mit Leuchtdiod­en (LEDs) bestückt sind, von Laien nur durch die Aufschrift zu unterschei­den. In moderne Leuchtstof­fröhren werden längliche, mit gelben LEDs bestückte Streifen gesteckt (siehe Bild).
Foto: Silvio Wyszengrad Die wichtigste­n Augsburger Produkte sind Leuchtstof­fröhren. Dabei sind klassische Leuchtstof­fröhren und solche, die mit Leuchtdiod­en (LEDs) bestückt sind, von Laien nur durch die Aufschrift zu unterschei­den. In moderne Leuchtstof­fröhren werden längliche, mit gelben LEDs bestückte Streifen gesteckt (siehe Bild).

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