Donauwoerther Zeitung

Millimeter vor der Einigung

Die angestrebt­e Jamaika-Koalition ist geplatzt, ein Bundestags­mitglied aus dem Landkreis hat das in der Nacht auf Montag am Verhandlun­gstisch miterlebt. Wie Politiker aus der Region die Lage bewerten

- VON RENÉ LAUER UND CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Bundestags­abgeordnet­er Ulrich Lange aus dem Kreis Donau-Ries berichtet vom Scheitern der Jamaika-Koalition. Politiker aus der Region bewerten die Lage. »

Landkreis Es muss ziemlich enttäusche­nd sein. Da schlägt man sich wochenlang die Nächte um die Ohren, ringt krampfhaft um jedes noch so bedeutungs­arme Thema, und am Ende? War doch alles umsonst.

Der Nördlinger Bundestags­abgeordnet­e Ulrich Lange (CSU) war in der Nacht auf Montag bei den Sondierung­sgespräche­n zwischen den Unionspart­eien, den Grünen und der FDP dabei, hat live miterlebt, wie die angestrebt­e Jamaika-Koalition geplatzt ist. „Wir standen Millimeter vor einer Einigung“, gibt sich Lange nachdenkli­ch. Der Zeitpunkt, an dem die FDP-Vertreter den Verhandlun­gstisch verlassen hätten, habe ihn überrascht, sagt der CSU-Politiker am Tag danach. Es sei zwar von vornherein klar gewesen, dass Jamaika wegen der unterschie­dlichen Parteikult­uren schwie- rig werden würde, „allerdings wir haben alle eine Verantwort­ung für das Land“, betont der Nördlinger. Dass die Verbindung mit Grünen und FDP trotz allem noch zustande komme, dafür fehle ihm die Vorstellun­gskraft. Es gebe laut Ulrich Lange eigentlich nur zwei Möglichkei­ten: Neuwahlen oder Große Koalition. So schlecht, wie es oft dargestell­t wird, habe die Regierung aus Union und SPD nicht funktionie­rt, resümiert Lange.

Doch dem erteilte die Parteispit­ze der Genossen wenige Stunden nach den Aussagen des CSU-Politikers eine Absage. „Wir werden nicht in eine Große Koalition eintreten“, verkündete SPD-Chef Martin Schulz in Berlin. Sein Parteikoll­ege Christoph Schmid, zuständig für den Unterbezir­k Donau-Ries, argumentie­rt, dass es zwischen Union und SPD ohnehin wenig Gemeinsamk­eiten für eine Zusammenar­beit gebe. Schmid zeigt sich ebenfalls überrascht über die geplatzten Verhandlun­gen, doch er empfinde keineswegs Schadenfre­ude, sondern eher Sorge. „Neuwahlen sind denke ich nicht das, was die Bevölkerun­g will“, sagt der Alerheimer. Auch zur FDP hat er eine klare Meinung: „Es scheint, als wollten sie sich profiliere­n.“

Der Kreisvorsi­tzende der Liberalen Johann Demharter hatte damit gerechnet, dass die Gesprächsf­ührer der Parteien eine Lösung finden. Er hat aber Verständni­s dafür, dass seine Partei jetzt die Verhandlun­gen beendet hat. „Die Union hat sehr verhalten agiert und die Grünen viel geredet, aber sich inhaltlich nicht bewegt.“Er könne sich „kaum vorstellen“, dass eine Regierung in dieser Konstellat­ion funktionie­rt hätte, so zäh wie die Sondierung­sgespräche schon abgelaufen seien. Aus seiner Sicht wäre es am sinnvollst­en, die Union würde eine Minderheit­sregierung bilden und sich von der FDP und der SPD tolerieren lassen. Einem möglichen Wahlkampf sieht er gelassen entgegen. „Wir wären dafür gewappnet.“

Kritik am Verhalten der FDP kommt hingegen von Eva Lettenbaue­r, Kreisvorsi­tzende der Grünen. „Sie lassen die Verhandlun­gen aufgrund von Stimmungen platzen und nicht wegen Inhalten. Dabei wurde den Liberalen unter anderem bei den Themen Digitalisi­erung und Bildung sehr weit entgegenge­kommen.“Dass die Verhandlun­gen scheitern könnten, habe sich in den vergangene­n Wochen in verschiede­nen Aussagen aber schon angedeutet. Lettenbaue­r rechnet mit Neuwahlen.

Manfred Seel, Vorsitzend­er der Linken im Kreis, ist vom Ende der Sondierung­sgespräche überrascht. Das sei „blamabel“für die Beteiligte­n und schlecht für die Demokratie, findet er. Seel glaubt, dass es zu Neuwahlen kommen wird. Er hält die Entscheidu­ng der SPD für richtig, nicht wieder in eine Große Koalition zu gehen. Bei Neuwahlen könne sich viel verändern, glaubt er. „Wer weiß schon, ob Merkel, Seehofer und Schulz dann wirklich noch dabei sind.“Seel ist optimistis­ch, dass seine Partei wieder ein gutes Ergebnis erzielen würde.

Das Scheitern der Sondierung­sgespräche zwischen den vier Parteien in Berlin bewertet Elisabeth Hörr, Vorsitzend­e der AfD Nordschwab­en, positiv. Es sei nicht sinnvoll, dass sich die Parteien extrem verbiegen, nur um eine Regierung zustande zu bringen. Sie sieht in einer Minderheit­sregierung eine gute Gelegenhei­t, dass „wieder mehr Sacharbeit“stattfinde. Ihre Partei beobachte die Entwicklun­gen gelassen. Gedanken sollte sich die AfD laut Hörr machen, wie sie sich im Fall von zeitnahen Neuwahlen auf den anstehende­n Wahlkampf vorbereite­t.

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