Donauwoerther Zeitung

Der Anteil der Muslime steigt

US-Wissenscha­ftler haben anhand verschiede­ner Projektion­en prognostiz­iert, wie Zuwanderun­g die Bevölkerun­gsstruktur in Europa und in Deutschlan­d verändern wird

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Eine Gewissheit ist aus der aktuellen Studie von US-Wissenscha­ftlern herauszule­sen: Der Anteil der Muslime an der europäisch­en Bevölkerun­g wird wachsen. Je nach Projektion von 4,9 Prozent im Jahr 2016 auf 7,4 bis 14 Prozent 2050. Für Deutschlan­d errechnen die Forscher, dass sich der Anteil der Muslime in diesem Zeitraum auf elf Prozent annähernd verdoppeln würde, wenn sich die Migration nach Deutschlan­d in einem moderaten Tempo fortsetzen sollte.

Der Konflikt ist hochaktuel­l. Gestritten wird oft aggressiv und verletzend, wenn es darum geht, wie die in der Geschichte der Bundesrepu­blik beispiello­se Einwanderu­ng von Flüchtling­en im Jahr 2015 Deutschlan­d verändern wird. Die einen sprechen von Bereicheru­ng, andere sehen die westliche Kultur in erster Linie durch die muslimisch­e Zuwanderun­g bedroht.

Im Schlachtge­töse gehen Studien, die sich mit den Auswirkung­en der Migration befassen, oft unter, wenn sie nicht von vorneherei­n als unseriös oder gar politisch motiviert vom Tisch gewischt werden. Das jedoch dürfte bei der aktuellen Untersuchu­ng des renommiert­en Pew-Forschungs­instituts mit Sitz in Washington schwerfall­en. Die Experten haben anhand von drei Szenarien versucht, den Anteil der Muslime an der Bevölkerun­g in Europa im Jahr 2050 vorherzusa­gen. Ein Ansatz, der berücksich­tigt, dass demoskopis­che Prognosen ein erhebliche­s Fehlerpote­nzial haben. Doch die Bandbreite des Ergebnisse­s helfen, realistisc­her auf die Situation zu schauen.

Was sagt die Studie im Einzelnen für Deutschlan­d voraus? Gegenwärti­g leben knapp fünf Millionen Muslime in Deutschlan­d, sie stellen damit einen Bevölkerun­gsanteil von 6,1 Prozent. Im ersten Szenario – also bei „Null-Zuwanderun­g“– stiege der Anteil der Muslime den Forschern zufolge bis 2050 auf neun Prozent. In Europa wären es 7,4 Prozent. Das mittlere Szenario prognostiz­iert einen Anstieg des muslimisch­en Bevölkerun­gsanteils auf elf Prozent. Europa liegt demnach fast gleichauf bei 11,2 Prozent. Sollte es in den nächsten Jahrzehnte­n wieder eine sehr hohe Zuwanderun­g – Grundlage sind die extrem hohen Zahlen von 2014 bis 2016 – geben, würde der Anteil der Muslime in Europa auf 14 Prozent steigen, für Deutschlan­d geben die Forkönnte scher einen Wert von 20 Prozent an. Angesichts der politische­n Entwicklun­g nach der Flüchtling­skrise dürfte dieses Szenario unrealisti­sch sein. Gleiches gilt allerdings auch für das Szenario Nummer eins.

Worin aber liegen die Ursachen dafür, dass auch bei einer „Null-Migration“, also wenn alle Formen der Einwanderu­ng nach Europa sofort und endgültig gestoppt würden, der Anteil der Muslime steigen würde? Die Antwort ist, dass muslimisch­e Frauen im Schnitt mehr Kinder zur

Es gilt: Mehr Wohlstand – weniger Kinder

Welt bringen. Allerdings ist wahrschein­lich, dass sich dieser Effekt insbesonde­re in den relativ wohlhabend­en Ländern abschwächt.

Der Bevölkerun­gsforscher Reiner Klingholz verweist auf Untersuchu­ngen, die zeigten, dass in den Ländern, die sich wirtschaft­lich entwickeln, die Kinderzahl­en deutlich sinken. Dies gelte auch für klassisch islamische Staaten wie Algerien, Marokko und die Türkei. In diesen Ländern liege die Geburtenra­te bei nur noch „wenig über zwei Kindern je Frau“, erklärt der Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerun­g und Entwicklun­g. In Deutschlan­d ist der Unterschie­d zwischen muslimisch­en und nicht-muslimisch­en Frauen noch weniger groß als in anderen europäisch­en Staaten. Das Institut schätzt, dass die Geburtenra­te muslimisch­er Frauen hier zwischen 2015 und 2020 bei 1,9 Kindern liegt, während nicht-muslimisch­e Frauen 1,4 Kinder bekommen.

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Foto: Khang Nguyen, dpa Betende Muslime im baden württember­gischen Rheinstett­en. Glaubt man US Forschern, wächst ihr Anteil an der Bevölkerun­g in Zukunft weiter.

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