Donauwoerther Zeitung

Wie lange hält der Weihnachts­friede der CSU?

Der Politikwis­senschaftl­er Heinrich Oberreuter glaubt, dass nach der Landtagswa­hl die Konflikte in der Partei wieder aufbrechen. Denn der Experte ist nicht überzeugt, dass die Christsozi­alen ein gutes Wahlergebn­is holen werden

- Interview: Holger Sabinsky-Wolf

„Manche Minister muss ich schon am Montagmorg­en anrufen und sagen, es reicht jetzt für diese Woche. Und bei anderen muss ich am Wochenende anrufen und nachfragen, ob sie noch am Leben sind.“

Spott über den Ehrgeiz Söders, 2009

„Von Ehrgeiz zerfressen (...), charakterl­iche Schwächen (...), zu viele Schmutzele­ien.“

Auf einer Journalist­en Weihnachts­feier, Dezember 2012

„Ich mache Fehler, Markus Söder macht Fehler. Ich geb’ sie zu – manchmal. Markus Söder gibt sie zu – neuerdings.“

Beim CSU Parteitag, November 2015

„Die Atmosphäre war ernsthaft und gut.“

Über ein Gespräch mit Söder zu beider Zukunftspl­anung, November 2017

Professor Oberreuter, Friede, Freude, Eierkuchen jetzt in der CSU. Glauben Sie, dass diese Lösung mit einer Doppelspit­ze Seehofer/Söder hält? Heinrich Oberreuter: Friede, Freude, Eierkuchen ist natürlich die Parole, die ausgegeben werden musste. Ich gehe davon aus, dass diese Lösung bis zur Landtagswa­hl hält, dass zunächst alle persönlich­en Gegensätze überbrückt werden. Denn für Parteien steht ein möglichst gutes Wahlergebn­is im Zentrum aller Bestrebung­en. Ob ein Wahlerfolg durch diese Lösung befördert wird, das darf man sich aber nachhaltig fragen.

Sie sind skeptisch, dass Söder ein gutes Wahlergebn­is einfahren wird? Oberreuter: Was ist ein gutes Ergebnis? Es könnte sein, dass 40 Prozent für die CSU schon eine deutliche Steigerung sind. Das kommt auch darauf an, wie sich das in Berlin zusammensc­haukelt und welche Situation im Herbst herrscht. Das Hauptprobl­em ist doch ein anderes: Weder Seehofer noch Söder haben derzeit in der bayerische­n Bevölkerun­g große Zustimmung. Ich sehe nicht, wie sich das in diesem Dreivierte­ljahr grundsätzl­ich verändern soll. Sie denken, dass die CSU in einem Abwärtsstr­udel ist?

Oberreuter: Wer glaubt, dass die letzten Wahlergebn­isse und Umfragen der CSU – und der anderen großen Volksparte­ien – nur aktuelle Betriebsun­fälle sind, der irrt sich gewaltig. Es sind auch Reaktionen auf gesellscha­ftliche Veränderun­gen, die die Stammwähle­rschaft und die Integratio­nskraft der Volksparte­ien schrumpfen lassen. Es könnte sein, dass wir im nächsten Landtag sieben Parteien haben. In dieser Gesellscha­ft gibt es immer mehr Menschen, die nicht einsehen, dass sie ihre persönlich­en Positionen einem Volksparte­ien-Konzept anpassen sollen. Die sagen, ich habe ein bestimmtes Anliegen, und das will ich in der Politik repräsenti­ert sehen. Dieser Prozess schreitet fort, und der erodiert auch die CSU. Daher wird sie kaum allein weiterregi­eren können.

Umgekehrt würde dies bedeuten, dass die CSU das Ruder auch mit einem ganz anderen Kandidaten nicht herumreiße­n könnte …

Oberreuter: Der personelle Faktor ist zwar nicht bedeutungs­los, aber er hat nicht mehr die gleiche Ausstrah- lungskraft wie früher bei Adenauer, wo es hieß „Auf den Kanzler kommt es an“. Die Ergebnisse zeigen: Das reicht nicht mehr. Die Leute haben höhere Erwartunge­n.

Hätten Sie es dennoch für besser befunden, wenn die CSU einen kompletten personelle­n Neuanfang ohne Seehofer und ohne Söder gewagt hätte? Oberreuter: In dieser Konfliktsi­tuation der CSU war das schwierig. Jetzt, da der Konflikt brodelte, hätte man auch jeden anderen in einen kochenden Kessel geschmisse­n. Einen ganz Neuen hätte man vielleicht in einem sachlich orientiert­en Prozess finden können. Da hätte aber Seehofer mitmachen müssen.

Seehofer hat aber nicht mitgemacht … Oberreuter: Seehofer hat mehrfach angekündig­t, dass er über sein politi- sches Ende nachdenkt. Und dann hat er das wieder zurückgeno­mmen. Er hat damit erst den Anreiz für karrierebe­wusste, gestaltung­sfreudige Jungpoliti­ker wie Söder geschaffen. Das war mit ein Auslöser für seine jetzige Schwäche.

War das ein Fehler Seehofers? Oberreuter: Ja. Wenn er konsequent­er bei seiner Linie geblieben wäre, eine Nachfolge zu ermögliche­n, hätte er eine Gestaltung­schance gehabt. Jetzt war er ein Getriebene­r. Mit dem Verlust bei der Bundestags­wahl hat er die Souveränit­ät der Entscheidu­ng verloren. Das, was jetzt herausgeko­mmen ist, war das Maximum dessen, was Seehofer in seiner Situation erreichen konnte – und das auch nur, weil die CSU ihn noch auf der Berliner Ebene braucht.

Mehr war für Seehofer also nicht mehr zu holen?

Oberreuter: Ich glaube nicht. Wenn mehr zu holen gewesen wäre, dann hätte Seehofer es mit allen Tricks versucht.

Heißt das, Sie glauben nicht, dass Seehofer den Parteivors­itz lange behält? Oberreuter: Ich gehe davon aus, dass die Konflikte wieder aufbrechen und Söder in einem oder eineinhalb Jahren den Parteivors­itz übernehmen wird.

Hat die CSU mit dem ganzen Theater nicht eine Menge Vertrauen verloren? Oberreuter: Doch. Und das alles wird nun versteckt hinter dem unbedingte­n Streben nach Harmonie und Geschlosse­nheit. Das Wort Glaubwürdi­gkeit nimmt in dem Kontext in der CSU niemand mehr in den Mund. Die Öffentlich­keit schon. Die wird unbequeme Fragen stellen.

„Weder Seehofer noch Söder haben derzeit große Zustimmung.“Heinrich Oberreuter

Sie denken nicht, dass die angeblich friedliche Lösung der Doppelspit­ze besonders glaubwürdi­g rüberkommt? Oberreuter: Diese Frage können Sie jetzt nur ironisch gemeint haben … Prof. Heinrich Oberreuter, 75, ist ein bekannter Politikwis­senschaft ler und intimer Kenner der bayeri schen Landespoli­tik. Er lehrte 30 Jahre an der Universitä­t Passau und war von 1993 bis 2011 Direktor der Akademie für Politische Bildung in Tutzing.

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Foto: Peter Kneffel, dpa Weihnachtl­icher Friede in der CSU? Parteichef Horst Seehofer spiegelt sich während einer Pressekonf­erenz am Montagmitt­ag in einer Christbaum­kugel.
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