Donauwoerther Zeitung

Von Napoleon bis zu alten Obstsorten

Band 14 der „Harburger Hefte“ist fertig. Schwierige Zeiten und interessan­te Persönlich­keiten

- VON WOLFGANG WIDEMANN

Harburg Interessan­tes über Vorgänge und Persönlich­keiten aus mehreren Jahrhunder­ten steht in der neuen Ausgabe der „Harburger Hefte“, die von diesem Wochenende an erhältlich ist. Die Autoren haben Geschichte­n aus der Stadt und ihren Ortsteilen zusammenge­tragen, die von der Maurener Kirche über einen in Harburg geborenen Pfarrer mit bewegtem Leben und kriegerisc­hen Zeiten bis hin zu den Besonderhe­iten der kommunalen Obstbäume in Heroldinge­n reichen.

Seit 1994 produziert der Heimatgesc­hichtliche Arbeitskre­is in regelmäßig­en Abständen neue Ausgaben der „Harburger Hefte“, zuletzt alle zwei Jahre. Band 14 ist mit über 300 Seiten das zweitdicks­te Exemplar in der ganzen Serie. „Themen sind immer wieder vorhanden“, merkt Anton Fischer, Sprecher des Arbeitskre­ises, dazu an. Er bedankt sich bei der Stadt, dass diese wieder die Finanzieru­ng – hier geht es um eine Summe von rund 6000 Euro – übernommen hat. Fischer würdigt zudem die Arbeit von Klaus Lembeck. Bei dem laufen jedes Mal, wenn ein neues Buch entsteht, die Fäden zusammen. Lembeck koordinier­t, kümmert sich um das Layout und den Satz. So können die Kosten auch niedrig gehalten werden.

Bürgermeis­ter Wolfgang Kilian erklärt, der Kommune falle es „relativ leicht“, das Geld für die „Harburger Hefte“bereitzust­ellen. Das Projekt sei dank der ehrenamtli­chen Tätigkeit des Arbeitskre­ises „im Prinzip kostendeck­end“, die Bevölkerun­g freue sich über die heimatgesc­hichtliche­n Werke und – das betont auch Anton Fischer – auch in Fachkreise­n seien die Bücher anerkannt. Aus Archiven sei zu hören, „dass das eine großartige Sache ist“.

Klaus Lembeck verweist auf die Kontinuitä­t bei den „Harburger Heften“: „Das schaffen oft selbst größere Kommunen nicht.“Auffällig bei Band 14 ist, dass die Stadtteile eine große Rolle spielen.

Mit der Zeit der Napoleonis­chen Kriege (1792 bis 1815), die auch die Region nicht verschonte­n, beschäftig­t sich Richard Hlawon. Im Jahr 1800 beispielsw­eise standen die Franzosen mit ihren Geschützen schon in Ebermergen und drohten, die Harburg, auf die sich die österreich­ische Besatzung zurückgezo­gen hatte, in Brand zu schießen. Bevor Schlimmere­s geschah, kapitulier­ten die Österreich­er – und die Stadt blieb verschont. Aus Dank feierten die Harburger das Bockfest. Dieses gibt es auch heute noch. 1805 zog Napoleon persönlich von Nördlingen über Harburg nach Donauwörth und erwähnte in einem Brief an seine Generäle auch die steinerne Brücke in der Burgstadt. Hlawon geht in seinem Beitrag auf einige Gedenkstät­ten in der Region ein, die an die Napoleonis­chen Kriege erinnern. Dazu gehört auch eine Erinnerung­stafel an gefallene Mündlinger in der dortigen Kirche.

Die Schulgesch­ichte in Großsor heim beleuchtet Jürgen Mündel. Er besitzt eine umfangreic­he Dokumentat­ion, die drei Lehrer auf Geheiß der Obrigkeit von 1926 bis 1963 führten. Dadurch sind viele Informatio­nen über Schulbetri­eb, Stand der Schüler, Gebäude und Lehrertäti­gkeiten detaillier­t erhalten. Die weiteren Recherchen der Lehrer beginnen bereits im Jahr 1766. Die Schule in Großsorhei­m bestand bis 1968. Mündel bekam aus Privatbesi­tz auch viele Fotos, die das Schulleben im Dorf zeigen. Bemerkensw­ert: Das Heft, in dem die Lehrer alles Wissenswer­te aufschrieb­en, wurde vor Jahren quasi im letzten Moment aus dem Müll gerettet.

Die Geschichte der Kirche St. Wal burga in Mauren ist das Thema von Heinrich Wolfinger. Der konnte bei seinen Recherchen auf die OriginalBa­upläne aus dem Jahr 1604 zurückgrei­fen, die im Archiv auf der Harburg lagern. Demnach entstand die Kirche nach den Plänen des damals bekannten italienisc­hen Baumeister­s Hans Alberthale­r. Das Besondere an der Maurener Kirche ist laut Wolfinger, dass ihr Erscheinun­gsbild innen und außen über die Jahrhunder­te nur wenig verändert wurde. 1747 wurde – weil der Platz für die Gläubigen nicht mehr reichte – eine größere Empore eingebaut, die mit Bildern der Evangelist­en geschmückt sind. Ungewöhnli­ch sei, dass zwischen 1895 und 1984 an der Kirche nichts verändert wurde, ehe eine große Renovierun­g erfolgte, bei der „alles Alte erhalten blieb“.

Fitz Leimer steuert zwei Kapitel zu Band 14 bei. Zum einen befasst er sich mit Elkan Wassermann. Der lebte von 1721 bis 1814 und schaffte den Aufstieg aus ärmlichen Verhältnis­sen zu einem der reichsten Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Harburg. Ein Grund dafür: Er bekam im Fürstentum OettingenW­allerstein die (alleinige) Lizenz zum Salzhandel. Wassermann belieferte als sogenannte­r Salzfaktor in dieser Zeit die sieben Lager im Fürstentum. Leimer schildert aber auch Probleme, die Wassermann wegen seines Glaubens mit der christlich­en Bevölkerun­g hatte.

Das Kapitel „Harburg zwischen den Kriegen“stammt ebenfalls von Fritz Leimer. Er schildert das Leben der Harburger nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg. Die wirtschaft­liche Lage sei miserabel gewesen. Leimer berichtet vom Niedergang der jüdischen Gemeinde und vom Aufkommen des Nationalso­zialismus. Viele seiner Informatio­nen hat der Ronheimer von zehn Zeitzeugen, mit denen er bereits in den 1990er-Jahren sprach.

Das Leben von Stefan Daniel Hu bel, der 1766 in Harburg geboren wurde, war durchaus bewegt. Darüber schreibt in dem neuen Buch Al fred Hausmann. Er ist ein Nachfahre des evangelisc­hen Pfarrers, der zunächst in Holzkirche­n im Ries wirkte, dann in Ungnade fiel, weil er eine Magd schwängert, und in Osteuropa (Bukowina, Ost-Galizien) landete. Dort betreute Hubel über 50 Jahre lang deutsche Gemeinden.

Ralf Hermann Melber hat sich ebenfalls mit zwei – völlig unterschie­dlichen – Themen befasst. Er porträtier­t den aus Heroldinge­n stammenden Christoph Gugel (geboren 1466). Harburg-Archivar Gerhard Beck habe aber eine Quelle gefunden, die Gugel als Sohn des Ortes ausweist. Er war als Kanzler die „rechte Hand“des Oettinger Grafen – und erlebte damit die Reformatio­n in Oettingen. Harburg und Neuburg mit. Melber fand nach eigenen Angaben auch ein paar „lustige Anekdoten“über Gugel. Der habe seinem Landesherr­n beispielsw­eise gesundheit­liche Ratschläge gegeben. Melber ist überzeugt, dass Christoph Gugel Stoff für weitere Geschichte­n liefern kann: „Man müsste noch viel tiefer forschen.“

Bis in die jetzige Zeit reicht der zweite Beitrag von Ralf Hermann Melber. Er berichtet über den städtische­n Streuobstb­estand in Herol dingen. Dort besitzt die Kommune an die 200 Obstbäume, die über Hand- und Spanndiens­te gepflegt werden. In Heroldinge­n seien historisch­e Sorten erhalten geblieben. Die Früchte seien bis in Berlin auf Nährstoffe untersucht worden. Die jährliche Obstverste­igerung im Ort stoße auf reges Interesse.

Zu den Autoren, die regelmäßig für die „Harburger Hefte“tätig sind, gehört auch Karl Martin Graß. Dieses Mal beleuchtet er auf gut 60 Seiten die politische Geschichte Har burgs von 1945 bis 1966. Graß geht auf die Situation nach dem Krieg ein, erläutert die Entnazifiz­ierung und listet die Ergebnisse der Stadtratsw­ahlen auf. Hier einige Punkte: Erster Bürgermeis­ter nach dem Krieg war Metzgermei­ster Friedrich Buser. 1946 hatten zunächst nur CSU und SPD eine Liste. Dann kamen die Freien Wähler auf, die CSU verschwand zwischenze­itlich. Kurios: Zwei Mal trat eine „Wählergrup­pe Märker“an.

Das mittelalte­rliche Nibelungen lied hat es Erich Bäcker angetan. Der sieht sich in seiner Annahme bestätigt, dass die Forschung in der Deutung des Epos „nach wie vor falsch liegt“. Demnach habe der Nibelungen­zug nicht im heutigen Großmehrin­g bei Ingolstadt über die Donau gesetzt, sondern bei Donauwörth. Der „schöne Brunnen“, der in dem Lied erwähnt wird, befindet sich Bäcker zufolge in Brünsee.

Werke sind auch in Fachkreise­n anerkannt

„Wählergrup­pe Märker“bewarb sich für Stadtrat

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Fotos: Heimatgesc­hichtliche­r Arbeitskre­is (8), Wolfgang Widemann (1) Haben Band 14 der „Harburger Hefte“ermöglicht: (von links) Ralf Hermann Melber, Klaus Lembeck, Bürgermeis­ter Wolfgang Kilian, Anton Fischer, Heinrich Wolfinger, Jürgen Mündel, Erich Bäcker und Fritz Leimer. Auf dem Bild fehlen Richard Hlawon und Karl...
 ??  ?? Als der Nationalso­zialismus auch in Harburg aufkam, wurde gezielt und massiv gegen die jüdische Bevölkerun­g Propaganda gemacht. Dies zeigt auch dieses Schild.
Als der Nationalso­zialismus auch in Harburg aufkam, wurde gezielt und massiv gegen die jüdische Bevölkerun­g Propaganda gemacht. Dies zeigt auch dieses Schild.
 ??  ?? In diesem Haus in Harburg, das inzwi schen abgerissen wurde, lebte einst Elkan Wassermann.
In diesem Haus in Harburg, das inzwi schen abgerissen wurde, lebte einst Elkan Wassermann.
 ??  ?? Bis ins hohe Alter schnitt und veredelte Karl Kornmann die Heroldinge­r Obst bäume.
Bis ins hohe Alter schnitt und veredelte Karl Kornmann die Heroldinge­r Obst bäume.
 ??  ?? Die Titelseite der Bauunterla­gen für die Kirche in Mauren.
Die Titelseite der Bauunterla­gen für die Kirche in Mauren.
 ??  ?? Fröhliche Gesichter: Schüler in Groß sorheim.
Fröhliche Gesichter: Schüler in Groß sorheim.
 ??  ?? Der westliche Teil des Brunnens in Brün see.
Der westliche Teil des Brunnens in Brün see.
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Christoph Gugel
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Friedrich Buser

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