Weshalb die Polizei einem Mann ins Bein schoss.
Am zweiten Prozesstag gegen den 46-Jährigen, der im Februar mit Messer und Eisenstange randalierte, sagt auch der Schütze aus. Der Angeklagte wirkt erneut abwesend
Am zweiten Prozesstag gegen einen Donauwörther hat auch der Polizeibeamte ausgesagt, der den Schuss abfeuerte.
Donauwörth/Augsburg In Handschellen betritt der Angeklagte den Saal des Augsburger Landgerichts. Das Gesicht ist ausdruckslos, die Haare ungewaschen. Er trägt einen weiten Pulli und eine weite Hose. Im Publikum sitzen die Ehefrau, die ältere Tochter und deren Freund. Mit einem Schreiben wenden sie sich ans Gericht, betonen, dass der Beschuldigte ein guter Vater und Ehemann sei. War dieser Mann, der erneut abwesend wirkt, tatsächlich nur durch einen gezielten Schuss in den Oberschenkel zu stoppen?
Diese Frage stand am zweiten Prozesstag gegen den 46-Jährigen im Fokus, der im Februar dieses Jahres in der Donauwörther Parkstadt seine Familie geschlagen, mehrere Autos demoliert und zwei Polizisten angegriffen haben soll – und sich deshalb wegen versuchten Totschlags verantworten muss.
Am gestrigen Dienstag waren vor allem die beteiligten Polizisten als Zeugen geladen – darunter auch der Beamte, der im Februar auf den Angreifer geschossen hatte. „Der Vorfall ist noch sehr präsent. Wir bekamen die Information, dass der Angreifer polizeilich unbekannt und alkoholisiert ist. Zudem soll er seine Familie geschlagen haben. Als wir am Tatort eintrafen, hatte er ein Messer und eine Eisenstange in der Hand und demolierte mehrere Autos“, sagte der Polizist. Deshalb hätten er und sein Kollege bereits im Wagen die Waffen gezogen. „Wir forderten ihn lautstark auf, die Gegenstände wegzulegen, aber er lief mit einer Art Tunnelblick auf uns zu. Dann schoss ich einmal in die Luft“, schilderte der 27-jährige Beamte den Vorfall.
Dieser Schuss habe seine Wirkung allerdings verfehlt: Der Angreifer habe die hintere Seitenscheibe des Streifenwagens eingeschlagen und anschließend gesagt, dass er den Polizisten umbringen wolle. „Da habe ich ihm ins rechte Bein geschossen. Er ging sofort zu Boden, verlor das Messer, war aber weiterhin aggressiv und wollte uns mit der Eisenstange treffen.“Der Schuss, so bestätigten Mediziner während der Verhandlung, brach den Oberschenkelknochen des Angreifers. Eine Alternative hätte es dem Polizisten zufolge aufgrund der kurzen Distanz zum Täter nicht gegeben.
Der zweite Polizist, der ebenfalls mit dem Streifewagen angerückt war, bestätigte die Version des Schützen: „Ich hatte auch gezielt, hätte vielleicht eine Sekunde später abgedrückt.“Er habe den Beschuldigten in einem Ausnahmezustand erlebt. Deshalb sei er froh, dass der Zwischenfall letztlich so abgelaufen sei. Die rund 1400 Euro Schaden, die am Streifenwagen entstanden, habe die Familie bereits beglichen, betonte Verteidiger Florian Engert.
Neben den zahlreichen Polizisten hatte die Vorsitzende Richterin Susanne Riedel-Mitterwieser auch ein Mitglied des Kriseninterventionsdienstes geladen, der am Tag der Tat rund zwei Stunden mit der Ehefrau und den beiden Töchtern des 46-Jährigen geredet hatte. Der Krisenmanager erinnerte sich vor Gericht an das Gespräch mit den Angehörigen: „Sie sagten mir, dass der Angeklagte normalerweise ein guter Ehemann und Vater ist. Nur unter Alkoholeinfluss habe es körperliche Gewalt gegeben. Es habe Schläge mit Fäusten und Händen gegen seine Frau und die jüngere Tochter gegeben.“
Bis die 8. Strafkammer ein Urteil fällt, dauert es wohl noch einige Wochen. Am Dienstag, 19. Dezember, wird der Prozess fortgesetzt. Dann sollen erneut zwei Polizisten aussagen. Außerdem präsentiert der Sachverständige sein Gutachten. Dabei geht es vor allem darum, ob der Angeklagte voll schuldfähig ist und ob ihm eine Therapie gewährt wird. Die abschließenden Plädoyers und das Urteil sind für Montag, 8. Januar, eingeplant.