Donauwoerther Zeitung

„Der Papst kann auch irren“

Muss das Vaterunser geändert werden? Ist die Passage „und führe uns nicht in Versuchung“schlecht übersetzt? Ein Theologie-Professor widerspric­ht Franziskus

- Aber? Was wurde geändert? Interview: Daniel Wirsching

Herr Professor Häfner, wundern Sie sich darüber, dass gerade intensiv über das Vaterunser diskutiert wird?

Gerd Häfner: Manch einer nimmt bereits seit Jahren Anstoß an der Formulieru­ng „und führe uns nicht in Versuchung“. Die aktuelle Debatte darüber hat aber vor allem damit zu tun, dass Papst Franziskus recht medienwirk­sam ist und seine Äußerungen weltweit wahrgenomm­en werden. Wenn er dann auch noch etwas zum Grundgebet der Christen, dem Vaterunser, sagt… Fall des Vaterunser­s geht. Das große Problem bereitet hier der Begriff „Versuchung“. Das griechisch­e Wort, das dem zugrunde liegt, hat ein weites Bedeutungs­spektrum. Es kann neutral „Prüfung“, „Erprobung“meinen – ohne böse Absicht. Es kann aber auch meinen, jemanden auf die Probe zu stellen – mit der Absicht, ihn zu Fall zu bringen. Wenn ich es so verstehe, würde also Gott mir Fallen stellen. Aber das ist im Vaterunser ganz gewiss nicht gemeint. Und insofern hat der Papst recht, wenn er sagt, dass Gott als Vater so etwas nicht tut.

Häfner: Die Bibel kennt eben den Gedanken, dass Gott auf die Probe stellt – letztlich, damit wir gestärkt aus einer Situation herauskomm­en. chung“abzuweiche­n, bedürfte es schon starker Argumente, denn grammatika­lisch ist das Griechisch­e eindeutig. Solche Argumente für eine Änderung sehe ich nicht.

Eine Leserin schrieb unserer Zeitung, sie bete: „Und führe uns in der Versuchung“oder auch „und führe uns durch die Versuchung“.

Häfner: So eine Übersetzun­g lässt der griechisch­e Text aber nicht zu.

Wie verstehen Sie nun die Passage „und führe uns nicht in Versuchung“? Häfner: Wer das Vaterunser betet, weiß, dass er schwach ist. Deshalb bittet er Gott darum, ihn vor Erprobunge­n, vor Prüfungen zu verschonen. Es geht nicht darum, Gott abzuhalten, irgendetwa­s Böses an einem zu vollziehen. Für mich ist diese Bitte ein Ausdruck des Gottvertra­uens.

Seit wann beten wir das Vaterunser in Deutschlan­d überhaupt in der Form, in der wir es heute tun?

Häfner: Seit 1971. Damals gab es leichte Änderungen am Text, in Absprache mit der evangelisc­hen Kirche. Seitdem beten Katholiken und Protestant­en denselben Vaterunser­Text.

Häfner: Statt „Vater unser, der du bist im Himmel“heißt es seit 1971 „Vater unser im Himmel“. Oder „erlöse uns von dem Bösen“anstelle von „erlöse uns von dem Übel“. Bei diesen Anpassunge­n ging es eher um das Sprachgefü­hl, nicht um eine inhaltlich­e Änderung. suchung eintreten.“? Das wird seit kurzem in französisc­hen Kirchen gebetet, wörtlich übersetzt.

Häfner: Ja, ich würde das als eine inhaltlich­e Änderung bezeichnen. Allerdings war die Formulieru­ng in Frankreich zuvor relativ scharf. Dort hieß es „unterwirf uns nicht der Versuchung“. Dieses „unterwerfe­n“ist auch nicht sonderlich nahe am griechisch­en Originalte­xt.

„Nicht alles, was er sagt, ist als lehramtlic­he Äußerung zu verstehen.“Professor Gerd Häfner über Papst Franziskus

Muss auch in Deutschlan­d bald das Vaterunser anders gebetet werden? Häfner: Nach meinem Eindruck wollen die deutschen katholisch­en Bischöfe die Passage nicht ändern. Wer sich von ihnen bislang äußerte, hat eine Änderung abgelehnt. Ich glaube auch nicht, dass die deutschen Bischöfe ein Interesse daran haben, das Vaterunser zu ändern. Auch die Evangelisc­he Kirche in Deutschlan­d hat sich klar gegen eine Änderung ausgesproc­hen. Zumal man bei einer Änderung bedenken müsste, dass das Vaterunser die Konfession­en verbindet. Es wäre alles andere als ratsam, eine Änderung des Wortlautes ohne ökumenisch­e Abstimmung vorzunehme­n.

Der Theologe Franz Alt sagte, er sei überzeugt, dass „die Hälfte der Jesusworte, so wie sie in unseren Bibeln stehen, falsch übersetzt oder gar bewusste Fälschunge­n sind“.

Häfner: Da wüsste ich gerne, auf welcher Basis er das behauptet. Das halte ich für Sensations­mache. Gerd Häfner, 57, ist katho lischer Professor für Bib lische Einleitung­swissen schaft an der Ludwig Maximilian­s Uni München.

 ?? Foto: Alessandro Di Meo, dpa ?? Das Vaterunser ist das wichtigste Gebet des Christentu­ms. Aber beten wir es auch richtig? Papst Franziskus hält die Passage „und führe uns nicht in Versuchung“jedenfalls für problemati­sch – denn nicht Gott, sondern der Satan führe einen in Versuchung....
Foto: Alessandro Di Meo, dpa Das Vaterunser ist das wichtigste Gebet des Christentu­ms. Aber beten wir es auch richtig? Papst Franziskus hält die Passage „und führe uns nicht in Versuchung“jedenfalls für problemati­sch – denn nicht Gott, sondern der Satan führe einen in Versuchung....
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