Das Krankenbett in der Kirche
Wer in diesen Tagen das Liebfrauenmünster in Donauwörth besucht, entdeckt nicht nur den Adventskranz, der auf diese besondere Zeit aufmerksam macht. Vielmehr wundert er sich vielleicht über ein Pflegebett, das zwischen den gotischen Säulen aufgestellt ist. Und am dritten Adventssonntag wird ein Schlafsack auf Pappkartons an alle erinnern, die kein Obdach haben. Was soll diese seltsame Installation?
Christen bekennen einen Gott, der Mensch geworden ist. Keine andere Religion kennt ein derartiges Geheimnis. Gott lässt sich ein auf das Leben des Menschen – bis in die letzte Konsequenz. Und die Adventszeit will uns in dieses Geheimnis hineinführen: Gott, einer von uns. In guten wie in weniger guten, in gesunden wie in kranken Tagen, nimmt er unser Leben ernst. Der Mensch gewordene Gottessohn lässt uns im angekündigten Gericht, von dem der Evangelist Matthäus erzählt, wissen, dass wir ihm unsere ganze Liebe geschenkt haben, wenn wir einander mit Achtung und Liebe wahrgenommen und manch plagende Not gelindert haben: „Ich war krank – und du bist zu mir gekommen.“Er warnt uns aber auch davor, einander liebevolle Begegnungen vorzuenthalten, weil wir letztlich ihn mit unserem Liebesentzug treffen: „Ich war fremd und obdachlos – und du hast mir nicht geholfen.“Zugegeben, auf den ersten Blick wirklich nicht das, was „man“sich vielleicht unter Advent vorstellt. Nicht der Duft von Weihnachtsplätzchen und Glühwein, sondern die Luft eines Krankenzimmers. Nicht die Weite einer verschneiten Winterlandschaft, sondern die Enge einer Gefängniszelle. Nicht die gemütliche Stube, sondern die Pappe. Gott wird Mensch. Und im Dienst aneinander dürfen wir dem Mensch gewordenen Gott begegnen. Lichter, die neben dem Krankenbett, in der Gefängniszelle und am Boden neben dem Schlafsack brennen, wollen daran erinnern, dass jemand das Leben der Menschen dort heller machen wollte durch seinen Besuch – und ja: durch das Gebet, in dem der leidende Mensch vor Gott getragen, und Gott ganz in die Nähe des Menschen gebracht wird. Ein paar Tage bleiben noch, bis wir Weihnachten feiern: Gott an unserer Seite, Gott mit uns und Gott für uns. Dann wird auch im Münster die vierte „Liegestatt“zu sehen sein. Der Evangelist Lukas erzählt von einer Krippe. Aber Gottes Sohn bleibt nicht in Betlehem. Er geht unbeirrt seinen Weg, der für uns zum Weg der Erlösung wird, wenn sie ihn auf Golgatha aufs Kreuz legen. Menschwerdung – bis hinein in den Tod. Keine menschliche Erfahrung erspart sich unser Gott. Sollten wir es uns wirklich ersparen wollen, ihm zu begegnen, wo er uns doch so eindringlich darauf hinweist: „Ich war krank, ich war im Gefängnis, ich war fremd und obdachlos … – und du …“